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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />

lassen, ist in ihren Darstellungen auch keinerlei Wert, Wahrscheinlichkeit und Wahrheit, um<br />

so mehr, als sie das menschliche Herz ab-[396]sichtlich schlechtmachen. Auch bei Shakespeare<br />

kommen diese Seiten des Lebens vor, die die zügellose Literatur so ausschließlich<br />

aufgreift, aber bei ihm beleidigen sie weder das ästhetische noch das moralische Empfinden,<br />

weil bei ihm zugleich damit auch die entgegengesetzten Seiten in Erscheinung treten, und<br />

hauptsächlich deshalb, weil er nichts auseinandersetzen und beweisen will, sondern das Leben<br />

so darstellt, wie es ist.“<br />

Noch ein weiterer Auszug, diesmal aus dem Artikel über „Verstand schafft Leiden“: „Poesie<br />

ist Wahrheit in der Form der Betrachtung; ihre Schöpfungen sind Ideen, die Gestalt angenommen<br />

haben, sichtbare, anschauliche Ideen. Folglich ist die Poesie dasselbe wie die Philosophie,<br />

dasselbe wie das Denken; denn sie hat denselben Inhalt, nämlich die absolute Wahrheit,<br />

jedoch nicht in Form der dialektischen Entwicklung der Idee aus sich selbst, sondern in<br />

Form der unmittelbaren Erscheinung der Idee im Bilde. Der Dichter denkt in Bildern; er beweist<br />

die Wahrheit nicht, er zeigt sie. Aber die Poesie hat keinen Zweck außer sich – sie ist<br />

sich selbst Zweck; folglich ist das dichterische Bild nicht irgend etwas für den Dichter Äußerliches<br />

oder Sekundäres, es ist nicht Mittel, sondern es ist Zweck: sonst wäre es kein Bild,<br />

sondern ein Symbol. Der Dichter hat Bilder vor sich und nicht die Idee, die er hinter den Bildern<br />

nicht sieht und die, wenn die Dichtung fertig ist, für den Denker erfaßbarer ist als für<br />

den Dichter selbst. Deshalb nimmt sich der Dichter niemals vor, diese oder jene Idee zu entwickeln,<br />

stellt er sich niemals eine Aufgabe; unbewußt und ohne seinen Willen tauchen in<br />

seiner Phantasie Bilder auf, und, bezaubert von ihrer Schönheit, strebt er aus dem Reich der<br />

Ideale nach der Möglichkeit einer Übertragung in die Wirklichkeit, d. h. danach, das ihm allein<br />

Sichtbare allen sichtbar werden zu lassen. Die höchste Wirklichkeit ist die Wahrheit; und<br />

da der Inhalt der Poesie die Wahrheit ist, sind auch die Werke der Dichtkunst die höchste<br />

Wirklichkeit. Der Dichter verschönert nicht die Wirklichkeit, er stellt die Menschen nicht dar,<br />

wie sie sein sollen, sondern wie sie sind.“<br />

Jetzt haben wir der Auszüge genug; sehen wir, was sie uns zeigen.<br />

Wenn wir uns nicht irren, so zeigen sie erstens, daß Belinski in der Periode seiner Schwärmerei<br />

für die Hegelsche Philosophie wirklich Anhänger der sogenannten Theorie der Kunst für<br />

die Kunst war.<br />

Sie zeigen zweitens, daß Herr Polewoi, ganz ohne jegliche Begründung, dem sich mit der<br />

Wirklichkeit abfindenden Belinski eine ausschließliche Vorliebe für die „Poesie der Form“<br />

und eine „ablehnende Haltung gegenüber der Poesie des Inhalts“ zuschrieb.<br />

Sie zeigen drittens, daß sich der mit der Wirklichkeit versöhnte Belinski gegen die subjektive<br />

Methode (wie man bei uns jetzt sagen würde) in der [397] Literaturkritik sehr geringschätzig<br />

verhielt und fest an die Möglichkeit glaubte, eine objektive Grundlage für sie zu finden.<br />

Sie zeigen, viertens, auch noch etwas anderes, aber sie zeigen es nicht völlig klar, und<br />

deshalb wollen wir dieses gewisse Etwas solange außer acht lassen, bis es in einem der folgenden<br />

Kapitel von selbst zutage tritt. Jetzt wollen wir nun sehen, wo unser Kritiker die objektive<br />

Grundlage für die Würdigung von Kunstwerken gesucht hat.<br />

II<br />

In dieser Hinsicht ist äußerst lehrreich ein unvollendeter Artikel Belinskis über Fonwisin und<br />

Sagoskin, der bereits im „Moskowski Nabljudatel“ vom Jahre 1838 abgedruckt wurde.<br />

Belinski greift dort die französische Kritik an. „Für die Franzosen“, sagt er, „ist das Werk des<br />

Schriftstellers nicht der Ausdruck seines Geistes, die Frucht seines Innenlebens; nein, es ist<br />

3

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