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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013 Anmerkungen Der Text aller vier Vorlesungen, die diesen Aufsatz bilden und im Jahre 1901 geschrieben wurden, ist erstmals in dem Sammelband „Die Gruppe ‚Befreiung der Arbeit“‘ unter der Redaktion von L. G. Deutsch, Moskau 1926, Heft 4, S. 9-52, im Druck erschienen. Wir drucken hier den Text der Gesamtausgabe der Werke Plechanows, Bd. XXIV, S. 344-380. Varianten sind nicht vorhanden. Diese Vorlesungen sind eine Darlegung der allgemeinen Thesen Plechanows über die materialistische Geschichtsauffassung und seiner grundlegenden Ansichten ihrer Entstehung und Rolle der Kunst. Die Vorlesungen sind gewissermaßen eine Disposition der bekannten Arbeit Plechanows „Über die Entwicklung der monistischen Geschichtsauffassung“ (1895), über deren Bedeutung W. I. Lenin schrieb, daß sich an diesem Buche „eine ganze Generation russischer Marxisten gebildet hat“. Am Schlusse der vierten Vorlesung legt Plechanow in gedrängter Form seine Ansicht über die Entstehung der Kunst, über den Charakter und den Zusammenhang der einzelnen Literaturgattungen mit ihrer Epoche, mit dem Klassenkampf dar. Diese Vorlesungen sind gewissermaßen eine Zusammenfassung der Ansichten, die Plechanow über die Fragen der Kunst in den etwas früher geschriebenen Aufsätzen, wie zum Beispiel in den „Briefen ohne Adresse“ (1899), ausgesprochen hat. 30

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 11.07.2013 [41] Briefe ohne Adresse * Sehr geehrter Herr! Lassen Sie uns über die Kunst sprechen. Erster Brief Bei jeder einigermaßen genauen Untersuchung, welches auch ihr Gegenstand sei, muß man aber eine strenge Terminologie einhalten. Darum müssen wir vor allem feststellen, welchen Begriff wir eigentlich mit dem Worte Kunst verbinden. Anderseits unterliegt es keinem Zweifel, daß es zu einer einigermaßen befriedigenden Definition eines Gegenstandes nur im Ergebnis seiner Untersuchung kommen kann. Es ergibt sich, daß wir etwas bestimmen sollen, was zu bestimmen wir noch nicht imstande sind. Wie soll man aus diesem Widerspruch herauskommen? Ich denke, man kann aus ihm auf folgende Weise herauskommen: ich halte mich zunächst an eine vorläufige Definition; dann ergänze und berichtige ich sie in dem Maße, wie die Frage durch die Untersuchung geklärt wird. An welche Definition soll ich mich nun zunächst halten? Leo Tolstoi führt in seinem Buche „Was ist Kunst?“ eine Menge wie ihm scheint einander widersprechender Definitionen der Kunst an und findet sie alle unbefriedigend. In Wirklichkeit weichen die von ihm angeführten Definitionen bei weitem nicht so voneinander ab und sind bei weitem nicht so falsch, wie es ihm erscheint. Aber geben wir zu, sie seien alle wirklich sehr schlecht, und prüfen wir, ob wir nicht seine eigene Definition der Kunst übernehmen können. „Wie das Wort...“, sagt er, „als Mittel zur Einigung der Menschen dient, so wirkt auch die Kunst. Die Eigentümlichkeit aber dieses Mittels der Gemeinschaft, die es von der Gemeinschaft durch das Wort unterscheidet, besteht darin, daß durch das Wort ein Mensch dem anderen seine Gedanken“ (von mir hervorgehoben) „mitteilt, durch die Kunst aber teilen die Menschen einander ihre Gefühle mit“ (wieder von mir hervorgehoben). 1 Ich will meinerseits einstweilen nur eins bemerken. [42] Nach der Meinung des Grafen Tolstoi drückt die Kunst die Gefühle der Menschen aus, das Wort aber ihre Gedanken. Das ist nicht richtig. Das Wort dient den Menschen nicht nur zum Ausdruck ihrer Gedanken, sondern auch gerade zum Ausdruck ihrer Gefühle. Beweis: die Poesie, als deren Organ gerade das Wort dient. Graf Tolstoi selbst sagt: „In sich das einmal empfundene Gefühl hervorrufen und, nachdem man es in sich hervorgerufen hat, dieses Gefühl durch Bewegungen, Linien, Farben, Töne, Bilder, die durch Worte ausgedrückt sind, so wiederzugeben, daß andere dasselbe Gefühl empfinden – darin besteht die Tätigkeit der Kunst.“ 2 Schon daraus ist ersichtlich, daß man das Wort nicht als ein besonderes, sich von der Kunst unterscheidendes Mittel des Verkehrs zwischen den Menschen betrachten kann. Falsch ist auch, zu sagen, die Kunst drücke nur die Gefühle der Menschen aus. Nein, sie drückt sowohl ihre Gefühle als auch ihre Gedanken aus, aber nicht abstrakt, sondern in lebendigen Bildern. Und darin besteht ihr wichtigstes charakteristisches Merkmal. Nach An- * Anmerkungen zu: Briefe ohne Adresse (S. 41-171) am Ende des Kapitels. 1 [Leo N. Tolstoi, „Was ist Kunst?“, Leipzig 1902, S. 65/66.] 2 Werke des Grafen Tolstoi, Arbeiten der letzten Jahre, Moskau 1898, S. 78. [Tolstoi, „Was ist Kunst?“, S. 69; das ganze Zitat ist im Original hervorgehoben.] 1

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

Anmerkungen<br />

Der Text aller vier Vorlesungen, die diesen Aufsatz bilden und im Jahre 1901 geschrieben<br />

wurden, ist erstmals in dem Sammelband „Die Gruppe ‚Befreiung der Arbeit“‘ unter der Redaktion<br />

von L. G. Deutsch, Moskau 1926, Heft 4, S. 9-52, im Druck <strong>erschien</strong>en. Wir drucken<br />

hier den Text der Gesamtausgabe der Werke Plechanows, Bd. XXIV, S. 344-380. Varianten<br />

sind nicht vorhanden.<br />

Diese Vorlesungen sind eine Darlegung der allgemeinen Thesen Plechanows über die materialistische<br />

Geschichtsauffassung und seiner grundlegenden Ansichten ihrer Entstehung und<br />

Rolle der Kunst. Die Vorlesungen sind gewissermaßen eine Disposition der bekannten Arbeit<br />

Plechanows „Über die Entwicklung der monistischen Geschichtsauffassung“ (1895), über<br />

deren Bedeutung W. I. Lenin schrieb, daß sich an diesem Buche „eine ganze Generation russischer<br />

Marxisten gebildet hat“.<br />

Am Schlusse der vierten Vorlesung legt Plechanow in gedrängter Form seine Ansicht über<br />

die Entstehung der Kunst, über den Charakter und den Zusammenhang der einzelnen Literaturgattungen<br />

mit ihrer Epoche, mit dem Klassenkampf dar.<br />

Diese Vorlesungen sind gewissermaßen eine Zusammenfassung der Ansichten, die<br />

Plechanow über die Fragen der Kunst in den etwas früher geschriebenen Aufsätzen, wie zum<br />

Beispiel in den „Briefen ohne Adresse“ (1899), ausgesprochen hat.<br />

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