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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

Wie eng die literarischen Ansichten Dobroljubows mit seiner geschichtsphilosophischen<br />

Theorie verknüpft waren, wissen wir bereits. Er wurde zu einem Aufklärer-Kritiker unter<br />

anderem aus dem Grunde, weil er die Geschichte von dem gleichen Standpunkt aus betrachtete,<br />

von dem die Aufklärer sie stets und überall betrachteten, d. h. vom Standpunkt jener<br />

Überzeugung, daß „die Meinung die Welt regiert“. Aber seine Aufkläreransichten über Geschichte<br />

und Literatur hatte die Zeit geprägt. Sie standen in engem Zusammenhang mit der<br />

Philosophie Feuerbachs.<br />

Die spekulative deutsche Philosophie, die im Hegelschen System ihren Höhepunkt erreicht<br />

hatte, lehrte, daß die Vorstellungen von den Gegenständen, die einzig und allein auf der sinnlichen<br />

Erfahrung beruhen, ihrer wirklichen Natur nicht entsprechen und deshalb mittels des reinen<br />

Denkens, d. h. des nicht auf der sinnlichen Erfahrung beruhenden Denkens, überprüft werden<br />

müssen. Feuerbach führte einen entschlossenen Kampf gegen diese idealistische Ansicht.<br />

Er war überzeugt, daß die auf sinnlicher Erfahrung beruhenden Vorstellungen von den Gegenständen<br />

der wahren Natur dieser letzteren völlig entsprechen, aber sehr oft durch die Phantasie<br />

entstellt werden. Die Aufgabe der Philosophie besteht darin, aus unseren Vorstellungen das<br />

entstellende Element der Einbildung zu beseitigen und sie dadurch mit der sinnlichen Erfahrung<br />

in Übereinstimmung zu bringen. Sie muß die Menschen zu einer solchen Betrachtung der<br />

Wirklichkeit befähigen, die durch die Phantasie nicht entstellt ist. Mit anderen Worten: die<br />

Aufgabe der Philosophie und der Wissenschaft überhaupt bestand, nach Feuerbach, in der „Rehabilitierung<br />

der Wirklichkeit“. Gewiß ist nun, daß in einer solchen Rehabilitierung der Wirklichkeit<br />

auch die Aufgabe der Ästhetik bestand, die ja ein Zweig der Wissenschaft ist. Aber die<br />

Rehabilitierung der Wirklichkeit, die Beseitigung des phantastischen Elements aus den<br />

menschlichen Vorstellungen ist eine rein aufklärerische Aufgabe. Auf diese aufklärerische<br />

Aufgabe hat [508] Tschernyschewski in seiner „Dissertation“ hingewiesen, und ihre Lösung<br />

hat Dobroljubow in seinen kritischen Artikeln gegeben. Seine Verteidigung der „natürlichen“<br />

Bestrebungen der Menschheit war nichts als die „Rehabilitierung der Wirklichkeit“.<br />

Jetzt ist hoffentlich klar geworden,daß jene, die Dobroljubow Sympathie für tendenziöse<br />

Kunstwerke vorwarfen, ganz großen Unsinn geredet haben. Er war ein unversöhnlicher Feind<br />

derartiger Werke und mußte es sein. Man begreift, warum: die tendenziöse Darstellung des<br />

Lebens entstellt seine Wahrheit und öffnet der Phantasie Tür und Tor. Um ein richtiges „Urteil<br />

über die Erscheinungen des Lebens“ fällen zu können, muß man seine wirkliche, nicht<br />

aber eine phantastische Darstellung vor sich haben.<br />

Ebenso unsinnig war das Geschreibsel derer, die Dobroljubow beschuldigten, es fehle ihm an<br />

ästhetischen Anforderungen. Diese Anforderungen waren bei ihm sehr entwickelt, und seine<br />

ästhetischen Urteile sind erstaunlich sicher. Wie Belinski die beste ästhetische Kritik der<br />

Werke Gogols geliefert hat, so hat Dobroljubow die im ästhetischen Sinn beste Kritik der<br />

Werke Ostrowskis geschrieben. Ich beschränke mich auf den Hinweis auf Ostrowski einzig<br />

und allein deshalb, weil ich die Grenzen meines Themas nicht überschreiten will.<br />

V<br />

Jetzt, da wir den Charakter der „realen Kritik“ Dobroljubows kennengelernt haben, wird es<br />

uns leicht, seine Einstellung zu Ostrowski allseitig zu klären.<br />

Wie wir bereits wissen, fand Dobroljubow in Ostrowskis Schriften eine tiefgründige und<br />

vollständige Darstellung der wesentlichen Seiten und Forderungen des russischen Lebens.<br />

Besonders die Vollständigkeit dieser Darstellung schätzte Dobroljubow. Andere Künstler<br />

suchten, wie er sagt, einzelne Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens aus. So zum Beispiel<br />

stellten viele in ihren Werken Menschen dar, die die Menschen ihrer Umwelt entwicklungsmäßig<br />

überragten, aber willenlos und untätig zugrunde gingen. Solche Erscheinungen<br />

9

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