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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

Bestehen der Feldgemeinschaft und der Gewerbeartels zum Ausdruck gekommen sind, auch<br />

die Besonderheiten der Rechtsbegriffe unseres Bauern bedingen (nach den Worten von Frau<br />

Jefimenko dient das Arbeitsprinzip als Grundlage des bäuerlichen Gewohnheitsrechts). Diese<br />

Gewöhnung an die „gemeinschaftliche Arbeit“, an die Artels, wie sie in den sprichwörtlichen<br />

Redensarten „im Mir ist auch das Sterben schön“, „der Mir ist ein recht großer Mensch“ usw.<br />

zum Ausdruck kam, bringt jenes recht hohe Niveau altruistischer Gefühle zustande, welches<br />

bewirkt, daß der Bauer die Verbrechen menschlicher beurteilt – in Fällen, in denen der<br />

Kampf gegen den Verbrecher nicht derartig scharfe Formen annimmt, daß es dabei auf Leben<br />

und Tod geht. In der gewöhnlichen – wie wir zugeben, etwas verschwommenen – Sprache<br />

bezeichnet man das als großes unmittelbares Einfühlungsvermögen des Bauern.<br />

Über dieses unmittelbare Gefühl, das „glitschig und wie eine Aalquappe nicht zu fassen“ sein<br />

soll, macht sich Herr Iwanow 1 in seinem Artikel „Erklärung des Unausgesprochenen“ lustig.<br />

Nun, haben wir nicht recht, wenn wir die Meinungsverschiedenheit der Mitarbeiter des<br />

„Slowo“ und der „Otjetschestwennyje Sapiski“ als Katzenmusik bezeichnen? Hier geschieht<br />

offenbar das gleiche, worüber wir als Kinder bei den Fabeln des guten alten Krylow immer<br />

gelacht haben: „Der Krebs geht rückwärts, der Hecht aber zieht ins Wasser.“<br />

Wenn aus all dem nur das eine folgte, daß die Ansichten der Herren Redakteure der erwähnten<br />

Zeitschriften „glitschig und wie eine Aalquappe [524] nicht zu fassen“, wenn auch nicht<br />

so verlockend wie eine „Aalquappensuppe“ sind (wir wollen nun auch so bildlich reden wie<br />

Herr Iwanow), würden wir die Aufmerksamkeit der Leser nicht lange dabei verweilen lassen,<br />

so bezeichnend diese Tatsache in der Geschichte der „russischen Gedankenarmut“ auch sein<br />

mag. Aber alle die angeführten Widersprüche berühren jene „verfluchte Frage“, die viele<br />

gewissenhafte und um das Wohl des Volkes aufrichtig bekümmerte Leute der Intelligenz<br />

nicht schlafen läßt: diese „verfluchte“ Frage kommt in den zwei nicht weniger „verfluchten“<br />

Worten zum Ausdruck – was tun? In den Zeiten, seligen Angedenkens, des Streits über die<br />

Leibeigenschaft bedeuteten diese Worte folgendes: 1. soll man das Volk sofort befreien und<br />

2., wenn man es befreit, wird dann nicht der befreite Mushik aus Freude sowohl sich selbst<br />

als auch seine neugebackene, aber langersehnte Freiheit vertrinken; und wenn ja, wenn er sie<br />

vertrinkt, ist es dann nicht besser, sich mit seiner Aufklärung zu befassen, bevor man ihn befreit?<br />

Bekanntlich waren die Meinungen darüber geteilt. Die einen sagten: „zuerst aufklären und<br />

dann befreien“, die anderen aber entgegneten, die Aufklärung des an die Ketten der Leibeigenschaft<br />

geschmiedeten Mushiks sei ein ebenso produktives Unternehmen, wie wenn man<br />

Wasser in einem Mörser stampfen wollte.<br />

Und dann hat man den Mushik befreit, ohne ihm vorher auch nur von den Krumen zu kosten<br />

gegeben zu haben, die vom Tisch der europäischen Aufklärung fielen (die krumenweise Darreichung<br />

der Aufklärung an den Mushik war für die Zukunft gedacht). Die Pessimisten waren<br />

außer sich vor Verwunderung, als sie sahen, daß der befreite Mushik – noch bevor er die vorbeugenden<br />

Bildungstropfen zu sich genommen hatte – nicht nur nicht zum Säufer wurde,<br />

sondern ein ganz elendes Sklavenleben führen mußte; es wurden Stimmen laut, die für die<br />

Zukunft Schlimmes voraussagten, aber auch diese Prophezeiungen haben sich, wie der Leser<br />

weiß, nicht erfüllt. Somit obsiegte die Meinung, daß man den Mushik erst nach seiner Befreiung<br />

aufklären könne.<br />

Kann man aber diesen Streit, nachdem die Leibeigenschaft aufgehoben ist, in das Archiv der<br />

Geschichte unseres Denkens geben, oder hat er auch jetzt noch nicht seine Bedeutung verloren?<br />

Denn<br />

1 [Literarisches Pseudonym Gleb Uspenskis.]<br />

2

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