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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 19.07.2013<br />

[447]<br />

Die ästhetische Theorie N. G. Tschernyschewskis*<br />

I.<br />

War Belinski der Stammvater unserer Aufklärer, so ist Tschernyschewski ihr größter Vertreter.<br />

Seine literarischen und seine ästhetischen Ansichten überhaupt hatten gewaltigen Einfluß<br />

auf die weitere Entwicklung der russischen Kritik. Deshalb müssen wir ihnen große Aufmerksamkeit<br />

widmen.<br />

Am vollständigsten und klarsten sind sie dargelegt in seiner berühmten Dissertation „Die<br />

ästhetischen Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit“, die er im März 1855 der Petersburger<br />

Universität vorlegte, um die Magisterwürde der Philologie zu erwerben. Mit der Untersuchung<br />

dieser Dissertation wollen wir uns in diesem Artikel befassen, wobei wir uns anderen<br />

Werken Tschernyschewskis nur in dem Maße zuwenden, wie sie die Grundthesen der Dissertation<br />

erklären und ergänzen. In dieser Hinsicht ist uns ein Artikel sehr wichtig, den er anläßlich<br />

des Erscheinens der Abhandlung des Aristoteles „Über die Dichtkunst“ in russischer<br />

Übersetzung, mit Erläuterungen von B. Ordynski (Moskau 1854), geschrieben hat und der im<br />

kritischen Teil des 9. Heftes der „Otjetschestwennyje Sapiski“, Jahrgang 1854, gedruckt wurde.<br />

Und noch wichtiger ist seine eigene Untersuchung der „Ästhetischen Beziehungen“‚ die<br />

im Jahre 1855 im 6. Heft des „Sowremennik“ <strong>erschien</strong>.<br />

Ehe wir über die Dissertation Tschernyschewskis sprechen, wird es angebracht sein, uns klarzumachen,<br />

weshalb sie gerade der Ästhetik gewidmet war und nicht irgendeinem anderen<br />

Wissenszweig.<br />

Pissarew sagt in seinem Artikel „Die Zerstörung der Ästhetik“, über den sich bis auf den heutigen<br />

Tag alle russischen Philister des Idealismus und Eklektizismus entrüsten, Tschernyschewski habe<br />

seine Dissertation mit dem „hinterlistigen“ Zweck verfaßt, die Ästhetik zu vernichten, sie ganz<br />

und gar zu zerfetzen, die kleinen Fetzen zu pulverisieren und das Pulver in alle Winde zu zerstreuen.<br />

Das ist zwar witzig, aber nicht richtig. Pissarew hat den Grundgedanken der „Ästhetischen<br />

Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit“ nicht richtig verstanden. Mit der Abfassung sei-<br />

[448]ner Dissertation setzte sich Tschernyschewski durchaus nicht das Ziel, „die Ästhetik zu vernichten“.<br />

Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur den erwähnten Artikel über das Buch<br />

von Ordynski durchzulesen. Tschernyschewski hat ihn gerade in der Zeit geschrieben, als er an<br />

seiner Dissertation arbeitete. Er greift die Ästhetik nicht nur nicht an, sondern im Gegenteil, er<br />

nimmt sie leidenschaftlich in Schutz gegen die „Mißgünstigen“, die da sagen, man dürfe sich mit<br />

ihr nicht befassen, denn sie sei eine allzu abstrakte und daher auf unsicherer Grundlage ruhende<br />

Wissenschaft. „... wir würden die Feindschaft gegen die Ästhetik verstehen, wenn sie selber ein<br />

Feind der Literaturgeschichte wäre; bei uns ist dagegen stets die Notwendigkeit der Literaturgeschichte<br />

verkündet worden; und die Männer, die sich im besonderen mit ästhetischer Kritik befaßten,<br />

haben viel auch für die Geschichte der Literatur getan, mehr als irgendeiner unserer heutigen<br />

Schriftsteller.“ (Hier wird offensichtlich auf Belinski angespielt.) „Bei uns hat die Ästhetik<br />

stets anerkannt, daß sie vom exakten Tatsachenstudium ausgehen muß, und verdient ebensowenig<br />

den Vorwurf abstrakter Inhaltlosigkeit wie beispielsweise die russische Grammatik. Wenn sie<br />

sich also früher nicht die Feindschaft der Anhänger einer historischen Literaturforschung zugezogen<br />

hat, so verdient sie diese Feindschaft noch weniger jetzt, wo jede theoretische Wissenschaft<br />

von einer möglichst vollständigen und exakten Erforschung der Tatsachen ausgeht.“ 1<br />

* Anmerkungen zu: Die ästhetische Theorie N. G. Tschernyschewskis (S. 447-494) am Ende des Kapitels.<br />

1 [N. G. Tschernyschewski, Ausgewählte philosophische Schriften, Moskau 1955, S. 548, dtsch.]<br />

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