18.09.2015 Views

erschien nennen menschenähnlichen

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

son vorzuführen, ohne die Ursachen ihrer Existenz klargelegt zu haben. Die reale Kritik stellt<br />

sich zum Werk des Künstlers genauso wie zu den Erscheinungen des wirklichen Lebens: sie<br />

untersucht sie, ist bemüht, ihre eigene Norm zu bestimmen, ihre wesentlichen, charakteristischen<br />

Züge zu sammeln, regt sich aber gar nicht darüber auf, warum denn der Hafer kein<br />

Roggen und Kohle kein Diamant sei...“ 1<br />

II<br />

Hier wollen wir etwas verweilen. Es ist nicht schwer zu erraten: die letzten Zeilen richtet<br />

Dobroljubow gegen die Kritiker aus dem westlerischen Lager, die Ostrowski vorwarfen, in<br />

dem Stück „Bleib bei deinen Leisten“ solche unzweifelhafte Verteidiger des Alten wie<br />

Russakow und Borodkin in sympathischer Form dargestellt zu haben. Und selbstverständlich<br />

ist der aufgeklärte Kritiker ganz unglaublich naiv, der da meint, es sei nicht statthaft, diesem<br />

oder jenem einzelnen Vertreter des Alten schöne Charakterzüge zuzuschreiben. Hier erhebt<br />

sich indes die Frage: Durften die Kritiker aus dem westlerischen Lager Ostrowski solche Ansichten<br />

anhängen, die er gar nicht hatte? Mit anderen Worten: Trifft es zu, daß Ostrowski<br />

weder slawophil noch westlerisch eingestellt war?<br />

Soviel wir jetzt wissen, trifft das nicht zu. Ursprünglich hat Ostrowski sehr für das Westlerische<br />

geschwärmt. N. Barsukow behauptet auf Grund von Mitteilungen aus dem Munde T. I.<br />

Filippows, daß die „Otjetschestwennyje Sapiski“, an denen damals Belinski mitarbeitete, dem<br />

zukünftigen Bühnendichter die höchste Autorität waren. In seiner Ablehnung des alten moskowitischen<br />

Rußlands ging er so weit, daß ihm sogar der Anblick des Kremls mit seinen Kirchen<br />

unausstehlich war. „Wozu hat man bloß diese Pagoden hergebaut?“ fragte er einmal T.<br />

I. Filippow. Aber später änderten sich seine Ansichten; seine Sympathien wandten sich den<br />

Slawophilen zu. N. Barsukow sagt, diese Änderung habe sich hauptsächlich unter dem Einfluß<br />

des bekannten Schauspielers P. M. Sadowski und T. I. Filippows vollzogen. Die Aussage<br />

stützt sich jedoch auf das Zeugnis dieses selben T. I. Filippow; deshalb ist hier etwas<br />

Skeptizismus durchaus am Platz: wir dürfen annehmen, daß tieferliegende Gründe die Änderung<br />

der Denkweise Ostrowskis bewirkt haben. Allein, das ist uns hier nicht [499] wichtig.<br />

Tatsache ist, daß sich Ostrowski die Ansichten der sogenannten jungen Redaktion des „Moskwitjanin“<br />

zu eigen machte, zu der T. I. Filippow gehörte, und daß er in seiner Begeisterung<br />

anscheinend wiederum sehr weit ging. Wie T. I. Filippow berichtet, rief der junge Bühnendichter<br />

einmal „bei einem Trinkgelage mit Freunden“ hochmütig aus: „Mit Tertii und Prow 2<br />

werden wir das ganze Werk Peters rückgängig machen!“ 3 Natürlich haben sie das Werk Peters<br />

nicht rückgängig gemacht. Aber zweifelsbohne haben sich die Aufwallungen Ostrowskis<br />

stark auf sein literarisches Schaffen ausgewirkt. Seine ersten Werke, „Ein Bild des Familienglücks“<br />

und „Das werden wir schon unter uns ausmachen“ (Bankrott), stammen unbedingt<br />

aus jener „Naturalen Schule“, die die jungen Künstler des westlerischen Lagers in den vierziger<br />

Jahren unter dem stärksten Einfluß Gogols gegründet hatten. Als er für das Slawophilentum<br />

zu schwärmen begann, da <strong>erschien</strong>en ihm diese Werke plötzlich – und in völliger Übereinstimmung<br />

mit der Ästhetik der Slawophilen – als einseitig. In dem Briefe an M. P.<br />

Pogodin vom 30. September 1853 gibt er das selbst zu. „Die Anschauung vom Leben in meiner<br />

ersten Komödie“, sagt er da, „erscheint mir unreif und roh.“ Jetzt stellt er sich nicht mehr<br />

jene Anforderungen, die er sich früher, als Westler, gestellt hat. Jetzt wiederholt er die üblichen<br />

Betrachtungen der Slawophilen über die Aufgabe des Künstlers im allgemeinen und des<br />

Bühnendichters im besonderen. „Der russische Mensch möge sich lieber freuen, sich auf der<br />

Bühne zu sehen, als daß er betrübt ist“, lesen wir in dem gleichen Brief. „Verbesserer werden<br />

1 Ebenda, S. 13/14. [Zit. Werk, S. 289/290.]<br />

2 Das heißt mit Tertii Iwanowitsch Filippow und mit Prow Michailowitsch Sadowski.<br />

3 N. Barsukow, „Leben und Werke M. P. Pogodins“, Buch XI, S. 64-66.<br />

3

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!