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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013<br />

Logik“, so sagt er, „wurde mir in dem Maße klar, wie ich der ganzen Organisation des bäuerlichen<br />

Lebens – des Familienlebens und des gesellschaftlichen Lebens – die landwirtschaftliche<br />

Arbeit zugrunde legte, wie ich versuchte, diese genauer zu erforschen, mir ihre speziellen<br />

Eigentümlichkeiten und ihren Einfluß auf den untrennbar mit ihr verbundenen Menschen<br />

klarzumachen.“ Es zeigte sich sogar, daß sich aus den Besonderheiten der landwirtschaftlichen<br />

Arbeit nicht nur die Form der bäuerlichen Familie und der Dorfgemeinschaft erklärt,<br />

sondern auch seine (des Bauern) jahrhundertelang geübte Langmut, seine religiösen Anschauungen,<br />

sein Verhältnis zur Regierung und schließlich sogar zu den Herren Volkstümlern<br />

selbst.<br />

Die landwirtschaftliche Arbeit bringt den Bauern in völlige Abhängigkeit von den ihm unverständlichen<br />

und scheinbar völlig zufälligen Erscheinungen der Natur. Die Natur „lehrt ihn,<br />

die Macht anzuerkennen, und zwar eine unberechenbare, eigenartige, kapriziös-launenhafte<br />

und herzlos-grausame Macht“. Und der Bauer „versteht zu leiden, zu leiden ohne nachzudenken,<br />

ohne eine Erklärung zu suchen, zu leiden ohne Widerrede. Er ist mit diesem Ausdruck in<br />

der Tat am eigenen Leibe vertraut, dermaßen vertraut, daß es einfach unmöglich ist, für dieses<br />

Dulden eine mehr oder weniger genaue Grenze festzulegen.“<br />

Es versteht sich von selbst, daß der Bauer die Natur personifiziert, deren Zufälligkeiten für<br />

ihn „in Gott konzentriert sind“. Er glaubt an Gott „stark und unerschütterlich“ und „fühlt fast<br />

greifbar seine Nähe“. Er betet zu ihm, damit er ihm gnädig sei, obwohl er kein einziges Gebet<br />

richtig versteht. Gl. Uspenski hatte einmal Gelegenheit, ein überaus interessantes Glaubensbekenntnis<br />

zu hören. „Ich glaube an einen einzigen Gott Vater“, so lehrte ein ihm bekannter<br />

Bauer, Iwan Jermolajewitsch, seinen Sohn, „an Himmel und an Erde. Sichtbar-unsichtbar,<br />

hörbar-unhörbar. Du hast gelitten unter Pontius Pilatus... – und weiß Gott, was sonst noch<br />

gewesen ist“, bemerkt der Autor. All das ist äußerst albern und sinnlos, aber notwendig so,<br />

unvermeidlich und wirklich sehr „logisch“. Der religiöse Aberglaube ist das natürliche Produkt<br />

der Beziehungen des Bauern zur Natur, der „Besonderheiten der landwirtschaftlichen<br />

Arbeit“. Der Bauer ist in seinem Denken von der „Macht der Erde“ und der Natur versklavt.<br />

Bestenfalls kann es bis zu dem Bewußtsein irgendeiner „rationalistischen“ Sekte vordringen,<br />

aber niemals kann es sich zur materialistischen und einzig richtigen Ansicht über die Natur,<br />

zu der Idee von der Macht des Menschen über die Erde erheben.<br />

[570] Ebenfalls aus den Eigentümlichkeiten der landwirtschaftlichen Arbeit erklärt sich auch<br />

die Macht des Familienältesten in der bäuerlichen Familie.<br />

„Das Oberhaupt im Hause, die häusliche Macht ist etwas Notwendiges“, sagt Gl. Uspenski.<br />

„Das erfordert wiederum die Kompliziertheit der landwirtschaftlichen Arbeit, welche die<br />

Grundlage der Wirtschaft bildet, und die Abhängigkeit dieser Arbeit von den Befehlen und<br />

Anweisungen der Natur.“<br />

In den Agrarverhältnissen der Bauern kann man leicht den entscheidenden Einfluß des gleichen<br />

Prinzips verfolgen. „Aus den Erfordernissen, die nur auf die Bedingungen der landwirtschaftlichen<br />

Arbeit und der landwirtschaftlichen Ideale gegründet sind, lassen sich auch die<br />

Agrarverhältnisse der Dorfgemeinschaft erklären: der Schwache, der seine landwirtschaftliche<br />

Aufgabe aus Mangel an den hierfür nötigen Kräften nicht erfüllen kann, tritt das Land<br />

(denn was will er damit anfangen?) an den ab, der kräftiger, energischer ist, der die Kraft<br />

dazu hat, diese Aufgabe in weiteren Ausmaßen durchzuführen. Da das Kräftequantum ständig<br />

wechselt, da bei dem einen, der heute schwach ist, morgen eine Zunahme, bei dem anderen<br />

aber eine Abnahme der Kräfte stattfinden kann, muß die Umstellung (передвижка), wie<br />

die Bauern die Neuverteilung manchmal <strong>nennen</strong>, eine unvermeidliche und gerechte Erscheinung<br />

sein.“<br />

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