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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

teten gesellschaftlichen Verhältnisse und unsere traditionellen Auffassungen einer Überprüfung<br />

zu unterziehen.<br />

„Der Gedanke einer ‚Kunst um der Kunst willen‘ ist in unserer Zeit ebenso sonderbar, wie es<br />

der Gedanke ‚Reichtum um des Reichtums willen‘ oder ‚Wissenschaft um der Wissenschaft<br />

willen‘ usw. wäre“, sagt Tschernyschewski in seinem Artikel über das Buch von Ordynski.<br />

„Alles, was der Mensch tut, muß, wenn es nicht zur leeren und müßigen Beschäftigung werden<br />

soll, für den Menschen von Nutzen sein; der Reichtum ist dazu da, daß der Mensch sich<br />

seiner bedient, die Wissenschaft dazu, daß sie den Menschen den Weg weist; auch die Kunst<br />

muß irgendeinen wesentlichen Nutzen bringen und darf nicht nur steriles Vergnügen sein.“ 1<br />

Und da die Aneignung nützlicher Kenntnisse und überhaupt die geistige Entwicklung das<br />

erste Erfordernis der Menschen ist, die ihr Leben richtig gestalten wollen, muß auch die<br />

Kunst dieser Entwicklung dienen. Die Kunst lenkt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit<br />

viel mehr auf sich als die Wissenschaft.<br />

Man muß doch zugeben, „daß sie die breiten Massen auf sehr glück-[455]liche Art unterhält<br />

und damit, ohne auch nur daran zu denken, dazu beiträgt, Bildung, klare Begriffe von den<br />

Dingen und überhaupt alles zu verbreiten, was den Menschen zunächst geistig, dann aber<br />

auch materiellen Nutzen bringt“, sagt Tschernyschewski in dem gleichen Artikel. „Die Kunst,<br />

oder besser gesagt die Dichtung (nur die Dichtung allein, weil die anderen Künste in dieser<br />

Hinsicht sehr wenig tun), verbreitet eine riesige Menge von Kenntnissen unter der Masse der<br />

Leser und macht sie, was noch wichtiger ist, mit den von der Wissenschaft erarbeiteten Auffassungen<br />

bekannt – darin besteht recht eigentlich die große Bedeutung der Dichtung für das<br />

Leben.“ 2<br />

III<br />

Allein diese Worte lassen erkennen, welche ungeheuerliche und alberne Unwahrheit jene<br />

Philister der reinen Kunst und der angeblich philosophischen Kritik hervorgebracht haben, als<br />

sie dem Leserpublikum versicherten, unsere Aufklärer seien bereit, Kopf und Herz dem Magen,<br />

die geistigen Interessen der Menschheit ihren materiellen Vorteilen zu opfern. Die Aufklärer<br />

sagten: wenn die Kunst zur Verbreitung gesunder Anschauungen in der Gesellschaft<br />

beiträgt, wird sie den Menschen geistigen Nutzen bringen; und dann bringt sie ihnen auch<br />

materiellen Vorteil. Der materielle Vorteil war in ihren Augen ein einfaches, aber unausbleibliches<br />

Resultat geistiger Entwicklung der Menschen; das Gerede darüber bedeutete lediglich<br />

soviel, daß es schwerer ist, einen gescheiten Menschen zu „übertölpeln“ als einen Dummkopf<br />

und daß die große Mehrzahl der Menschen, wenn sie sich gesunde Anschauungen angeeignet<br />

hat, leichter das Joch jener Hechte abwerfen wird, deren Stärke nur so lange anhält, bis die<br />

Karauschen erwacht sind 3 . Um den ersehnten Zeitpunkt des Erwachens der Karauschen näherzurücken,<br />

waren die Aufklärer bereit, auf den Gebrauch der Kochtöpfe gänzlich zu verzichten<br />

und sich nur von Heuschrecken zu nähren (selbst ohne sie mit wildem Honig zuzubereiten);<br />

und ihnen warf man vor, nur die Kochtöpfe zu schätzen, die ihnen teurer seien als die<br />

größten Werke des menschlichen Genies. Das konnten nur ganz naive Menschen sein oder<br />

eben jene Hechte, denen das Erwachen der Karauschen gar nicht vorteilhaft ist. Der Hecht ist<br />

ein listiger Fisch, die Selbstlosigkeit vertritt er gerade dann am entschiedensten, wenn er sich<br />

anschickt, eine ahnungslose Karausche zu verschlingen.<br />

[456] Wenn wir von Angriffen auf das Tendenziöse der Kunst hören oder lesen, fällt uns fast<br />

stets der Ritter Bertran de Born ein, der nicht nur das Schwert zu führen, sondern auch mit<br />

1 [Ebenda, S. 559.]<br />

2 [Ebenda, S. 561/562.]<br />

3 [Eine Anspielung auf das russische Sprichwort: „Der Hecht ist im See, damit die Karausche nicht schläft.“]<br />

6

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