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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013 müssen was dazubekommen. So kommt man überhaupt zu nichts. Dann habe ich aus der Gemeinschaft austreten wollen; da hat mir einer von den Bauern gesagt, es ginge schon; bloß – ich weiß nicht wie und wieviel man dafür zahlen muß.“ Sie sehen, daß Iwan Jermolajewitsch, der zwar die ganze „Logik“ seiner bäuerlichen Weltanschauung beibehält, diese Gemeinschaft mit ihren Neuverteilungen, wie sie sich, nach Ansicht Gl. Uspenskis, notwendigerweise aus den Bedingungen der landwirtschaftlichen Arbeit ergibt, ablehnt. Womit soll man diese Unstimmigkeit erklären? Nun, damit, daß Iwan Jermolajewitsch die heutigen „Bedingungen der landwirtschaftlichen Arbeit“ in Rußland besser versteht als Uspenski. Er sieht, daß man für die Bearbeitung eines erschöpften Bodens mehr Produktionsmittel aufwenden muß, als früher aufgewendet wurden. Aber die den verschiedenen Wirten zur Verfügung stehenden Produktionsmittel sind nicht gleich: „der eine hat nicht mehr die Kraft, der andere ist zu arm und der dritte zu faul“. So führt die Neuverteilung des Grund und Bodens der Dorfgemeinschaft zu Unzuträglichkeiten, die es früher nicht gegeben hat. Darum schickt sich Iwan Jermolajewitsch auch an, die Herren Volkstümler durch seinen Austritt aus der Gemeinschaft zu ärgern. Er wird zu einem noch entschiedeneren Feind der Dorfgemeinschaft werden, wenn er zu einer intensiven Bearbeitung übergeht. Die Auflösung der Dorfgemeinschaft ergibt sich somit logischerweise aus der Veränderung der technischen „Bedingungen der landwirtschaftlichen Arbeit“. Noch eine weitere Bemerkung. Da Gl. Uspenski in den Rechtsverhältnissen der Bauern jenes Arbeitsprinzip sieht, auf Grund dessen das Produkt dem Produzenten gehören muß, führt er, ohne Zögern, auch dieses Prinzip auf die Bedingungen der landwirtschaftlichen Arbeit zurück. Jedoch existiert das gleiche Arbeitsprinzip auch im Gewohnheitsrecht der Jägergemeinschaften der Naturvölker. Was haben damit wohl die Bedingungen der landwirtschaftlichen Arbeit zu schaffen? Offenbar verdankt dieses Prinzip nicht ihnen seine Existenz. Im Gegenteil, im heutigen Dorf [577] wird dieses immer wieder angeführte Arbeitsprinzip nicht selten in sein direktes Gegenteil verwandelt. 1 Wenn der Bauer die „durch seiner Hände Fleiß“ gewonnenen Produkte auf dem Markte verkauft hat, kann er mit dem Gelde, das er aus den Produkten löst, die Arbeitskraft eines Knechts kaufen und die weitere Produktion nun bereits mit der Arbeit seines Mitmenschen betreiben. Und ein solches Verhältnis der Menschen in der Produktion führt bekanntlich dazu, daß sich ein Mensch die Arbeitsprodukte eines anderen Menschen oder anderer Menschen aneignet. Hier sehen wir wiederum, wie die heutige Lage der landwirtschaftlichen Arbeit in Rußland logischerweise zur Negation dessen führt, was Gl. Uspenski als notwendige Folge ihrer „Bedingungen“ erscheint. Wir wiederholen: Gl. Uspenski wäre nicht solchen Widersprüchen verfallen, wenn er, einmal dahinter gekommen, daß die ganze bäuerliche Lebensform von den Bedingungen der landwirtschaftlichen Arbeit abhängt, sich bemüht hätte, die Begriffe dieser Bedingungen zu klären. Das wäre für ihn um so leichter gewesen, als die Lehre von der Abhängigkeit der fortschreitenden Entwicklung der Menschheit von der Entwicklung der Produktivkräfte in der westeuropäischen Literatur bereits ausgearbeitet wird. Die Geschichtsideen Marx’ hätten in die Weltanschauung Gl. Uspenskis viel „Logik“ hineingetragen. Übrigens enthalten die Werke unseres Autors eine reiche Fülle von Stoff zur Beurteilung dessen, welchem Zustand der Produktivkräfte das von ihm entworfene Bild des Volkslebens entspricht. „An der gleichen Stelle“, so lesen wir bei ihm, „wo Iwan Jermolajewitsch sich abrackert, um nichts und wieder nichts als die notwendigste Nahrung, haben sich in genau der 1 Überhaupt kann man sagen, daß gerade dieses „Arbeitsprinzip“ zur Auflösung des Urkommunismus führt. Dieses „Prinzip“ ist in jedem Falle ein „Prinzip“ des Privateigentums. 14

