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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013<br />

Schweres komme, womit man nur fertig wird, wenn man etwas kann...“ Und in solchen Augenblicken<br />

sagt er dann: „Nein, der Mischa muß unbedingt lesen und schreiben lernen!“ Es<br />

ergibt sich also, daß man es gar nicht für nötig hält, lesen und schreiben zu können, solange<br />

die Lebensweise des Volkes nur einigermaßen den „Idealen“ der Volkstümler entspricht;<br />

wenn man aber erkennt, daß das Lernen nützlich ist, dann stellt sich heraus, daß die alten<br />

„Stützpfeiler“ des Volkes am Zusammenstürzen sind, dann kommt im Dorfe der vierte Stand<br />

auf, und der haushälterische Bauer Iwan Jermolajewitsch kann „höchstens noch zehn Jahre“<br />

am Leben blei-[591]ben. Welch schlimmer Hohn der Geschichte! Und wie recht hat unser<br />

Autor, wenn er, alle Widersprüche der Lage des Intellektuellen auf dem Dorfe zusammenfassend,<br />

ausruft: „Und es ergibt sich daher für jeden, der für das Volk etwas tun will (d. h. vom<br />

Standpunkt der Volkstümler aus dafür etwas tun will), eine wahrhaft unlösbare Aufgabe: die<br />

Zivilisation (d. h. der Kapitalismus) kommt, und du als Beobachter des russischen Lebens<br />

kannst dieses Kommen nicht nur nicht aufhalten, sondern darfst auch nicht, wie man dir versichert<br />

und wie Iwan Jermolajewitsch selbst beweist, eingreifen, du hast dazu kein Recht und<br />

keinen Grund, weil doch die bäuerlichen Ideale so wunderbar und vollendet sind. Also – das<br />

Kommende aufhalten kannst du nicht, und eingreifen darfst du nicht!“ Die Volkstümlerrichtung<br />

als literarische Strömung, die danach strebt, das Leben des Volkes zu erforschen und<br />

richtig zu deuten, ist durchaus nicht das gleiche wie die Volkstümlerei als soziale Lehre, die<br />

den Weg „zum allgemeinen Wohlstand“ weist. Das erste ist nicht nur völlig verschieden vom<br />

zweiten, sondern es kann, wie wir sehen, in einen direkten Gegensatz zu ihm treten.<br />

Der am feinsten beobachtende, geist- und talentvollste aller volkstümlerischen Belletristen,<br />

Gl. Uspenski, gelangte, als er uns „völlig bestimmte“, „reale Formen der Arbeit für das Volk“<br />

zeigen wollte, ganz unversehens dazu, daß er der Volkstümlerei und allen „Programmen“ und<br />

Plänen praktischer Betätigung, die wenigstens teilweise damit in Zusammenhang standen, das<br />

Todesurteil unterschrieb. Wenn dem aber so ist, können wir einfach nicht verstehen, wie die<br />

von ihm erfaßte „Ordnung“ des bäuerlichen Lebens so beruhigend auf ihn wirken konnte. Die<br />

theoretische Klarheit seiner Ansicht vom Volk war erkauft um den Preis der unerfreulichen<br />

praktischen Folgerung: „Laß die Hände davon!“<br />

Aber der ganze Sinn der volkstümlerischen Lehre war gerade das Bestreben, die Frage „Was<br />

tun?“ zu lösen. Das Versagen in dieser Frage bedeutet ihren völligen Bankrott, und wir können<br />

sagen, daß die künstlerischen Werte der Werke unserer volkstümlerischen Belletristen<br />

einer falschen Gesellschaftslehre geopfert wurden... Im Frühjahr 1886 wurde im „Istoritscheski<br />

Westnik“ ein Brief des verstorbenen Redakteurs der „Rusj“, Aksakow 1* , veröffentlicht,<br />

den dieser, mehrere Jahre vor seinem Tode, an einen seiner jungen Freunde geschrieben<br />

hatte. In diesem Brief übt der letzte Mohikaner der slawophilen Lehre an der Volkstümlerbewegung<br />

strenge Kritik. Er macht sich lustig über die Projekte Gl. Uspenskis bezüglich der<br />

1* Im Septemberheft des „Istoritscheski Westnik“, Jahrgang 1886, steht ein Aufsatz: „Zur Biographie von I. S.<br />

Aksakow“ (ohne Unterschrift), wo sein Brief an den Studenten N. N. angeführt ist, der an die „Rusj“ einen Artikel<br />

aus dem Kreise seiner Gesinnungsgenossen eingesandt hatte; in dem Artikel wird der Gedanke ausgeführt, daß die<br />

„Überbleibsel der alten Vorurteile“ die Ursache der Feindschaft zwischen den „Slawophilen“ und den „Volkstümlern“<br />

seien. Aksakow protestierte in seinem Briefe gegen diese Anschauung und verlangte, daß man die „volkstümlerische“<br />

Richtung einer unparteiischen, aber peinlich genauen Untersuchung unterziehe und aufdecke, was ein<br />

organischer sehr wesentlicher Fehler sei (die Ablehnung Gottes und des Zaren). Bei Plechanow ist dargelegt, was<br />

dieser verworrene Brief sagen will. Über die Ideen Uspenskis sagt Aksakow folgendes: „Golzew und tutti quanti<br />

möchten gern unsere Formen des gemeinschaftlichen Besitzes an Grund und Boden und der Artelarbeit zu ‚Assoziationen‘<br />

erheben... Aber wenn man aus diesen Lebensformen des Volkes das ihnen eigene sittliche, brüderliche<br />

Prinzip herausschält, das im Volk nicht nur instinktmäßig lebt, sondern auf der Stufe eines positiven religiösen<br />

Bewußtseins – dann geht alles zum Teufel. – Engelhardt, Uspenski und Co. sind, wie es scheint, noch weiter gegangen;<br />

sie denken nicht an Assoziationen, sie nehmen das Volk, wie es ist, aber in seine Seele dringen sie nicht<br />

ein trotz alledem, oder sie wollen sie nicht kennen, sie ignorieren sie. Gebt ihnen die Schule in die Hand – sie werden,<br />

ohne es selbst zu wollen, viel Unheil anrichten...“<br />

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