18.09.2015 Views

erschien nennen menschenähnlichen

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013<br />

artelmäßigen Bearbeitung der Felder und der ländlichen Genossenschaften, da er in ihnen<br />

eine nicht zu verwirklichende Utopie erblickt. Seiner Meinung nach ist die Volkstümlerei<br />

nichts als eine entstellte, nicht konsequent durchgeführte Form des Slawophilentums. Er<br />

[592] behauptet, die Volkstümler haben sich alle Grundlagen des Slawophilentums angeeignet<br />

und dabei alle sich daraus ergebenden Folgerungen bezüglich des Zaren und der Religion<br />

entfernt. Der allgemeine Sinn seines Briefes ist dieser: Wer sich für die alten Pfeiler unseres<br />

bäuerlichen Lebens begeistert, muß notwendigerweise auch den Zaren und Gott hinnehmen.<br />

Die Volkstümler haben, nach seinen Worten, weder vor dem Zaren noch vor Gott genügend<br />

Respekt, aber er glaubt, das Leben werde sie früher oder später zur Vernunft bringen.<br />

Wir sehen nun, daß die Menschen genau wie von Aksakow auch von den Werken Gl.<br />

Uspenskis zur Vernunft gebracht werden könnten: Absolutismus, Rechtgläubigkeit und<br />

Volkstümlichkeit – das ist die Devise, an die sich alle halten müßten, die sich für die „Logik“<br />

der Weltanschauung des Iwan Jermolajewitsch begeistern.<br />

Wir sagen „könnten“ und „müßten“, weil unser Rasnotschinze in Wirklichkeit niemals dahin<br />

kommen wird, von einem Anhänger der „Rusj“ anerkannt zu werden. Er ist zu gebildet, um<br />

an Gott zu glauben, und zugleich zu aufrichtig, um ihn scheinheilig anzubeten, etwa weil er<br />

die Religion für ein Mittel hielte, den gemeinen Pöbel in Schach zu halten. Unser Rasnotschinze<br />

kann, wenn er in seinem Herzen Rührung verspürt, zwar ausrufen: „Das Volk, das ist<br />

der Mensch, der es nach der Vertreibung seines ungehorsamen Mitbruders aus dem Paradiese<br />

(?!) vorgezogen hat, darin zu bleiben, und sich sagte: es geht auch so“‚ wie Pigassow bei Gl.<br />

Uspenski ausruft; aber nichtsdestoweniger begreift er sehr wohl, daß sich das wirkliche Leben<br />

des Volkes eher mit der Hölle vergleichen läßt. Er fühlt, wie unerträglich auch seine eigene<br />

Lage ist, und deshalb kann er sich mit dem Absolutismus nicht abfinden. Er kann dem<br />

Kampf oder wenigstens der friedlichen Opposition nicht aus dem Wege gehen. Er kann ermattet<br />

die Arme sinken lassen, wie das bei den legalen Volkstümlern der Fall ist, er kann der<br />

Gewalt weichen, aber niemals wird er sich mit der bestehenden Ordnung aufrichtig versöhnen.<br />

Er wird immer nach einer friedlichen oder revolutionären Umgestaltung unserer gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse streben. Solange er sich aber nur auf Leute wie Iwan Jermolajewitsch<br />

stützen will, solange wird er keinerlei Unterstützung genießen.<br />

Das „Volk“, das er als das Ideal hinstellt (d. h. der „haushälterische“ Bauer) wird gegen seine<br />

Aufrufe taub bleiben. Und deshalb wird er sich, wenn er weiter an dem Standpunkt der<br />

Volkstümler festhält, stets in einer ganz falschen und widerspruchsvollen Lage befinden. Er<br />

wird törichte Gesellschaftstheorien verfassen, er wird Dinge entdecken, die schon längst entdeckt<br />

sind, ohne in wirklicher Beziehung zum Leben zu stehen, ohne festen Boden unter den<br />

Füßen zu haben. Die Aufgabe einer fruchtbaren gesellschaftlichen Betätigung wird für ihn<br />

eine unlösbare Aufgabe bleiben.<br />

[593] Nichts bestätigt das Gesagte besser als die deprimierte Stimmung, die unter unseren<br />

Volkstümlern und in unserer legalen volkstümlerischen Literatur schon lange zu bemerken<br />

ist. Bei unseren legalen „neuen Menschen“ hat sich sogar eine besondere Sprache herausgebildet,<br />

die die ganze Hoffnungslosigkeit ihrer Lage treffend charakterisiert. Vor einigen Jahren<br />

führten sie mit den Slawophilen heftige Debatten, wie man weinen müsse: „mit dem<br />

Volk“ oder „über das Volk“. Und in der Tat, es bleibt ihnen nichts übrig als zu weinen – zu<br />

weinen, weil die Regierung das Volk unterdrückt und zugrunde richtet, zu weinen, weil die<br />

„Zivilisation“ über uns hereinbricht und weil Iwan Jermolajewitsch „höchstens noch zehn<br />

Jahre“ zu leben hat; schließlich müssen sie über ihre eigene hoffnungslose Lage am bitterlichsten<br />

und am meisten weinen.<br />

Wir haben bereits gesehen: das bäuerliche Asien lehnt das „intellektuelle“ Europa hartnäckig,<br />

energisch, leidenschaftlich, „mit funkelnden Augen“ ab.<br />

25

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!