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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

demokratische Hinneigung zum Volk. Es offenbarte sich darin auch die Überzeugung der Materialisten,<br />

daß nicht das Bewußtsein das Sein bestimmt, sondern das Sein das Bewußtsein. Nicht<br />

umsonst sagt Dobroljubow, daß der Bauer, wenn er nachzudenken beginnt, darüber nachsinnt,<br />

was auf sein Leben Bezug haben kann, während „wir“ über Gegenstände philosophieren, die uns<br />

nichts angehen und die wir nicht abändern wollen und auch nicht abändern können. Indem die<br />

fortschrittlichen Aufklärer der sechziger Jahre den Kampf unserer gesellschaftlichen Kräfte als<br />

den Kampf der Despotie gegen die Bildung darstellten, begriffen sie gleichzeitig, daß Bildung<br />

durchaus nicht immer mit der Despotie unvereinbar ist, daß sie, im Gegenteil, unter bestimmten<br />

Verhältnissen der Despotie dienlich sein kann. Sie waren sich dessen bewußt, daß zum Sieg über<br />

die Despotie eine Kraft nötig sei, die nicht durch abstrakte Erwägungen, sondern durch ihre eigene<br />

Lage dazu getrieben wird, dagegen anzukämpfen. Und sie suchten diese Kraft im „einfachen<br />

Volk“. 1 Katerina Kabanowa versetzte Dobroljubow gerade deshalb in Entzücken, weil sie<br />

ihm, ihrer Mentalität und ihrem Charakter nach, dem „einfachen Volk“ sehr nahezustehen<br />

schien. Er sah in ihr eine Gewähr dafür, daß unser Volk imstande und auch gewillt sein werde,<br />

gegen die Despotie zu kämpfen. Deshalb hat auch „Das Gewitter“ mit seinem Erscheinen, wie<br />

er sagte, in der Geschichte unserer Literatur Epoche gemacht.<br />

Am Schluß des Artikels „Ein Lichtstrahl im finsteren Reich“ sagt Dobroljubow selbst, die<br />

ästhetischen Werte des genannten Stückes seien von ihm in seiner Kritik durchaus nicht erschöpfend<br />

behandelt worden. Er [517] sieht voraus, daß die Literaturkritiker wiederum mit<br />

ihm unzufrieden sein und sagen werden, er habe die Kunst zum Werkzeug einer fremden Idee<br />

gemacht. Auf diesen ihm nicht mehr neuen Vorwurf antwortet er mit der Frage: Ist wirklich<br />

die von ihm aufgezeigte Idee dem Stück „Das Gewitter“ fremd, oder folgt sie tatsächlich aus<br />

dem Stück selbst? Diese Frage wird bei ihm auch noch so formuliert:<br />

„Ist die lebendige russische Natur tatsächlich in Katerina zum Ausdruck gelangt, sind die<br />

russischen Verhältnisse mit allen ihren Begleiterscheinungen, sind die Bedürfnisse der im<br />

Entstehen begriffenen Bewegung des russischen Lebens in dem Sinne des Stückes, wie wir es<br />

aufgefaßt haben, wahrhaftig wiedergegeben?“ 2<br />

Diese Frage ist im Artikel Dobroljubows kursiv gedruckt. Das ist auch nicht verwunderlich:<br />

war sie ihm doch von wesentlichster Bedeutung. Dobroljubow erklärte, daß er seine Mühe,<br />

nach seiner Ansicht, für verloren gebe, wenn die Leser seine Frage verneinten. Etwas anderes<br />

sei es im Falle einer bejahenden Antwort.<br />

„Lautet aber die Antwort ‚ja‘, so werden unsere Leser nach Erwägung unserer Bemerkungen<br />

finden, daß der Künstler im ‚Gewitter‘ tatsächlich das russische Leben und die russische<br />

Kraft zur entscheidenden Tat aufgefordert hat, und sie werden das Gefühl haben, daß diese<br />

Tat gerechtfertigt und richtig ist, dann sind wir zufrieden, was immer auch unsere Gelehrten<br />

und literarischen Richter sagen mögen. “ 3<br />

VIII<br />

Durch diese abschließenden Worte des Artikels „Ein Lichtstrahl im finsteren Reich“ findet<br />

die Einstellung Dobroljubows zu Ostrowski ihren erschöpfenden Ausdruck. Ja, mehr noch.<br />

Der ganze Dobroljubow offenbart sich darin. Und auch das ist noch nicht alles. In ihnen<br />

steckt die ganze fortschrittliche Literaturkritik der sechziger Jahre. Durch die Besprechung<br />

der besten Werke der russischen Literatur wollte diese Kritik „die Kraft des russischen Vol-<br />

1 Ich sage noch einmal: sie waren Materialisten, aber sie verstanden noch nicht, den Materialismus in konsequenter<br />

Weise zur Erklärung des gesellschaftlichen Lebens in Anwendung zu bringen. Daraus erklären sich ihre zahlreichen<br />

Widersprüche.<br />

2 Werke Dobroljubows, Bd. III, S. 472. [Zit. Werk, S. 704; das ganze Zitat ist im Original hervorgehoben.]<br />

3 Ebenda, gleiche Seite.<br />

15

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