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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />

Bastard von Dichtkunst und Beredsamkeit sei, schloß er aus dem Bereiche der Dichtkunst<br />

auch alle jene Werke aus, in denen er seitens der Dichter eine leidenschaftliche Stellungnahme<br />

zu den lebendigen Fragen des gesellschaftlichen Lebens beobachtete. Von diesem Standpunkt<br />

aus wandte sich Belinski mit besonderer Bosheit und Erbitterung gegen die zeitgenössische<br />

französische Literatur und damit zugleich auch gegen die französische Nationalität<br />

selbst.“<br />

Das ist fast dasselbe, was Panajew gesagt hat.<br />

Nach der Meinung des Herrn Polewoi bedeutete Belinskis Auflehnung gegen Hegel und die<br />

„vernünftige Wirklichkeit“ eine ganze Umwälzung in den ästhetischen Begriffen Belinskis.<br />

Diese Meinung ergibt sich ganz logisch aus der von uns angeführten Ansicht Panajews über<br />

die „traurige Periode“ im literarischen Schaffen Belinskis. Und aus dieser Meinung ergibt<br />

sich, wiederum vollkommen logisch, die Schlußfolgerung, daß die Begeisterung für die Hegelsche<br />

Philosophie unserem genialen Kritiker nichts als Schaden gebracht hat.<br />

Aber verhält sich das alles wirklich so? Trifft es zu, daß sich die Begeisterung für Hegel<br />

schädlich auf die Entwicklung der ästhetischen und überhaupt der literarischen Ansichten<br />

Belinskis ausgewirkt hat?<br />

Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, wird es nützlich sein, [395] uns zu erinnern, welches<br />

die ästhetischen Auffassungen Belinskis in der Epoche seiner vollen Aussöhnung mit<br />

der Wirklichkeit waren, d. h. zu der Zeit, da er den Artikel „Skizzen der Schlacht bei Borodino“<br />

schrieb.<br />

Am Schlusse dieses Artikels findet sich folgende überaus interessante und lehrreiche Stelle:<br />

„Wir glauben und sind überzeugt, daß in unserer Literatur die Zeit der unwillkürlichen Ausrufe<br />

mit den ‚Achs‘ und Ausrufezeichen und Punkten zum Ausdruck tiefer Ideen ohne jeglichen<br />

Sinn bereits zu Ende geht; daß bereits zu Ende geht die Zeit der großen Wahrheiten, die<br />

mit diktatorischer Wichtigkeit ausgesprochen werden und sich auf nichts gründen und durch<br />

nichts erhärtet werden außer durch die persönliche Meinung und die willkürlichen Auffassungen<br />

des vermeintlichen Denkers. Das Publikum verlangt jetzt nicht nach Meinungen, sondern<br />

nach Denken. Die Meinung ist eine willkürliche Auffassung, der die sprichwörtliche<br />

Redewendung zugrunde liegt: ‚es scheint nur so‘; was hat denn das Publikum damit zu tun,<br />

was und wie es diesem oder jenem Herrn zu sein scheint?... Zudem erscheint ein und derselbe<br />

Gegenstand dem einen so und einem anderen anders und meistens ganz umgekehrt. Die Frage<br />

ist nicht die, wie einem etwas erscheint, sondern wie es tatsächlich ist, und diese Frage ist<br />

nicht durch eine Meinung zu entscheiden, sondern durch das Denken. Die Meinung stützt<br />

sich auf die zufällige Überzeugung einer zufälligen Persönlichkeit, an der niemand etwas<br />

gelegen ist und die an und für sich etwas sehr Unwichtiges ist; das Denken stützt sich auf sich<br />

selbst, auf die eigene innere Entwicklung aus sich selbst, nach den Gesetzen der Logik.“<br />

In dem Artikel „Menzel, ein Goethe-Kritiker“ lesen wir: „Die Kunst ist die Wiedergabe der<br />

Wirklichkeit; folglich ist es ihre Aufgabe, die Wirklichkeit nicht zu verbessern und nicht zu<br />

verschönern, sondern sie so darzustellen, wie sie tatsächlich ist. Nur unter dieser Voraussetzung<br />

sind Poesie und Sittlichkeit identisch. Die Werke der zügellosen französischen Literatur<br />

sind nicht deshalb unmoralisch, weil sie die widerlichen Darstellungen des Ehebruchs, der<br />

Blutschande, des Vatermords und der Kindestötung bringen, sondern deshalb, weil sie bei<br />

diesen Darstellungen mit besonderer Vorliebe verweilen und ausschließlich diese wählen,<br />

indem sie von der Fülle und Ganzheit des Lebens diese Seiten, die in Wirklichkeit ein Attribut<br />

sind, abstrahieren. Da sich aber die literarischen Sansculotten bei dieser Auswahl, die<br />

allein schon wegen ihrer Einseitigkeit falsch ist, nicht von den Forderungen der Kunst, die für<br />

sich selbst besteht, sondern von der Bestätigung ihrer persönlichen Überzeugungen leiten<br />

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