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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

Empfindung) keine Bewegung sei, sondern ein innerer Zustand der Materie, die unter gewisse<br />

Bedingungen (des mit dem Körper verbundenen Gehirns usw.) gestellt ist. Aber das war<br />

gerade die Ansicht aller hervorragenden Materialisten des 17. und 18. Jahrhunderts. Als<br />

Hobbes fragte: „Welcher Art kann jene Bewegung sein, die in den Lebewesen Empfindung<br />

und Phantasie hervorbringt?“ – hat er die Materie mit der Bewegung offenbar nicht gleichgestellt.<br />

Das gleiche kann man von Toland und den französischen Materialisten sagen. Toland<br />

„betrachtet offenbar den Gedanken als eine den materiellen Bewegungen im Nervensystem<br />

inhärierende begleitende Erscheinung“, sagt Lange. 1 Das ist richtig. Aber das war gerade<br />

auch die Ansicht [467] Feuerbachs vom Denken. Toland ist Materialist. Warum soll man nun<br />

Feuerbach nicht als Materialisten bezeichnen können? Uns ist das unverständlich!<br />

V<br />

Doch genug über den Materialismus Feuerbachs! Für uns ist hier hauptsächlich das eine<br />

wichtig, daß Tschernyschewski seinen Lehrer für einen Materialisten hielt und daß „Die<br />

ästhetischen Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit“ ein interessanter und in seiner Art einzig<br />

dastehender Versuch sind, die Ästhetik auf der Grundlage der Feuerbachschen materialistischen<br />

Philosophie. aufzubauen. Um diesen Versuch richtig zu begreifen, muß man sich<br />

eine weitere Seite der Feuerbachschen Philosophie klarmachen.<br />

Nach Feuerbach wird ein Gegenstand, wie wir wissen, nur durch die Empfindung in seinem<br />

wahren Sinne gegeben; „Wahrheit, Wirklichkeit, Sinnlichkeit sind identisch“. Die spekulative<br />

Philosophie verhielt sich geringschätzig gegenüber dem „Sinnlichen“, das heißt dem Zeugnis<br />

unserer Sinnesorgane, denn sie nahm an, die nur auf die sinnliche Erfahrung gegründeten<br />

Vorstellungen von Gegenständen könnten der wirklichen Natur der Gegenstände nicht entsprechen<br />

und bedürfen der Prüfung mittels des „reinen“ Denkens. Feuerbach konnte nicht<br />

umhin, eine solche Einstellung zum „Sinnlichen“ abzulehnen. Er bewies, daß unsere Vorstellungen<br />

von den Gegenständen, wenn sie sich auf unsere sinnliche Erfahrung gründeten, voll<br />

und ganz ihrer wirklichen Natur entsprechen müssen. Aber oft verzerrt die Phantasie unsere<br />

Vorstellungen, und dann stehen sie im Widerspruch zur sinnlichen Erfahrung. Die Aufgabe<br />

der Philosophie und der Wissenschaft überhaupt besteht darin, das Phantasieelement aus unseren<br />

Vorstellungen und aus den darauf gegründeten Begriffen zu vertreiben und sie in Übereinstimmung<br />

mit der sinnlichen Erfahrung zu bringen. „Die Menschen sehen zuerst die Dinge<br />

nur so, wie sie ihnen erscheinen, nicht, wie sie sind“, sagt er; „sehen in den Dingen nicht sie<br />

selbst, sondern nur ihre Einbildungen von ihnen, legen ihr eigenes Wesen in sie hinein, unterscheiden<br />

nicht den Gegenstand und die Vorstellung von ihm.“ 2 Dasselbe ist auch auf dem<br />

Gebiete des Denkens der Fall. Die Menschen beschäftigen sich lieber mit abstrakten Ideen als<br />

mit wirklichen Gegenständen, und da die abstrakten Ideen dieselben Gegenstände, in die<br />

Sprache des Denkens übersetzt, darstellen, interessieren sich die Menschen mehr für die<br />

Übersetzung als für das Original. Erst in der allerletzten [468] Zeit beginnt die Menschheit<br />

zur nicht entstellten, objektiven Betrachtung des Sinnlichen, das heißt der wirklichen Gegenstände<br />

zurückzukehren. 3<br />

Man kann sagen, daß die Menschheit, indem sie zu einer solchen Anschauung, wie sie im<br />

alten Griechenland geherrscht hatte, zurückkehrt, wieder „zu sich selbst“ kommt, „denn ein<br />

Mensch, der sich nur mit Wesen der Einbildung oder des abstrakten Gedankens abgibt, ist<br />

1 [Zit. Werk, S. 153.]<br />

2 [Zit. Werk, § 44, S. 69.]<br />

3 „Alles sagen die Sinne“, bemerkt Feuerbach, „aber um ihre Aussagen zu verstehen, muß man sie verbinden. Die<br />

Evangelien der Sinne im Zusammenhang lesen, heißt: Denken.“ [„Wider den Dualismus von Leib und Seele,<br />

Fleisch und Geist“; Sämtl. Werke, II. Band, Leipzig 1846, S. 379.]<br />

14

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