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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />

Aus welchen Gesetzen bestand der unabänderliche ästhetische Kodex Belinskis?<br />

V<br />

Es sind einige wenige Gesetze – im ganzen fünf, und er nennt sie bereits in den Artikeln, die<br />

in die versöhnlerische Periode seiner Tätigkeit fallen. Später hat er sie nur durch neue Beispiele<br />

erläutert und illustriert.<br />

Das erste, sozusagen das Grundgesetz, ist das, nach welchem der Dichter zu zeigen und nicht<br />

zu beweisen hat; „in Gestalten und Bildern denken, nicht in Syllogismen und Dilemmata“.<br />

Dieses Gesetz ergibt sich unmittelbar aus der Definition der Dichtkunst, die, wie wir wissen,<br />

die unvermittelte Betrachtung der Wahrheit oder das Denken in Bildern ist. Wo dieses Gesetz<br />

nicht eingehalten wird, haben wir keine Dichtkunst vor uns, sondern nur eine Symbolistik<br />

und Allegorie. Belinski hat niemals versäumt, das von ihm untersuchte Werk vom Standpunkt<br />

dieses Gesetzes aus zu betrachten. Er erinnert daran auch in seinem letzten Jahresüberblick<br />

über die russische Literatur: „Der Philosoph redet in Syllogismen, der Dichter in Gestalten<br />

und Bildern.“<br />

Da der Gegenstand der Dichtkunst die Wahrheit ist, besteht die höchste Schönheit gerade in<br />

der Wahrheit und Einfachheit; Echtheit und Natürlichkeit bilden die notwendige Voraussetzung<br />

für wahrhaft künstlerisches Schaffen. Der Dichter muß das Leben darstellen, wie es ist,<br />

ohne es schöner oder häßlicher zu machen. Das ist das weite Gesetz des Kunstkodex Belinskis.<br />

Er hielt in allen Perioden seiner literarischen Tätigkeit. mit stets gleicher Kraft daran<br />

fest. Die Werke Gogols und der Naturalen [416] Schule gefielen ihm unter anderem wegen<br />

ihrer vollkommenen Echtheit und Einfachheit, worin er ein erfreuliches Zeichen der Reife<br />

sah. „Die letzte Periode der russischen Literatur, die prosaische Periode, unterscheidet sich<br />

scharf von der romantischen durch eine gewisse mannhafte Reife“, sagt er in den „Betrachtungen<br />

über die russische Literatur des Jahres 1842“. „Wenn Sie wollen, ist die Zahl der in<br />

dieser Periode geschriebenen Werke nicht eben groß, dafür aber hatte alles in ihr, was von<br />

nur mittelmäßigem und gewöhnlichem Wert war, keinerlei Erfolg, selbst keinen Augenblickserfolg;<br />

aber all das wenige, das aus der Reihe des Gewöhnlichen heraustrat, hatte das<br />

Gepräge reifer und männlicher Kraft, war von dauerndem Wert und hinterließ auf seinem<br />

triumphalen Siegeszug, nach und nach an Einfluß gewinnend, tiefe Spuren in der Literatur<br />

und in der Gesellschaft. Ihr lebensnaher, wirklichkeitsnaher Charakter ist die unmittelbare<br />

Ursache der männlichen Reife der letzten Periode unserer Literatur.“ Einige Jahre darauf<br />

wiederholt er: „Wenn man uns fragte, worin das charakteristische Merkmal der heutigen russischen<br />

Literatur bestehe, würden wir antworten: In der mehr oder weniger engen Verbindung<br />

mit dem Leben, mit der Wirklichkeit, in der immer größer werdenden Reife und Mannhaftigkeit.“<br />

Das dritte Gesetz des Schönen besagt, daß die dem Kunstwerk zugrunde liegende Idee eine<br />

konkrete Idee sein muß, die den ganzen Gegenstand umfaßt, und nicht nur irgendeine beliebige<br />

Seite. Dieser konkrete Gedanke muß sich durch Einheitlichkeit auszeichnen. „Geht er in<br />

einen anderen, wenn auch zu ihm in Beziehung stehenden Gedanken über, dann wird die<br />

Einheitlichkeit des Kunstwerkes gestört und folglich auch die Einheitlichkeit und die Stärke<br />

des im Leser hervorgerufenen Eindrucks. Nach dem Lesen eines solchen Werkes fühlt man<br />

sich beunruhigt, aber nicht befriedigt.“<br />

Kraft des vierten Gesetzes muß die Form des Kunstwerkes seiner Idee entsprechen und die<br />

Idee der Form.<br />

Schließlich muß der Einheitlichkeit des Gedankens die Einheitlichkeit der Form entsprechen.<br />

Mit anderen Worten, alle Teile des Kunstwerkes müssen ein harmonisches Ganzes bilden.<br />

Das ist das fünfte und letzte Gesetz des Kodex Belinskis. Dieser Kodex ist die objektive<br />

16

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