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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

jekt der Kunst und der schönen Form liegt, die tatsächlich eine notwendige Eigenschaft jedes<br />

Kunstwerkes ist. Daß die Form jedes Kunstwerkes schön sein müsse, zieht nicht nach sich,<br />

daß sich die Kunst auf die Wiedergabe des Schönen beschränken müsse oder beschränken<br />

könne. „Das Allgemeininteressante im Leben – das ist der Inhalt der Kunst.“ 1 Ist dem so,<br />

dann wird ganz klar, daß die Kunst nicht aufhört zu existieren, solange das Leben nicht aufhört,<br />

den Menschen zu interessieren, und daß es einfach unmöglich ist, die Ästhetik, das heißt<br />

die Theorie der Kunst, „zugrunde zu richten“, zu „zerstören“.<br />

Pissarew hat Tschernyschewski schlecht verstanden. Wir machen ihm daraus keinen Vorwurf,<br />

wir weisen hier einfach auf diesen wichtigen Umstand hin.<br />

Also: Tschernyschewski hatte durchaus nicht die Absicht, die Ästhetik zu zerstören. Als er<br />

seine Dissertation zu schreiben begann, verfolgte er andere Ziele. Eines von ihnen ist uns<br />

jetzt bekannt: er wollte beweisen, daß der Kreis der Kunst unvergleichlich weiter sei als der<br />

Kreis des Schönen. Um sich klarzumachen, weshalb er dieses Ziel ins Auge faßte, muß man<br />

sich an die Auseinandersetzungen Belinskis mit den Anhängern der Theorie der Kunst für die<br />

Kunst erinnern. In seinem letzten Jahresüberblick über die russische Literatur widerlegte der<br />

sterbende Belinski diese Theorie und war bestrebt, zu beweisen, daß sich die Kunst niemals<br />

auf das Element des Schönen beschränkt habe. Der junge, lebenskräftige Tschernyschewski<br />

legte diesen Gedanken seiner ersten großen theoretischen Untersuchung zugrunde. Dadurch<br />

werden seine Beziehungen zur „Kritik der Gogolschen Periode“ am besten charakterisiert.<br />

Die Dissertation Tschernyschewskis war die Weiterentwicklung jener Ansichten über die<br />

Kunst, zu denen Belinski in den letzten Jahren seines literarischen Schaffens gelangt war.<br />

In dem Artikel über die literarischen Ansichten Belinskis hatten wir gesagt, in seinen Auseinandersetzungen<br />

mit den Anhängern der reinen Kunst habe er den Standpunkt des Dialektikers<br />

gegen den Standpunkt des Aufklärers eingetauscht. Trotzdem betrachtete Belinski die Frage<br />

lieber historisch; und Tschernyschewski verlegte sie endgültig in das Gebiet der abstrakten<br />

Erörterung über das „Wesen“ der Kunst, das heißt, richtiger gesagt, darüber, was sie sein<br />

soll. „Die Wissenschaft denkt nicht daran, der Wirklichkeit überlegen sein zu wollen“, sagt er<br />

am Schluß seiner [454] Dissertation. „Auch die Kunst soll nicht glauben, daß sie der Wirklichkeit<br />

überlegen sei; das bedeutet für sie keine Erniedrigung... Möge die Kunst sich mit<br />

ihrer hohen, schönen Bestimmung begnügen: wenn die Wirklichkeit fehlt, bis zu einem gewissen<br />

Grade ihr Ersatz und für den Menschen ein Lehrbuch des Lebens zu sein.“ 2 Das ist<br />

schon die Ansicht des Aufklärers reinsten Wassers.<br />

Diese Ansicht hat Tschernyschewski nicht gehindert, sich mit dem Studium der Geschichte<br />

der Literatur in Rußland und im Westen zu befassen. Schon bald nach dem Erscheinen der<br />

„Ästhetischen Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit“ im „Sowremennik“ wurden die<br />

„Skizzen der Gogolschen Periode der russischen Literatur“ und ein ziemlich umfangreiches<br />

Werk über Lessing gedruckt. Aber das „exakte Studium der Tatsachen“ war Tschernyschewski<br />

und allen Aufklärern hauptsächlich insofern interessant, als es ihm neue Daten zur<br />

Bekräftigung seines Gedankens lieferte, was die Kunst sein müsse und was sie werde, wenn<br />

die Künstler erst ihr wahres „Wesen“ erkannt haben.<br />

„Ein Lehrbuch sein“ – das heißt an der geistigen Entwicklung der Gesellschaft mitwirken.<br />

Der Aufklärer erblickt darin die Hauptbestimmung der Kunst. So war es überall, wo es der<br />

Gesellschaft beschieden war, die sogenannte Zeit der Aufklärung zu erleben: in Griechenland,<br />

in Frankreich, in Deutschland. So war es auch in Rußland, als die führenden Schichten<br />

unserer Gesellschaft nach dem Pogrom von Sewastopol darangingen, unsere damaligen veral-<br />

1 [Ebenda, S. 477.]<br />

2 [Ebenda, S. 489/490.]<br />

5

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