erschien nennen menschenähnlichen
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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013 Genug, schon viel zu lange tragt ihr euer Los; Zerbrecht die Ketten! Mut, voran! 1 [536] Euer Kampf hätte jedoch keinen Sinn, wenn ihr euch nicht klar darüber Rechenschaft gäbet, um wessentwillen ihr ihn beginnt, zu welchen Zielen ihr strebt. Es wäre natürlich ein Irrtum, zu glauben, Gedichte könnten so verwickelte Ideen klarmachen. Aber sie können als Ausdruck der Idee dienen, von der ihr euch in eurem Kampfe leiten lassen müßt. Und das gerade ist es, was zum Beispiel das erste Kapitel von Heines Dichtung „Deutschland“ tut. Der Verfasser rät den Lesern, die dummen Märchen fahren zu lassen bezüglich eines Lebens im Jenseits, das den Menschen für die von ihm auf Erden erlittenen Ungerechtigkeiten entschädigen soll. Er sagt, daß, wer diesen Glauben stützt, nur ... einlullt, wenn es greint, Das Volk, den großen Lümmel. „Das Himmelreich“, d. h. ein glückliches, freies, unabhängiges Leben, wird schon „hier“, auf Erden, sein, wenn das Volk es nur versteht, über seine Feinde zu triumphieren. Ein anderes Paradies gibt es nicht und kann es nicht geben. Und in diesem irdischen Paradies werden allein die Arbeitsleute leben. Dort wird es keinen Platz für müßige Faulenzer, Ausbeuter fremder Arbeit geben: Wir wollen auf Erden glücklich sein Und wollen nicht mehr darben; Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, Was fleißige Hände erwarben. Wenn diese glückliche Ordnung errichtet ist, dann werden die Menschen nicht mehr – wie sie das jetzt tun – einander wie Raubtiere den Bissen vom Munde wegreißen. Sie werden gemeinsam zum gemeinsamen Nutzen arbeiten, das Leben auf Erden genießen, ohne an ein himmlisches Leben zu denken. Dann wird es niemand mangeln an Nahrung oder an anderen Gebrauchsgegenständen, an Bildung oder Vergnügungen: Es wächst hienieden Brot genug Für alle Menschenkinder, Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, Und Zuckererbsen nicht minder. 2* Das ist der Gedanke dieser Dichtung, der zugleich der Leitgedanke der modernen Arbeiterbewegung in allen zivilisierten Ländern ist. Gerade von diesem Gedanken müssen sich unsere Arbeiter durchdringen lassen, die sich der Sozialdemokratie anschließen: sie brauchen keinen Zaren und keinen Gott, sie müssen ihre eigenen Herren werden und, wenn sie sich die Freiheit des Handelns errungen haben, die neue, die sozialistische Ordnung schaffen. [537] Jetzt verstehen Sie, lieber Leser, welchen Sinn unsere Worte hatten, daß jede Gesellschaftsklasse in die Dichtung ihren eigenen, besonderen Inhalt hineinlegt. Die eben genannte Dichtung von Heine ist nur ein schwacher Ansatz der Arbeiterdichtung; aber versuchen Sie trotzdem, diese Dichtung von Heine mit den oben angeführten Auszügen aus dem Lied des feudalen Dichters zu vergleichen. Der eine ist inspiriert von dem Gedanken der Aufklärung, 1 Siehe das Gedicht „Kerkervisionen“ von N. Morosow, das ebenfalls in die „Sammlung“ aufgenommen wurde. 2* Die Verse aus Heinrich Heines „Deutschland. Ein Wintermärchen“ werden von Plechanow in der Übersetzung von Sajesshi gebracht. (Sajesshi ist das Pseudonym für Wlad. Mich. Michailow.) Diese Übersetzung wurde von I. S. Turgenew revidiert und im Jahre 1875 in Leipzig mit einem Vorwort von ihm gedruckt. 4
OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013 der Gleichheit und des Glücks der Menschen. Den anderen entzückt nichts so sehr wie der Anblick von Leichen, „in denen die Waffe steckt, die sie durchbohrt hat“. Haben diese beiden Dichtungsarten irgendeine Ähnlichkeit miteinander? Welche ist schöner und erhabener? Freilich begeistern sich die zivilisierten Menschen schon lange nicht mehr an den blutrünstigen Liedern des feudalen Adels. Aber nur die Arbeiterklasse wird der Dichtkunst den höchsten Inhalt geben, denn nur die Arbeiterklasse kann der wahre Vertreter der Idee der Arbeit und der Vernunft sein. Laßt euch durchdringen von der Wichtigkeit dieses Bewußtseins und geht noch geschlossener an das vor euch stehende schwere, aber große Werk eurer Befreiung. Euer Sieg wird der ganzen Menschheit das Glück bringen. Genf, am 25. April 1885 Anmerkungen Der Aufsatz war von Plechanow ursprünglich als Vorwort zu der Gedichtsammlung „Lieder der Arbeit“ bestimmt, die von der Gruppe „Befreiung der Arbeit“ in Genf im Jahre 1885 herausgegeben werden sollte. Die Sammlung wurde nicht veröffentlicht – nur das erste Blatt davon erschien im Druck (dieses Blatt ist im Moskauer aufbewahrt). Dieser Aufsatz wurde erstmals in den „Letopissi Marxisma“ (1928), Heft V, veröffentlicht; sodann in der Zeitung „Tschitatel i Pissatel“, 1928, Nr. 21. Wir drucken hier den Text aus dem Sammelband „G. W. Plechanow als Literaturkritiker“ (1933, S. 25-31). 5
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der Gleichheit und des Glücks der Menschen. Den anderen entzückt nichts so sehr wie der<br />
Anblick von Leichen, „in denen die Waffe steckt, die sie durchbohrt hat“. Haben diese beiden<br />
Dichtungsarten irgendeine Ähnlichkeit miteinander? Welche ist schöner und erhabener?<br />
Freilich begeistern sich die zivilisierten Menschen schon lange nicht mehr an den blutrünstigen<br />
Liedern des feudalen Adels. Aber nur die Arbeiterklasse wird der Dichtkunst den höchsten<br />
Inhalt geben, denn nur die Arbeiterklasse kann der wahre Vertreter der Idee der Arbeit<br />
und der Vernunft sein.<br />
Laßt euch durchdringen von der Wichtigkeit dieses Bewußtseins und geht noch geschlossener<br />
an das vor euch stehende schwere, aber große Werk eurer Befreiung. Euer Sieg wird der ganzen<br />
Menschheit das Glück bringen.<br />
Genf, am 25. April 1885<br />
Anmerkungen<br />
Der Aufsatz war von Plechanow ursprünglich als Vorwort zu der Gedichtsammlung „Lieder<br />
der Arbeit“ bestimmt, die von der Gruppe „Befreiung der Arbeit“ in Genf im Jahre 1885 herausgegeben<br />
werden sollte. Die Sammlung wurde nicht veröffentlicht – nur das erste Blatt<br />
davon <strong>erschien</strong> im Druck (dieses Blatt ist im Moskauer aufbewahrt). Dieser Aufsatz wurde<br />
erstmals in den „Letopissi Marxisma“ (1928), Heft V, veröffentlicht; sodann in der Zeitung<br />
„Tschitatel i Pissatel“, 1928, Nr. 21. Wir drucken hier den Text aus dem Sammelband „G. W.<br />
Plechanow als Literaturkritiker“ (1933, S. 25-31).<br />
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