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013 gleichen Weise seine Vorfahren nicht mehr und nicht weniger als tausend Jahre lang geschunden; und können Sie sich das vorstellen, sie haben einfach nicht das Geringste erdacht und getan, um sich auf leichtere Weise sattessen zu können.“ Die Vorfahren, die tausend Jahre an diesem Orte gelebt haben (wo bis zum heutigen Tage, wie schon immer, nur Hafer angebaut und ans Vieh verfüttert wird), haben ihren Nachkommen auch nicht einmal den Gedanken vererbt, daß die Schinderei, da man nun einmal essen muß, erleichtert werden müsse; in diesem Sinne weiß man von den Vorfahren nicht das geringste. Bei Solowjow, in seiner „Geschichte“, kann man einiges darüber erfahren, wie die Vergangenheit ausgesehen hat, aber hier, an Ort und Stelle, weiß niemand auch nur das Geringste. Etwas Schlimmeres als die Verhältnisse, unter denen der Bauer arbeiten [578] muß, kann man sich gar nicht vorstellen, und man muß annehmen, daß es vor tausend Jahren dieselben Bastschuhe, denselben Hakenpflug, dasselbe Gespann gegeben hat wie noch heutzutage. Die Ahnen haben keine Verkehrswege, keine Brücken und auch nicht die geringsten Verbesserungen vererbt, die die Arbeit erleichtern. Die Brücke, die Sie sehen, ist von den Vorfahren gebaut worden und hält kaum noch. Alle Arbeitswerkzeuge sind primitiv, schwer und unhandlich. Die Voreltern haben Iwan Jermolajewitsch einen unbefahrbaren Sumpf hinterlassen, den man nur im Winter passieren kann, und, wie mir scheint, wird Iwan Jermolajewitsch seinem „Kleinen“ den Sumpf genau in dem gleichen Zustand hinterlassen. Und sein Kleiner wird genauso im Sumpf versinken und sich „mit dem Pferde abrackern“ wie Iwan Jermolajewitsch... Tausend Jahre können den Sumpf nicht einmal auf einer Strecke von einer Viertelwerst zuschütten, wodurch die Erträge in der hiesigen Gegend sofort gesteigert würden, indessen wissen alle Iwan Jermolajewitschs sehr wohl, daß das eine Arbeit ist, die man an zwei Sonntagen für immer und ewig abtun kann, wenn jeder von den sechsundzwanzig Höfen einen Mann mit Axt und ein Pferd stellt. Eine Generation löste die andere ab, aber jede neue Generation hat unter genau den gleichen Bedingungen gelebt und gearbeitet, wie die vorhergehende Generation gelebt und gearbeitet hatte. Allein dieser Umstand sollte hinreichen, der Lebensweise des Bauern größere Festigkeit und „Ordnung“ zu verleihen. Aber diese Ordnung, wie Sie sehen, war eine ganz barbarische Ordnung. Der russische Bauer kann nicht bei den Bedingungen der Landarbeit stehenbleiben, wie sie Gl. Uspenski beschrieben hat. Es ist zu hoffen, daß die Geschichte, die ihn so lange stiefmütterlich behandelte, sich endlich seiner erbarme, ihn aus seiner Stagnation herausführe, ihm große Produktivkräfte an die Hand gebe und große Macht über die Natur verliehe. Die mehr und mehr sich ausdehnenden Beziehungen zum Westen können eine hinreichende Gewähr dafür bieten. Es fragt sich nur: In welchem Sinne wird die Zunahme der Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit unsere Einrichtungen auf dem Dorfe verändern und wie können unsere „neuen Menschen“ in diesem Falle unserem Bauern zu Hilfe kommen? VII Bevor wir in den Werken Gl. Uspenskis eine Antwort auf diese Frage suchen, wollen wir einige andere Seiten des „Volkscharakters“ kennenlernen. Stellen wir uns vor, unser Iwan Jermolajewitsch sei aus der ihm lieben Sphäre der landwirtschaftlichen Arbeit herausgerissen und, bei-[579]spielsweise, Soldat geworden. Wie wird er sich in dieser neuen Rolle zu den verschiedenen gesellschaftlichen Erscheinungen verhalten? In den „Beobachtungen eines Faulpelzes“ (dritter Teil des Romans „Der Ruin“) findet sich hierüber eine äußerst aufschlußreiche Stelle. Ein Küster und ein ausgedienter Soldat führen beim Kirchgang, vor Beginn des Gottesdienstes, eine friedliche Unterhaltung. 15

