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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 20.07.2013<br />

wohl, ich gehe fort. Du wirst mich niemals mehr im Leben wiedersehen, unsere Wege haben<br />

sich geschieden.“<br />

Und in der Tat, schon lange bevor die Medwedews kamen, konnte man mit Bestimmtheit<br />

sagen, daß Nadja nicht den gewöhnlichen ausgetretenen Weg gehen werde. Die Medwedews<br />

hatten ihr nur einen Fingerzeig gegeben, welchen neuen Weg sie eigentlich einschlagen müsse.<br />

Und in dieser Hinsicht war die Aufgabe, die ihnen zufiel, gar nicht schwer gewesen: [551]<br />

„Der Boden, in den sie den Samen streuten, war gut vorbereitet“, bemerkt Herr A. W. Stern.<br />

Diese tragische Lösung ist unserem Verfasser unbegreiflich, und er ist darüber tief betrübt. „O,<br />

die armen unglücklichen Eltern!“ ruft er aus. „Die Kinder laufen euch weg, und ihr legt euch<br />

immer wieder die ewig unlösbare Frage vor: wofür, warum ist euch dieser Schlag versetzt worden?<br />

Was habt ihr verschuldet?... Warum diese Unstimmigkeit? Wer ist schuld daran?“ Unsere<br />

„Hüter der Ordnung“ werden, ohne Zaudern, auf solche Fragen antworten: Schuld daran ist die<br />

Verderbtheit der jungen Leute, die sich unter die Revolutionäre einreihen; schuld ist der zersetzende<br />

Einfluß der revolutionären Hetzer, sagen sie, schuld ist das Streben der einen, sich frei<br />

ausleben zu können und alle Mahnungen der sittlichen Pflicht in sich zum Schweigen zu bringen;<br />

schuld ist das Trachten der anderen, dieses Streben für ihre verbrecherischen Ziele auszunutzen.<br />

Aber Herr Stern gibt sich offenbar mit diesen abgedroschenen Antworten nicht zufrieden.<br />

Er begreift sehr wohl, daß die stereotypen Phrasen der „Hüter der Ordnung“ mit Bezug auf<br />

solche junge Leute wie die Heldin seiner Erzählung gar keinen Sinn haben, ist sie doch ein<br />

Mädchen mit großem Wissensdrang, mit Zartgefühl und einem edlen Herzen. Und da wirft er<br />

nun von neuem die „ewig unlösbare“ Frage auf: Wer hat schuld?<br />

Ist diese Frage denn wirklich unlösbar? Steht die Antwort Herrn Stern nicht klar vor Augen?<br />

In der Erzählung „Aus dem Nest“ liegt sie doch schon!<br />

Noch vor gar nicht langer Zeit hat einer der Publizisten des „Russki Westnik“ 1* in seinen<br />

Betrachtungen über die Ursachen des Aufkommens des „Nihilismus“ in Rußland ganz richtig<br />

bemerkt, daß die Stimmung der jungen Gemüter sehr stark abhängig ist von dem sie umgebenden<br />

häuslichen Milieu. Unter seinem Einfluß „bilden sich die Charaktere“, sagte er, „formen<br />

sich die Vorstellungen von den Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens, von den<br />

gegenseitigen Beziehungen der Menschen, von dem Widerstreit der Interessen, von der Bürgerpflicht<br />

und den sittlichen Zielen der persönlichen Tätigkeit“. Daraus zieht er den Schluß,<br />

daß nicht so sehr die Schule als vielmehr das häusliche Milieu unsere Jugend vor der nihilistischen<br />

Ansteckung bewahren müsse und bewahren könne. Unsererseits wollen wir aus seinen<br />

Worten die unwiderlegliche Schlußfolgerung ziehen, daß man, wenn Nadja Revolutionärin<br />

geworden ist, dem sie umgebenden häuslichen Milieu die Schuld zusprechen muß. Freilich<br />

zeichnete sich dieses Milieu durch Eigenschaften aus, die selbst der strengste „Hüter der<br />

Ordnung“‚ dem bei seinen Nachforschungen gar nichts entgeht, für völlig „gesund“ erklärt<br />

haben würde.<br />

Im Hause des Stepan Alexejewitsch Wolkow wurden irgendwelche frei-[552]geistigen Gespräche<br />

niemals geführt. Den Liberalismus und die Liberalen oder, wie er sie verächtlich zu<br />

<strong>nennen</strong> pflegte, die „liberalen Leutchen“ konnte er gar nicht leiden. Er traf alle Maßnahmen<br />

um seine Tochter von „schädlichen“ Einflüssen fernzuhalten Wir wissen, daß er sie mit<br />

Rücksicht darauf nicht einmal zum Studium fortgelassen hatte. Indes, die Ansteckung drang<br />

trotzdem in das Haus Stepan Alexejewitschs ein, und sie war dort eingedrungen wie wir gesehen<br />

haben, schon lange bevor die Revolutionäre auftraten. Die Revolutionäre streuten ihren<br />

1* Der Publizist des „Russki Westnik“ ist der obengenannte A. Matwejew; über dessen Artikel „In der Epoche des<br />

Umbruchs“ („Russki Westnik“, 1888, Septemberheft, S. 328-337) siehe Anmerkung 2, S. 2. {A. M. ist der Schriftstellername<br />

A. Matwejews ...}<br />

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