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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013<br />

dar, daß ein richtiger Bauer niemals „sein Pferd einem ‚Fremden‘ anvertrauen“ werde, und er<br />

bringt eine Menge anderer Einwände, auf die der „neue Mensch“ gar nicht gefaßt ist. Es stellt<br />

sich heraus, daß man den Boden düngen muß; aber der Dünger ist auf den verschiedenen Bauernhöfen<br />

durchaus nicht von der gleichen Güte. „Da fahre ich Pferdemist hin, und ein x-<br />

beliebiger anderer kommt mit Kuhmist daher – wo bleibt denn da das Ebenmaß?... Nein, daraus<br />

wird nichts... Ich sage nein! nein! Das läßt sich gar nicht ausdenken... Ich bitte Sie, das Pferd...<br />

wie soll ich als Bauer das einem andern überlassen? Da schmeißen sie mir auf den Acker wer<br />

weiß was hin... Nein, daraus wird nichts! ... Mit einem Mist verdient man sein Vermögen...<br />

Oder nehmen wir die Sache so: da hab ich Pferdemist hingefahren und der Nachbar Hühnermist...<br />

nun, kann [588] denn das miteinander harmonieren?... Hühnermist, Vogelmist alles zusammen<br />

ein Dukaten... was bleibt er da schuldig? Ich sage nein und nochmals nein! Da läßt<br />

sich schon gar nichts machen. Ist ja nicht möglich! Was bin denn da ich für ein Bauer?“<br />

„Aus Millionen von winzigsten wirtschaftlichen Nebensächlichkeiten“, fügt Gl. Uspenski<br />

hinzu, „die, wie mir schien, für niemand auch nur die geringste Bedeutung hatten, die, wie<br />

mir schien, nicht einmal die Möglichkeit zuließen, daß man ihnen irgendwelche Beachtung<br />

schenken könnte, erwuchs plötzlich ein unüberwindliches Hindernis auf dem Wege zum<br />

Wohl der Gemeinschaft. Die Leidenschaft, ja, zornige Erregung, die Iwan während dieses<br />

Selbstgespräches ergriff, bewies, daß diese Nebensächlichkeiten die empfindlichste Stelle<br />

seiner persönlichen Interessen trafen.“<br />

Auf eine solche völlige Ablehnung der Bauern gegenüber der gemeinschaftlichen Arbeit<br />

weist auch Herr Engelhardt in seinen „Briefen aus dem Dorfe“ hin. 1 Uns ist eine solche Einstellung<br />

durchaus verständlich. Bei gemeinschaftlichem Bodenbesitz existiert in unserem<br />

Dorfe das Privat- oder Hofeigentum an den Mobilien. Daher die Ungleichheit in den wirtschaftlichen<br />

Kräften der verschiedenen Höfe und die völlige Unmöglichkeit, alle Sonderinteressen<br />

so miteinander in Einklang zu bringen, daß man mit der „geschlossenen Artelarbeit<br />

zum gemeinsamen Nutzen“ beginnen könnte. Dagegen ist wirklich alles „Gerede“ machtlos.<br />

Doch anderseits, wie steht es nun mit der Dorfgemeinschaft? Hat doch Gl. Uspenski selbst in<br />

ihrer Organisation solche „Unvollkommenheiten“ festgestellt, die dazu führen, daß in den<br />

reichsten Gegenden, unter den günstigsten Verhältnissen eine „Londoner Enge“ und „erschütterndste<br />

Armut“ herrschen. Und gibt es bei uns viele Dorfgemeinschaften, wo die Verhältnisse<br />

[589] günstig liegen? Wenn es schon in reichen Dorfgemeinschaften zu einer solchen<br />

fühlbaren „Londoner Enge“ kommen kann, wie muß es dann in armen oder nicht eben<br />

reichen Dorfgemeinschaften sein? Beachten Sie die Lage des Iwan Jermolajewitsch. Er ist ein<br />

guter, „gründlicher“, wirtschaftlich tüchtiger Bauer, er „schimpft“ und will sogar aus der<br />

Dorfgemeinschaft austreten, weil sie ihn hindert, seinen wirtschaftlichen Idealen gemäß zu<br />

leben. Neben ihm, dem gründlichen Bauern, sind nun in der Dorfgemeinschaft zwei neue<br />

Schichten entstanden: die Reichen und die Dorfarmut oder, wie sich Uspenski ausdrückt, der<br />

dritte und der vierte Stand. „Die feste Ordnung der bäuerlichen Ideale wird durch die soge-<br />

1 Engelhardt beschreibt die bäuerliche „Gemeinschafts“arbeit folgendermaßen: „Das Feld (d. h. die Wiese) müssen<br />

alle zusammen beackern. Sie haben vereinbart, dann und dann anzufangen. Am Morgen ziehen sie hinaus. Sechs<br />

sind schon da, zwei fehlen: der hat verschlafen, der hat gestern einen Rausch gehabt, das Geschirr war nicht in<br />

Ordnung. Die sechs stehen auf dem Feld, sie warten auf die andern, die sich verspäten, den Pferden haben sie ein<br />

bißchen Heu hingeworfen, sie rauchen ihre Pfeife und schimpfen. So, jetzt sind auch die andern da – wer soll den<br />

Anfang machen? Sie streiten hin und her. Schließlich hat man die Reihenfolge ausgemacht. Sie pflügen. Bei dem<br />

einen geht der Pflug nicht – alle stehen da. Jetzt ist die Sache in Ordnung, und es geht weiter. Bei dem einen ist<br />

Pferd und Geschirr besser, bei dem andern ganz schlecht; das paßt ihnen nicht. ‚Würde ich für mich allein ackern,<br />

dann könnte ich in aller Frühe aufs Feld gehen, so aber muß man im Dorf drin warten, bis die Leute aufstehen. Hier<br />

auf dem Acker muß man auch wieder warten. Ich wäre mit meinen eigenen Pferden schon längst mit dem Pflügen<br />

fertig, aber so steht man da und muß warten – da soll der Teufel den Flachs holen‘, sagt ein anderer“ usw. („Briefe<br />

aus dem Dorfe“, St. Petersburg 1885, S. 205/206).<br />

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