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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

nen, des Unbestimmten und den Begriff des Mißgestalteten hervor. Von der Definition des<br />

Erhabenen bleibt folglich nur übrig, daß das Erhabene die Offenbarung des Absoluten ist.<br />

Aber auch das hält der Kritik nicht stand. Wenn wir uns in das hineindenken wollen, was bei<br />

der Betrachtung des Erhabenen in uns vor sich geht, so werden wir uns überzeugen, daß uns<br />

der Gegenstand selbst als erhaben erscheint und nicht die von ihm hervorgerufene Stimmung:<br />

erhaben ist das Meer, erhaben ist dieser oder jener Berg, erhaben ist diese oder jene Persönlichkeit.<br />

Natürlich, die Betrachtung des Erhabenen kann uns zu verschiedenen Gedanken anregen,<br />

die den von uns gewonnenen Eindruck verstärken: aber der betrachtete Gegenstand<br />

bleibt erhaben – völlig unabhängig davon, ob solche Gedanken auftreten oder nicht. „Und<br />

selbst wenn ich daher zugebe, daß die Anschauung des Erhabenen immer auf die Idee der<br />

Unendlichkeit führt, muß doch die Ursache der Wirkung, die das einen solchen Gedanken<br />

hervorrufende, nicht aber von ihm hervorgerufene Erhabene auf uns ausübt, nicht in dieser<br />

Idee, sondern in irgend etwas anderem liegen.“ 1 In Wirklichkeit führt uns die Betrachtung<br />

des Erhabenen durchaus nicht immer auf den Gedanken des Unendlichen. Der Montblanc<br />

und der Kasbek sind erhabene Berge, aber niemand wird sagen, sie seien unendlich groß; ein<br />

Gewitter ist eine sehr erhabene Erscheinung, aber Gewitter und Unendlichkeit haben nichts<br />

gemeinsam; Liebe oder Leidenschaft können äußerst erhaben sein, aber auch sie können nicht<br />

die Idee des Unendlichen hervorrufen. Manche Gegenstände und Erscheinungen erscheinen<br />

uns einfach deshalb erhaben, weil sie größer sind als andere. „Der Montblanc und der Kasbek<br />

sind majestätische Berge, weil sie um vieles riesiger sind als die durchschnittlichen Berge<br />

und Vorberge, die wir zu sehen gewohnt sind; ... die glatte Fläche des Meeres ist bedeutend<br />

ausgedehnter als die Flächen der Teiche und kleinen Seen, denen der Wanderer immer wieder<br />

begegnet; die Wellen des Meeres sind viel höher als die Wellen dieser Seen, und deshalb ist<br />

ein Sturm auf dem Meer eine erhabene Erscheinung, auch wenn niemand dabei Gefahr<br />

droht;... Die Liebe ist bedeutend stärker als unsere alltäglichen kleinen Berechnungen und<br />

Motive; auch der Zorn, die Eifersucht, überhaupt jede Leidenschaft ist viel stärker als sie –<br />

darum ist die Leidenschaft auch eine erhabene [475] Erscheinung... ‚Bedeutend stärker, bedeutend<br />

größer‘ – das ist ein Sondermerkmal des Erhabenen.“ 2<br />

Bei seiner Kritik der herrschenden Definitionen des Erhabenen bedauert Tschernyschewski,<br />

in seiner Dissertation nicht die wirkliche Bedeutung des Absoluten auf dem Gebiete der metaphysischen<br />

Begriffe zeigen zu können. Er bedauert das nicht ohne Grund. Auf die Bedeutung<br />

des Absoluten hinweisen können, das hätte die Widerlegung des absoluten Idealismus in<br />

seiner Grundlage bedeutet; und nachdem er den absoluten Idealismus in seiner Grundlage<br />

widerlegt und den Leser auf seinen eigenen, den materialistischen Standpunkt gestellt hätte,<br />

wäre es ihm leicht geworden, ihn dazu zu bringen, die Falschheit der idealistischen Definitionen<br />

des Erhabenen wie auch anderer ästhetischer Begriffe anzuerkennen. So werden wir ergänzen,<br />

was unser Autor nicht vollständig ausgesprochen hat.<br />

Der absolute Idealismus betrachtet die absolute Idee als das Wesen des ganzen Weltprozesses.<br />

Die Ästhetiker aus der Hegelschen Schule appellierten an die absolute Idee als an die<br />

letzte Instanz, von der alle (d. h. auch die ästhetischen) Begriffe abhängen, in der alle uns<br />

verwirrenden Widersprüche gelöst werden. 3 Feuerbach hat, wie wir bereits wissen, gezeigt,<br />

daß die absolute Idee der Denkprozeß ist, betrachtet als das Wesen des Weltprozesses. Er hat<br />

die absolute Idee entthront. Aber zugleich mit der mächtigen Herrscherin wurden auch alle<br />

ihre zahlreichen Vasallen gestürzt. Alle einzelnen Ideen und Begriffe, die ihren höchsten Sinn<br />

von der absoluten Idee erhalten hatten, erwiesen sich nun als inhaltslos und bedurften daher<br />

einer gründlichen Revision. Nehmen wir bloß den Begriff des Erhabenen. Bisher hatte man<br />

1 [Ebenda, S. 381.]<br />

2 [Ebenda, S. 384 und 385.]<br />

3 Siehe die „Ästhetik“ Vischers (besonders Bd. I, S. 47, oder die folgenden) und Hegel selbst.<br />

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