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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />

Belinskis Meinung über George Sand erinnert an seine Meinung über [414] Schiller. Zuerst<br />

will er von ihren Romanen überhaupt nichts wissen, und dann kann er sie, so darf man wohl<br />

sagen, gar nicht genug rühmen. 1<br />

Aber warum rühmt er sie so. überschwenglich? Vor allem wegen der edlen Empörung ihres<br />

Verfassers gegen die „durch die Macht der Dummheit legitimierte“ Lüge. Während Belinski<br />

mit der edlen Empörung der französischen Schriftstellerin leidenschaftlich sympathisiert,<br />

analysiert er auch ihre Romane vom Standpunkt eben jener „Gesetze des Schönen“ die seinen<br />

unabänderlichen ästhetischen Kodex bildeten. Und er bleibt durchaus nicht blind gegen die<br />

künstlerischen Mängel dieser Romane. Denken wir nur an seine ablehnende Haltung gegenüber<br />

„Isidore“, „Le meunier Angibault“, „Le péché de Monsieur Antoine“.<br />

Wir wissen nicht, ob wir noch neue Beweise der beachtenswerten Festigkeit der ästhetischen<br />

Urteile Belinskis bringen sollen, wie sie am deutlichsten in seiner Einstellung zu Gogol zutage<br />

trat. Auf jeden Fall wollen wir auf die Artikel über Lermontow hinweisen. Allerdings<br />

wurden diese Artikel bereits in der Zeit des Übergangs Belinskis vom „absoluten“ zum dialektischen<br />

Standpunkt geschrieben. Aber im ersten Artikel ist der Einfluß dieser Übergangszeit<br />

noch sehr wenig zu bemerken. Belinski erklärt kategorisch, die Kunst unseres Zeitalters<br />

sei die Reproduktion der vernünftigen Wirklichkeit. Es ergibt sich bei ihm, daß Petschorin<br />

nur leidet, weil er sich mit dieser Wirklichkeit noch nicht abgefunden hat. Herr Pypin würde<br />

sagen, das sei reinster romantischer Idealismus. Allein, romantischer Idealismus hinderte<br />

Belinski nicht, sehr wohl zu verstehen, mit welchem Dichter er es zu tun hatte. Später, als er<br />

völlig zum dialektischen Standpunkt übergegangen war, verstand er die gesellschaftliche Bedeutung<br />

von Lermontows Schaffen besser, aber seine Ansicht über dessen künstlerische Seite<br />

war immer noch die gleiche wie früher. 2<br />

[415] „Belinskis Kritik entwickelte sich ganz sukzessiv und allmählich“, sagt der Verfasser<br />

der „Skizzen der Gogolschen Periode der russischen Literatur“, „der Artikel über die ‚Skizzen<br />

der Schlacht bei Borodino‘ steht im Gegensatz zu dem Artikel über die ‚Ausgewählten<br />

Stellen‘ (d. h. über die ‚Ausgewählten Stellen aus dem Briefwechsel mit Freunden‘ von Gogol),<br />

weil sie zwei extreme Punkte des von der Kritik Belinskis durchlaufenen Weges bilden,<br />

aber wenn wir seine Artikel in chronologischer Reihenfolge lesen, werden wir nirgends einen<br />

schroffen Wechsel oder eine Unterbrechung feststellen; jeder nachfolgende Artikel schließt<br />

sich sehr eng an den vorangehenden an, und die progressive Entwicklung vollzieht sich, so<br />

gewaltig sie auch ist, allmählich und völlig logisch.“<br />

Das ist richtig; man müßte nur noch hinzufügen, daß der Artikel über die „Skizzen der<br />

Schlacht bei Borodino“ dem Artikel über die „Ausgewählten Stellen“ hauptsächlich in publizistischer<br />

Beziehung entgegengesetzt war.<br />

1 In dem Brief an Panajew vom 5. Dezember 1842, der gleich nach der Lektüre des „Melchior“ geschrieben wurde,<br />

ruft er aus: „Wir sind Kinder des Glücks – unsere Augen haben das Heil gesehen – und wir sind von unserem<br />

Herrn in Frieden entlassen, wir haben auf unsere Propheten gewartet – und haben sie erkannt, wir haben auf Zeichen<br />

gewartet – und haben sie verstanden“ usw. Das ist wahrhaftig eine Begeisterung, die keine Grenzen kennt.<br />

2 Sein Urteil über Lermontow zeigt so recht, daß seine Begeisterung für den Schriftsteller ihn nicht hinderte, gegen<br />

künstlerische Mängel seiner Werke unnachsichtlich zu sein. So erzählt er in einem seiner Briefe an Botkin, die in<br />

die Zeit von 1842 fallen, wie er sich an „Bojarin Orscha“ berauscht habe: „Es kommen darin ganz schrecklich<br />

schöne Stellen vor, und die Stimmung des Ganzen ist wildschäumende Sinnenlust. Ich kann mir nicht helfen, ich<br />

bin in einem Zustand trunkener Raserei. Solche Verse berauschen mehr als alle Weine.“ Aber im gleichen Jahre<br />

und an denselben Botkin schrieb Belinski, in künstlerischer Beziehung sei „Orscha“ ein kindliches Werk und an<br />

künstlerischem Wert stehe Lermontow nicht nur hinter Puschkin, sondern sogar hinter Maikow in seinen anthologischen<br />

Dichtungen zurück.<br />

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