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013<br />

gleichen Weise seine Vorfahren nicht mehr und nicht weniger als tausend Jahre lang geschunden;<br />

und können Sie sich das vorstellen, sie haben einfach nicht das Geringste erdacht<br />

und getan, um sich auf leichtere Weise sattessen zu können.“ Die Vorfahren, die tausend Jahre<br />

an diesem Orte gelebt haben (wo bis zum heutigen Tage, wie schon immer, nur Hafer angebaut<br />

und ans Vieh verfüttert wird), haben ihren Nachkommen auch nicht einmal den Gedanken<br />

vererbt, daß die Schinderei, da man nun einmal essen muß, erleichtert werden müsse;<br />

in diesem Sinne weiß man von den Vorfahren nicht das geringste. Bei Solowjow, in seiner<br />

„Geschichte“, kann man einiges darüber erfahren, wie die Vergangenheit ausgesehen hat,<br />

aber hier, an Ort und Stelle, weiß niemand auch nur das Geringste. Etwas Schlimmeres als<br />

die Verhältnisse, unter denen der Bauer arbeiten [578] muß, kann man sich gar nicht vorstellen,<br />

und man muß annehmen, daß es vor tausend Jahren dieselben Bastschuhe, denselben<br />

Hakenpflug, dasselbe Gespann gegeben hat wie noch heutzutage. Die Ahnen haben keine<br />

Verkehrswege, keine Brücken und auch nicht die geringsten Verbesserungen vererbt, die die<br />

Arbeit erleichtern. Die Brücke, die Sie sehen, ist von den Vorfahren gebaut worden und hält<br />

kaum noch. Alle Arbeitswerkzeuge sind primitiv, schwer und unhandlich. Die Voreltern haben<br />

Iwan Jermolajewitsch einen unbefahrbaren Sumpf hinterlassen, den man nur im Winter<br />

passieren kann, und, wie mir scheint, wird Iwan Jermolajewitsch seinem „Kleinen“ den<br />

Sumpf genau in dem gleichen Zustand hinterlassen. Und sein Kleiner wird genauso im Sumpf<br />

versinken und sich „mit dem Pferde abrackern“ wie Iwan Jermolajewitsch... Tausend Jahre<br />

können den Sumpf nicht einmal auf einer Strecke von einer Viertelwerst zuschütten, wodurch<br />

die Erträge in der hiesigen Gegend sofort gesteigert würden, indessen wissen alle Iwan Jermolajewitschs<br />

sehr wohl, daß das eine Arbeit ist, die man an zwei Sonntagen für immer und<br />

ewig abtun kann, wenn jeder von den sechsundzwanzig Höfen einen Mann mit Axt und ein<br />

Pferd stellt.<br />

Eine Generation löste die andere ab, aber jede neue Generation hat unter genau den gleichen<br />

Bedingungen gelebt und gearbeitet, wie die vorhergehende Generation gelebt und gearbeitet<br />

hatte. Allein dieser Umstand sollte hinreichen, der Lebensweise des Bauern größere Festigkeit<br />

und „Ordnung“ zu verleihen. Aber diese Ordnung, wie Sie sehen, war eine ganz barbarische<br />

Ordnung. Der russische Bauer kann nicht bei den Bedingungen der Landarbeit stehenbleiben,<br />

wie sie Gl. Uspenski beschrieben hat. Es ist zu hoffen, daß die Geschichte, die<br />

ihn so lange stiefmütterlich behandelte, sich endlich seiner erbarme, ihn aus seiner Stagnation<br />

herausführe, ihm große Produktivkräfte an die Hand gebe und große Macht über die Natur<br />

verliehe. Die mehr und mehr sich ausdehnenden Beziehungen zum Westen können eine hinreichende<br />

Gewähr dafür bieten. Es fragt sich nur: In welchem Sinne wird die Zunahme der<br />

Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit unsere Einrichtungen auf dem Dorfe verändern<br />

und wie können unsere „neuen Menschen“ in diesem Falle unserem Bauern zu Hilfe kommen?<br />

VII<br />

Bevor wir in den Werken Gl. Uspenskis eine Antwort auf diese Frage suchen, wollen wir<br />

einige andere Seiten des „Volkscharakters“ kennenlernen. Stellen wir uns vor, unser Iwan<br />

Jermolajewitsch sei aus der ihm lieben Sphäre der landwirtschaftlichen Arbeit herausgerissen<br />

und, bei-[579]spielsweise, Soldat geworden. Wie wird er sich in dieser neuen Rolle zu den<br />

verschiedenen gesellschaftlichen Erscheinungen verhalten? In den „Beobachtungen eines<br />

Faulpelzes“ (dritter Teil des Romans „Der Ruin“) findet sich hierüber eine äußerst aufschlußreiche<br />

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Ein Küster und ein ausgedienter Soldat führen beim Kirchgang, vor Beginn des Gottesdienstes,<br />

eine friedliche Unterhaltung.<br />

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