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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013<br />

Ich bin fest überzeugt, daß die Geschichte der Ideologien nur denen verständlich sein kann,<br />

die sich diese einfache und klare Wahrheit angeeignet haben.<br />

Gehen wir weiter. Als ich über die Nachahmung sprach, erwähnte ich den ihr direkt entgegengesetzten<br />

Trieb, den ich Widerspruchstrieb nannte.<br />

Ihn müssen wir aufmerksamer studieren.<br />

Wir wissen, welche große Rolle, Darwin zufolge, bei Mensch und Tier das „Prinzip der Antithese“<br />

bei der Wiedergabe von Empfindungen spielt. „Gewisse Seelenzustände führen zu<br />

bestimmten gewohnheitsmäßigen Handlungen, welche, nach unserem ersten Prinzip, zweckmäßig<br />

sind. Wenn nun ein direkt entgegengesetzter Seelenzustand herbeigeführt wird, so tritt<br />

eine sehr starke und unwillkürliche Neigung zur Ausführung von Bewegungen einer direkt<br />

entgegengesetzten Natur ein, wenn auch dieselben von keinem Nutzen sind, und derartige<br />

Bewegungen sind in manchen Fällen äußerst ausdrucksvoll.“ 1 Darwin bringt eine Menge<br />

Beispiele, die ganz überzeugend dartun, daß das „Prinzip der Antithese“ tatsächlich vieles in<br />

der Wiedergabe von Empfindungen erklärt. Ich frage: Ist seine Wirkung nicht in der Entstehung<br />

und Entwicklung der Gewohnheiten zu bemerken?<br />

[56] Wenn sich ein Hund vor seinem Herrn mit dem Bauche nach oben hin streckt, so dient<br />

seine Pose der Darstellung dessen, was man immer nur für den Gegensatz auch des leisesten<br />

Schattens eines Widerstandes halten kann, als Ausdruck völligster Unterwerfung. Hier<br />

springt die Wirkung des Prinzips der Antithese sofort in die Augen. Ich denke jedoch, daß sie<br />

auch in dem folgenden Fall in die Augen springt, der von dem Reisenden Burton mitgeteilt<br />

wird. Die Neger des Stammes Wanjamwesi tragen, wenn sie an Dörfern vorbeikommen, die<br />

ein ihnen feindlicher Stamm bewohnt, keine Waffe bei sich, um die Feinde durch ihren Anblick<br />

nicht zu reizen. Dabei ist zu Hause jeder von ihnen stets bewaffnet, wenigstens mit einem<br />

Knüppel. 2 Wenn nach der Bemerkung Darwins ein Hund, der sich auf den Rücken wirft,<br />

damit zu dem Menschen oder zu einem anderen Hunde gewissermaßen sagt: „Schau! Ich bin<br />

dein Sklave!“, so sagt der Wanjamwesi-Neger, der gerade dann die Waffe weglegt, wenn er<br />

sich, so könnte man meinen, unbedingt bewaffnen müßte, zu seinem Feinde: „Mir liegt jeder<br />

Gedanke an Selbstverteidigung fern; ich verlasse mich völlig auf deine Großmut.“<br />

Hier wie dort der gleiche Sinn und der gleiche Ausdruck, d. h. ein Ausdruck mittels einer<br />

Handlung, die der direkt entgegengesetzt ist, welche unvermeidlich wäre, falls an Stelle der<br />

Unterwürfigkeit feindliche Absichten beständen.<br />

In Gewohnheiten, die zum Ausdruck der Trauer dienen, ist die Einwirkung des Prinzips der<br />

Antithese ebenfalls in erstaunlicher Klarheit zu bemerken. David und Charles Livingstone<br />

sagen, die Negerin erscheine nie öffentlich ohne die Pelelé, außer in Zeiten der Trauer um<br />

Verstorbene. 3<br />

Wenn einem Neger des Stammes Niamniam einer seiner nächsten Angehörigen stirbt,<br />

schneidet er sich zum Zeichen der Trauer unverzüglich die Haare ab, auf deren Pflege sowohl<br />

er selbst als auch seine Frauen viel Sorge und Aufmerksamkeit verwenden. 4 Den Worten Du<br />

Caillus zufolge legen in Afrika nach dem Tode eines Menschen, der in seinem Stamme eine<br />

1 „Über den Ausdruck der Empfindungen (Emotionen) bei Mensch und Tier“, St. Petersburg 1872, S. 45.<br />

[Charles Darwin, „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“, Stuttgart 1872,<br />

S. 28/29.]<br />

2 [Burton,] „Voyage aux grands lacs de l’Afrique orientale“, Paris 1862, p. 610.<br />

3 „Exploration du Zambèze et de ses affluents“, Paris 1866, p. 109. [David und Charles Livingstone, „Neue<br />

Missionsreisen in Südafrika. Forschungen am Zambesi und seinen Nebenflüssen“, Jena und Leipzig 1866, S.<br />

125.]<br />

4 Schweinfurth, „Au cœur de l’Afrique“, t. II, p. 33. [„Im Herzen von Afrika“, Erster Teil, Leipzig 1874, S. 38.]<br />

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