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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

interessant und gefallen ihnen.“ 1 Der Zweck der meisten Kunstwerke besteht darin, denen die<br />

Möglichkeit zu geben, die Wirklichkeit kennenzulernen, die sie aus irgendeinem Grunde<br />

nicht wirklich kennenlernen konnten. Die Kunst reproduziert die Natur und das Leben, wie<br />

der Stich ein Bild reproduziert. „Der Stich ist nicht besser als das Bild, nach dem er gemacht<br />

ist, er ist in künstlerischer Beziehung bedeutend schlechter als dieses Bild; ebenso kommt<br />

auch das Kunstwerk niemals an die Schönheit oder Größe der Wirklichkeit heran; aber das<br />

Bild ist nur einmal vorhanden, an ihm können sich nur die Menschen ergötzen, die in die Galerie<br />

gekommen sind, deren Zierde es ist; der Stich wird in Hunderten von Exemplaren über<br />

die ganze Welt verbreitet; jedermann kann sich, wenn er Lust hat, an ihm ergötzen, ohne sein<br />

Zimmer zu verlassen, ohne von seinem Sofa aufzustehen, ohne seinen Schlafrock auszuziehen;<br />

so ist auch der in der Wirklichkeit schöne Gegenstand nicht jedem und nicht immer zugänglich.<br />

Von der Kunst nachgebildet (schwach, grob, blaß, das ist wahr, aber doch nachgebildet),<br />

wird er jedermann und ständig zugänglich.“ 2<br />

[485] Tschernyschewski beeilt sich indes zu bemerken, daß durch diese Worte – die Kunst ist<br />

die Reproduktion der Wirklichkeit – nur das formale Prinzip der Kunst bestimmt werde. Und<br />

zur Bestimmung des wesentlichen Inhalts der Kunst erinnert er, daß sie sich bei weitem nicht<br />

auf das Gebiet des Schönen beschränkt. Die Kunst umfaßt alles, was „in der Wirklichkeit (in<br />

der Natur und im Leben) den Menschen, nicht als Wissenschaftler, sondern einfach als Menschen,<br />

interessiert“ 3 . Das Schöne, das Tragische, das Komische sind nur drei der bestimmtesten<br />

Elemente aus der großen Zahl der Elemente, von denen das Interesse des menschlichen<br />

Lebens abhängt. Warum hält man dann das Schöne für den einzigen Inhalt der Kunst? Nur<br />

infolge der Verwechslung des Schönen als Gegenstand der Kunst mit der schönen Form, die<br />

ein notwendiger Bestandteil jedes Kunstwerkes ist. Die schöne Form kommt zustande durch<br />

die gegenseitige Übereinstimmung, durch die Einheit von Idee und Abbild. Diese formale<br />

Schönheit bildet nach Ansicht Tschernyschewskis keine Besonderheit, welche die Kunstwerke<br />

von anderen Zweigen der menschlichen Tätigkeit unterscheidet. „Das Handeln des Menschen<br />

hat stets einen Zweck, der das Wesen des Tuns darstellt; die Bewertung unseres Tuns<br />

hängt vom Grad der Übereinstimmung unseres Tuns mit dem Zweck ab, den wir mit ihm<br />

erreichen wollten; jedes menschliche Werk wird nach dem Grad der Vollkommenheit der<br />

Ausführung bewertet. Das ist ein allgemeines Gesetz sowohl für das Handwerk wie für die<br />

Industrie, für die wissenschaftliche Tätigkeit usw. Es ist auch auf die Schöpfungen der Kunst<br />

anzuwenden...“ 4 Der Sinn der Worte: Harmonie von Idee und Form, besteht in dem einfachen<br />

Gedanken, daß jedes Werk ausgeführt werden muß.<br />

Weiter oben haben wir gesagt, daß die Kunst, neben der Wiedergabe des Lebens, nach Ansicht<br />

Tschernyschewskis noch eine weitere Bedeutung habe, nämlich: die Erklärung dieses<br />

Lebens. Ein Mensch, der sich für die Erscheinungen des Lebens interessiert, kann nicht umhin,<br />

sie auf diese oder jene Weise zu beurteilen. Daher kann sich auch der Künstler nicht enthalten,<br />

sein Urteil über jene Erscheinungen zu sprechen, die er darstellt. Darin besteht die<br />

andere Bestimmung der Kunst, vermöge der sie „sich in die sittlichen Betätigungen des Menschen<br />

einreiht“ 5 . Je bewußter sich der Künstler zu den von ihm dargestellten Erscheinungen<br />

verhält, desto mehr wird er zum Denker, und desto mehr gewinnen seine Werke, ohne das<br />

Gebiet der Kunst zu verlassen, an wissenschaftlicher Bedeutung.<br />

Alles Gesagte zusammenfassend, gibt Tschernyschewski folgende ab-[486]schließende For-<br />

1 [Ebenda.]<br />

2 [Ebenda, S. 470/471.]<br />

3 [Ebenda, S. 477.]<br />

4 [Ebenda, S. 477/478.]<br />

5 [Ebenda, S. 483.]<br />

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