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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

ätzen Lessings. [459] In der Rezension seiner eigenen Dissertation sagt er: „Wirklich kann die<br />

Ästhetik ein gewisses Interesse für das Denken darbieten, weil die Lösung ihrer Probleme von<br />

der Beantwortung anderer, interessanterer Fragen abhängt, und wir hoffen, daß jeder, der einige<br />

gute Werke über diese Wissenschaft kennt, hiermit einverstanden ist.“ Und er bedauert, daß<br />

„Herr Tschernyschewski... zu schnell über die Punkte hinwegeilt, in denen die Ästhetik sich<br />

mit dem Gesamtsystem der Auffassungen von Natur und Leben berührt“. Nach seinen Worten<br />

ist das „ein bedeutender Mangel, und er ist die Ursache dafür, daß der innere Sinn der Theorie,<br />

die der Autor vertritt, für viele dunkel bleibt, die vom Autor entwickelten Gedanken dagegen<br />

als von ihm persönlich stammend erscheinen können, worauf er, nach unserer Meinung, nicht<br />

den geringsten Anspruch hat“ 1 . Man kann sich indes unschwer vorstellen, woher dieser Mangel<br />

kam: das „System der Anschauungen“, mit dem die ästhetischen Ansichten Tschernyschewskis<br />

eng verknüpft waren, mochte dem damaligen gelehrten Universitätssynedrium als eine gefährliche<br />

philosophische Neuerung erscheinen. Deshalb mußte sich die Dissertation auf Anspielungen<br />

beschränken. Im „Sowremennik“ konnte sich Tschernyschewski etwas freier äußern. Und<br />

er nutzte diesen Umstand und ließ den Zusammenhang seiner Ästhetik mit dem allgemeinen<br />

System seiner philosophischen Anschauungen in Form einer Rezension des Werkes von „Herrn<br />

Tschernyschewski“ etwas deutlicher hervortreten.<br />

IV<br />

Was ist das für ein System? Tschernyschewski spricht in keinem seiner Werke offen aus, wen<br />

er in der Philosophie als seinen Lehrer betrachtet. Nirgends geht er über Anspielungen hinaus;<br />

aber seine Anspielungen sind sehr deutlich. So sagt er zum Beispiel in seinen „Polemischen<br />

Prachtstücken“, das System seines Lehrers sei das allerletzte Glied in der Reihe der<br />

philosophischen Systeme und aus dem Hegelschen System ebenso hervorgegangen wie das<br />

System Hegels aus dem Schellingschen. „...Sie wollen vermutlich gern erfahren“, fragt er,<br />

sich seinem Gegner, Dudyschkin, zuwendend, „wer denn eigentlich dieser Lehrer ist, von<br />

dem ich rede? Um Ihnen das Suchen zu erleichtern, werde ich Ihnen doch wohl sagen müssen,<br />

daß er weder Russe ist noch Franzose oder Engländer, daß es weder Büchner ist noch<br />

Max Stirner, noch Bruno Bauer, Moleschott oder Vogt – wer ist es denn nun?“ 2 Man muß<br />

schon recht begriffsstutzig sein, wenn [460] man nicht sogleich antwortet: Ludwig Feuerbach.<br />

Und wirklich, in der Philosophie war Tschernyschewski ein Anhänger Feuerbachs.<br />

Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich die Philosophie Feuerbachs aus der Philosophie Hegels<br />

entwickelt hat, wie diese sich aus der Philosophie Schellings entwickelte. Aber Hegel war entschiedener<br />

Idealist, während Feuerbach nicht weniger entschiedener Gegner des Idealismus<br />

war. Und da er gleichzeitig sehr wohl begriff, worin die schwache Seite des „kritischen“ Dualismus<br />

Kants besteht 3 , muß man ihn den Materialisten zurechnen. 4 Einige der namhaftesten<br />

Neukantianer finden, er sei niemals Materialist gewesen. Das ist eine irrige Ansicht. Wenn sich<br />

der Leser davon überzeugen möchte, wollen wir ihm ein einfaches, aber sehr wirksames Mittel<br />

vorschlagen: er lese im April- und Maiheft des „Sowremennik“, Jahrgang 1860, den Artikel<br />

Tschernyschewskis, der soviel Staub aufgewirbelt hat: „Das anthropologische Prinzip in der<br />

Philosophie“, und dann möge er entscheiden, ob man auch nur einen Augenblick daran zweifeln<br />

könne, daß hier die materialistische Anschauung über die Natur und den Menschen darge-<br />

1 [Ebenda, S. 497/498.]<br />

2 [Ebenda, S. 208.]<br />

3 „Die Kantsche Philosophie“, sagt er, „ist der Widerspruch von Subjekt und Objekt, Wesen und Existenz,<br />

Denken und Sein. Das Wesen fällt hier in den Verstand, die Existenz in die Sinne.“ „Grundsätze [der Philosophie<br />

der Zukunft]“, [Zürich und Winterthur 1843], § 22, [S. 38].<br />

4 Man könnte natürlich fragen: War er nicht Hylozoist? Aber in seinen Werken findet sich nicht einmal eine Anspielung<br />

auf den Hylozoismus.<br />

9

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