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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

misch von Realismus und Idealismus. Bei der Erläuterung der Lebenserscheinungen begnügte<br />

sie sich nicht mit der Feststellung dessen, was ist, sondern wies auch – und sogar hauptsächlich<br />

– auf das hin, was sein soll. Sie negierte die bestehende Wirklichkeit und war in diesem<br />

Sinne Ausdruck der damaligen „negativen“ Richtung. Aber sie verstand nicht, „die Idee<br />

der Negation zu entwickeln“, wie sich darüber einmal Belinski ausgedrückt hat; sie verstand<br />

nicht, diese Idee mit dem objektiven Gang der Entwicklung des russischen gesellschaftlichen<br />

Lebens in Zusammenhang zu bringen – kurz gesagt, sie verstand nicht, ihr eine soziologische<br />

Grundlage zu geben. Darin bestand ihr Hauptfehler. Und wenn man auf dem Standpunkt<br />

Feuerbachs verharrte, konnte man diesen Fehler nicht beseitigen oder auch nur bemerken. Er<br />

wird nur bemerkbar vom Standpunkt der Marxschen Lehre.<br />

Der Raum gestattet uns nicht, die einzelnen Thesen Tschernyschewskis zu kritisieren. Wir<br />

wollen uns deshalb auf eine einzige Bemerkung beschränken. Tschernyschewski hat die idealistische<br />

Definition des Erhabenen als Ausdruck der Idee des Unendlichen entschieden zurückgewiesen.<br />

Er hatte recht, weil die Idealisten unter der Idee des Unendlichen die absolute<br />

Idee verstanden, für die in der Lehre Feuerbachs und Tschernyschewskis kein Raum war.<br />

Aber geirrt hat er sich, als er sagte: obgleich der Inhalt des Erhabenen uns auf verschiedene<br />

Gedanken bringen kann, welche den davon empfangenen Eindruck verstärken, bleibt der Gegen-[494]stand<br />

an und für sich, der einen solchen Eindruck hervorruft, unabhängig von diesen<br />

Gedanken erhaben. Daraus ergibt sich logischerweise der Schluß, daß das Erhabene für<br />

sich selbst existiert, unabhängig von unseren Gedanken darüber. Nach Ansicht Tschernyschewskis<br />

ist der Gegenstand selbst für uns das Erhabene und nicht die von ihm hervorgerufene<br />

Stimmung. Aber die von ihm selbst angeführten Beispiele widerlegen ihn. Er sagt, der<br />

Montblanc und der Kasbek sind erhabene Berge, aber niemand wird sagen, sie seien unendlich<br />

groß. Das ist richtig; aber ebensowenig wird jemand sagen, daß sie an und für sich erhaben<br />

seien, unabhängig von dem ihrerseits in uns hervorgebrachten Eindruck. Das gleiche ist<br />

auch vom Schönen zu sagen. Nach Tschernyschewski folgt einerseits, das Schöne in der<br />

Wirklichkeit ist an sich schön; aber anderseits erklärt er doch selbst, daß uns nur das als<br />

schön erscheint, was unserer Auffassung vom „schönen Leben“, vom „Leben, wie es sein<br />

soll“, entspricht. Folglich sind Dinge nicht an sich schön.<br />

Diese Fehler unseres Autors erklären sich, kurz gesagt, aus dem von uns bereits angeführten<br />

Fehlen der dialektischen Auffassungsweise von den Dingen. Er verstand nicht, den wahren<br />

Zusammenhang zwischen Objekt und Subjekt zu finden, den Lauf der Ideen durch den Lauf<br />

der Dinge zu erklären. So geriet er notwendigerweise in Widerspruch mit sich selbst und legte<br />

gewissen Ideen, im Gegensatz zu dem ganzen Geist seiner Philosophie, objektive Bedeutung<br />

bei. Auch dieser Fehler konnte erst bemerkt werden, als die Philosophie Feuerbachs, die<br />

der ästhetischen Theorie Tschernyschewskis zugrunde lag, bereits „überholt“ war. Trotz alledem,<br />

für ihre Epoche war die Dissertation unseres Autors ein im höchsten Grade ernsthaftes<br />

und beachtenswertes Werk.<br />

Anmerkungen<br />

Der Aufsatz „Die ästhetische Theorie N. G. Tschernyschewskis“ war bestimmt für die Artikelserie<br />

„Das Schicksal der russischen Kritik“ als vierter Artikel für die Zeitschrift „Nowoje<br />

Slowo“, 1897, aber „infolge von Umständen, die nicht von der Redaktion abhingen, wurde<br />

nur eine Hälfte gedruckt“. Der Aufsatz wurde erstmals vollständig veröffentlicht in der<br />

Sammlung „Zwanzig Jahre“ (St. Petersburg 1908, S. 260-301); wir drucken den Text der<br />

Gesamtausgabe der Werke Plechanows, Bd. VI, S. 245-289.<br />

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