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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

hier nicht der Ort ist – schämten sich manche ehrlichere Persönlichkeiten schließlich der Taten<br />

ihrer Väter, es war ihnen unerträglich im Kreise der Bedrücker des Volkes, in diesem Milieu<br />

Von denen, die jauchzen, von denen, die schwätzen,<br />

Die ihre Hände besudeln mit Blut... 1<br />

Sie haben erkannt, daß sich all ihr Wohlstand auf das Unglück und Elend des Volkes gründet.<br />

Dieses Bewußtsein quälte sie, und es ist daher ganz natürlich, daß ihnen Gedichte gefielen,<br />

die ihre Leiden zum Ausdruck brachten. Für sie bedeutete das Lesen eines solchen Gedichtes<br />

genausoviel, wie wenn sie im Gespräch mit einem mitfühlenden und verständigen Menschen<br />

ihr Herz ausschütten konnten. Aber ihr, die Werktätigen, die Kinder von Vätern, die schon<br />

immer gearbeitet haben, vor welchem „Volk“ seid ihr „schuldig“ und worin besteht eure<br />

Schuld? Ihr seid selbst das „Volk“, ihr gehört selbst zu den „Beleidigten“ und „Erniedrigten“<br />

und werdet vor euren Kindern nur schuldig, wenn ihr ihnen keine bessere Zukunft erkämpft.<br />

Und deshalb – nur deshalb – werden viele der Gedichte auf euch keinen Eindruck machen,<br />

von denen unsere Intelligenz so tief ergriffen ist. Die unfreiwillige Schuld der Intellektuellen<br />

ist nicht eure Schuld, und deshalb kennt ihr auch nicht die Qualen ihrer Reue. Und da ihr diese<br />

Qualen nicht durchgekostet habt, könnt ihr euch auch nicht für Gedichte begeistern, in<br />

denen sie zum Ausdruck kommen.<br />

[535] Ihr müßt eure eigene Dichtkunst, eure eigenen Lieder, eure eigenen Dichtungen haben.<br />

In ihnen müßt ihr den Ausdruck suchen eures eigenen Schmerzes, eurer eigenen Hoffnungen<br />

und Bestrebungen.<br />

Je bewußter ihr euch zu eurer Lage verhaltet, je mehr Zorn und Unwillen euer gegenwärtiges<br />

Los in euch erweckt, desto nachdrücklicher werden sich diese Gefühle äußern, desto reicher<br />

wird eure Dichtkunst sein.<br />

Und nicht allein der Schmerz, nicht allein die Verzweiflung wird sich darin ausdrücken.<br />

Wenn ihr verstanden habt, was der Arbeiter ist, werdet ihr verstehen, was er sein kann und<br />

sein muß. Neben der Unzufriedenheit mit der bestehenden Lage wird in euch der Glaube an<br />

die große Zukunft wachsen, die sich vor der Arbeiterklasse aller zivilisierten Länder auftut.<br />

Und dieser Glaube wird sich auch in eurer Dichtkunst spiegeln; er ist es, der eure Lieder laut,<br />

mächtig und stolz erklingen läßt wie den Triumphgesang allgemeiner Freiheit, wahrer<br />

Gleichheit und ungeheuchelter Brüderlichkeit.<br />

In der Erwartung dieser ersehnten Zeit bieten wir euch, was wir können: eine kleine Sammlung<br />

von Gedichten, die sowohl eure jetzige Lage als auch zum Teil eure Aufgaben in der Zukunft<br />

darstellen. Die Gedichte von Nekrassow, Hood, Heine, Morosow schildern das beklagenswerte<br />

Los, das jetzt auf den Arbeitern jedes Geschlechts, jedes Alters und aller Nationalitäten lastet.<br />

Die eigene Erfahrung wird euch sagen, daß der Dichter recht hatte, der ausrief:<br />

Wolga, Wolga! Nie zur Frühlingszeit<br />

Hast du die Äcker so gewaltig überflutet,<br />

Wie das Land jetzt überquillt vom Schmerz,<br />

Der unserm Volk aus seiner Seele blutet. 2<br />

In diesen Gedichten werdet ihr auch die Antwort finden auf die Frage:<br />

Wie könnt ihr ein besseres Los erlangen? Sie rufen euch auf zu hartnäckigem, unbarmherzigem<br />

Kampf gegen eure Bedrücker:<br />

1 [Zeilen aus dem Gedicht „Ritter für eine Stunde“ von Nekrassow.]<br />

2 Siehe das Gedicht „Betrachtungen an der Paradetreppe“ von N. Nekrassow, das in unserer „Sammlung“ enthalten<br />

ist.<br />

3

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