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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

Schicksal des Sokrates besteht in dem Bestreben, uns davon zu überzeugen, daß der Untergang<br />

des athenischen Weisen notwendig gewesen sei, um irgend jemand mit irgend etwas zu<br />

versöhnen und um den Erfordernissen der höheren Gerechtigkeit Genüge zu tun, die Sokrates<br />

zum Teil verletzt haben soll. Dieses Bestreben Hegels hat mit seiner Dialektik nichts zu tun.<br />

Es war ein Ausfluß des metaphysischen Elements, das seiner Philosophie eigen war und das<br />

ihr so deutlich das Gepräge des Konservatismus gab. Die Aufgabe Feuerbachs und seiner<br />

Schüler, die die Philosophie Hegels kritisierten, bestand im schonungslosen Kampf gegen<br />

dieses metaphysische Element, dessen Beseitigung sie zur Algebra des Prozesses machen<br />

sollte. Hätte Tschernyschewski konsequent am Standpunkt der Entwicklung festgehalten, so<br />

würde er einerseits die Tragik des Sokrates als das Resultat eines Umbruchs des inneren Lebens<br />

Athens verstanden und anderseits nicht nur die schwache Seite der von Hegel vorgelegten<br />

Theorie des Tragischen – die Vorstellung von dem Untergang des Helden als von einer<br />

notwendigen Bedingung der uns bereits bekannten „Versöhnung“ – bloßgelegt, sondern auch<br />

gezeigt haben können, woher sie eigentlich stammte, das heißt, mit anderen Worten, das Instrument<br />

der Dialektik zur Untersuchung der Hegelschen Philosophie selbst zur Anwendung<br />

gebracht haben können. Aber weder Tschernyschewski selbst noch sein Lehrer Feuerbach<br />

waren dazu imstande. Die dialektische Kritik der Hegelschen Philosophie wurde erst von<br />

Marx und Engels gegeben.<br />

In der Lehre vom Komischen wich unser Autor nur wenig vom „herrschenden ästhetischen<br />

System“ ab. Und das aus dem einfachen Grunde, weil er aus der von den Idealisten angenommenen<br />

Definition: „Das Komische ist das Übergewicht des Bildes über die Idee“ ohne<br />

große dialektische Anstrengungen jede Spur des Idealismus austilgen konnte. Er sagt, das<br />

Komische ist „innere Leere und Nichtigkeit“, ... die „Anspruch auf Inhalt und reale Bedeutung<br />

erhebt“. Und er fügt hinzu, die idealistischen Ästhetiker haben den Begriff des Komischen<br />

allzusehr eingeengt, indem sie ihn nur dem Begriff des Erhabenen gegenüberstellten:<br />

„Das kleinliche Komische, das dumme oder stumpfsinnige Komische bildet [481] natürlich<br />

einen Gegensatz zum Erhabenen; das häßlich Komische, daß mißgestaltete Komische dagegen<br />

bildet einen Gegensatz zum Schönen, nicht aber zum Erhabenen.“ 1<br />

VIII<br />

Ein Kunstwerk steht einer Schöpfung der Natur an Schönheit weit nach. Die Kunst ist durchaus<br />

nicht aus dem Streben der Menschen erwachsen, das Schöne, wie es in der Wirklichkeit<br />

vorkommt, von den Mängeln zu befreien. Tschernyschewski ist fest davon überzeugt. Wenn<br />

wir aber zugeben, daß er recht gehabt hat, dann sehen wir uns unausbleiblich vor die Frage<br />

gestellt: Woher kam den Menschen der Gedanke von der Überlegenheit der Kunstwerke über<br />

Schöpfungen der Natur? Tschernyschewski sieht diese unausbleibliche Frage voraus und versucht<br />

sie zu beantworten.<br />

Der Mensch ist an und für sich geneigt, an einem Werk die Schwierigkeit und an einem Ding<br />

die Seltenheit zu schätzen. Wir Russen zum Beispiel wundern uns durchaus nicht, wenn<br />

Franzosen gut französisch sprechen: das macht ihnen gar keine Mühe. Aber wir wundern uns<br />

gern über einen Ausländer, der diese Sprache gut spricht. Im Grunde kann sich in dieser Beziehung<br />

ein Ausländer niemals mit den Franzosen messen; aber wir sehen gern über die<br />

Mängel in seinem Französisch hinweg oder werden sie gar überhaupt nicht bemerken. Wir<br />

sind auch in diesem Falle keine unparteiischen Richter. Uns besticht das Wissen um die von<br />

dem Ausländer überwundene Schwierigkeit. Das gleiche sehen wir auch in den Beziehungen<br />

der Ästhetik zu Naturgebilden und zur Kunst; der geringste wirkliche oder vermeintliche<br />

Mangel eines Werkes der Natur – und schon deutelt die Ästhetik an diesem Mangel, ist<br />

1 [Ebenda, S. 401 und 402.]<br />

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