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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />

rende Äußerung stammt von Hegel, dem Dialektiker, aber bei Hegel, dem Verkünder der<br />

absoluten Wahrheit, hat man die Sympathie mit solchen Verhältnissen in Deutschland zu<br />

suchen, bei deren Verewigung dort jede gesellschaftliche Entwicklung zum Stillstand gekommen<br />

wäre.<br />

In der Epoche seiner versöhnlerischen Haltung kannte Belinski gerade diesen Hegel, und er<br />

sagte später ganz richtig, daß „er ihm treu [405] war in seinem Empfinden, als er sich mit der<br />

russischen Wirklichkeit abfand“ 1 .<br />

Herr Pypin nimmt an, daß sich Belinski Ende 1842 oder Anfang 1843 „endgültig von der<br />

idealistischen Romantik befreit hat und in seinen Ansichten die kritische Einstellung zur<br />

Wirklichkeit, die historische und gesellschaftliche Betrachtungsweise sich durchzusetzen<br />

beginnt“. Das ist sowohl unbestimmt als auch unrichtig. Wir sagten schon im vorangehenden<br />

Artikel, daß Belinskis Rebellion gegen den „philosophischen Einfaltspinsel“ Hegel durchaus<br />

noch nicht seinen Bruch mit dem philosophischen Idealismus bedeutete. Nach dieser Rebellion<br />

begann sich in seinen Ansichten tatsächlich das historische und gesellschaftliche Element<br />

durchzusetzen. Aber das geschah einzig und allein darum, weil er den „absoluten“ Standpunkt<br />

zugunsten des dialektischen aufgegeben hatte. Da uns jetzt die literarischen Begriffe<br />

Belinskis interessieren, wollen wir an ihnen den Einfluß dieses Übergangs untersuchen.<br />

In der absoluten Epoche seiner philosophischen Entwicklung hat Belinski geglaubt, die Kritik<br />

müsse in den Werken des Dichters das „Allgemeine“ und Notwendige finden, mit dem Zeitlichen<br />

und Zufälligen habe sie aber nichts zu tun. In dem Artikel „Betrachtungen über die russische<br />

Literatur des Jahres 1847“, also kurz vor seinem Tode, sagt er: „... der Dichter muß<br />

nicht das Einzelne und Zufällige zum Ausdruck bringen, sondern das Allgemeine und Notwendige...“<br />

Das ist anscheinend dieselbe Ansicht. Aber diese Ansicht hatte sich wesentlich<br />

geändert durch Aufnahme des dialektischen Elements. Belinski stellt jetzt nicht mehr das<br />

„Allgemeine“ dem „Zeitlichen“ gegenüber und identifiziert nicht das Zeitliche mit dem „Zufälligen“.<br />

Das Allgemeine entwickelt sich in der Zeit, indem es den zeitlichen Erscheinungen<br />

ihren Sinn und ihren Inhalt verleiht. Das Zeitliche ist gerade deshalb notwendig, weil die<br />

[406] dialektische Entwicklung des Allgemeinen notwendig ist. Zufällig ist nur, was für den<br />

Gang dieser Entwicklung keine Bedeutung hat, was in ihr keine Rolle spielt. Wenn man die<br />

Werke Belinskis nur einigermaßen aufmerksam liest, kann man sich leicht davon überzeugen,<br />

daß gerade durch diesen wesentlichen Wandel in seinen philosophischen Ansichten, d. h.<br />

durch die Einführung des dialektischen Elements, fast alle jene Veränderungen bedingt werden,<br />

die sich in seinen literarischen Ansichten nach dem Bruch mit Hegel vollzogen haben.<br />

Nachdem er den absoluten Standpunkt aufgegeben hatte, begann er von der historischen<br />

Entwicklung der Kunst eine andre Ansicht zu haben als früher.<br />

„Nichts erscheint plötzlich, nichts entsteht fertig“, sagt er in dem Artikel über Dershawin;<br />

„sondern alles, was die Idee zu seinem Ausgangspunkt hat, alles entwickelt sich in Momenten,<br />

bewegt sich dialektisch, indem es von einer niederen Stufe zu einer höheren übergeht.<br />

1 Als streng logisch denkendem Menschen mußten Belinski jene einzelnen Widersprüche auffallen, in die Hegel<br />

infolge des angegebenen Grundwiderspruchs geriet. Er löste diese Widersprüche, indem er die „absolute“ Tendenz<br />

seines Lehrers bis zur äußersten Schlußfolgerung weiterführte. Wer glaubt, Belinski habe, indem er sich dem Einfluß<br />

Hegels unterstellte, jede Selbständigkeit in seinem Denken aufgegeben, unterliegt einem schweren Irrtum. In<br />

einem seiner Briefe des Jahres 1838 sagt er: „Wo es um die Kunst geht und besonders um ihr unmittelbares Verständnis,...<br />

bin ich kühn und wagemutig, und meine Kühnheit und mein Wagemut gehen... so weit, daß auch die<br />

Autorität Hegels selbst ihnen keine Grenze setzt... Ich habe Verständnis für die mystische Verehrung des Schülers<br />

seinem Lehrer gegenüber, aber ich halte mich, da ich kein Schüler im vollen Sinne des Wortes bin, nicht für verpflichtet,<br />

die Rolle eines Seïds zu spielen. Ich habe eine tiefe Verehrung für Hegel und seine Philosophie, aber das<br />

hindert mich nicht zu glauben...‚ daß noch nicht alle Urteile in ihrem Namen unantastbar heilig und unabänderlich<br />

sind.“ [Brief an M. Bakunin vom Oktober 1838.]<br />

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