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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />

[393]<br />

II. Russische Literatur<br />

Die literarischen Ansichten W. G. Belinskis *<br />

I.<br />

Wie wirkte sich Belinskis Versöhnlertum gegenüber der „vernünftigen Wirklichkeit“ auf seine<br />

literarischen Ansichten aus?<br />

„Begeistert von B–ns Auslegungen der Hegelschen Philosophie, daß ‚alles Wirkliche vernünftig<br />

ist‘, predigte Belinski Versöhnlichkeit im Leben und in der Kunst“, sagt Panajew. „Er<br />

ging so weit (das Extreme lag in seiner Natur), daß jeder gesellschaftliche Protest ihm als<br />

Verbrechen <strong>erschien</strong>... Er äußerte sich verächtlich über die französischen Enzyklopädisten<br />

des 18. Jahrhunderts, über die Kritiker, die die Theorie der ‚Kunst für die Kunst‘ nicht anerkannten,<br />

über die Schriftsteller, die ein neues Leben, gesellschaftliche Erneuerung anstrebten.<br />

Er äußerte sich mit besonderer Entrüstung und Erbitterung über George Sand. Die Kunst galt<br />

ihm als etwas wie eine höhere, besondere Welt, die, in sich selbst abgeschlossen, nur mit<br />

ewigen Wahrheiten sich befaßt und in keinerlei Beziehung steht zu dem Zank und Hader und<br />

den kleinlichen Dingen unseres Lebens, zu jener niederen Welt, in der wir uns bewegen. Für<br />

wahre Künstler hielt er nur die, die unbewußt schufen. Zu diesen wurden Homer, Shakespeare<br />

und Goethe gerechnet... Schiller fügte sich nicht in diese Betrachtungsweise ein, und<br />

Belinski, der einst für ihn geschwärmt, erkaltete ihm gegenüber, je tiefer er von seiner eigenen<br />

neuen Theorie durchdrungen wurde. In Schiller fand er nicht jene Gelassenheit, die eine<br />

unerläßliche Bedingung freien Schaffens war... Belinskis klarer Blick verdüsterte sich mehr<br />

und mehr, das ihm angeborene ästhetische Empfinden wurde unterdrückt durch eine unerbittliche<br />

Theorie. Belinski verstrickte sich unversehens in ihren Netzen.“<br />

Indem Herr Pypin dieses Bruchstück aus den Erinnerungen Panajews anführt, beschränkte er<br />

sich auf die lakonische Bemerkung: „Einen Ausweg aus dieser Lage fand Belinski erst in<br />

Petersburg.“ Somit hat unser ehrwürdiger Gelehrter die Ansicht Panajews über die Bedeutung<br />

der versöhnlerischen Bestrebungen in der Entwicklungsgeschichte der literarischen Anschauungen<br />

Belinskis ohne alle Einschränkungen übernom-[394]men. Diese Ansicht ist jetzt sehr<br />

weit verbreitet. Man kann sagen, sie hat auch in die Lehrbücher Eingang gefunden. So lesen<br />

wir zum Beispiel in der „Geschichte der russischen Literatur“ des Herrn P. Polewoi:<br />

„Diese Schaffensperiode Belinskis, von 1838 bis 1841, stellt die traurigsten und unfruchtbarsten<br />

Jahre seiner literarischen Laufbahn dar. Allerdings hat er der russischen Literatur auch in<br />

dieser Periode einen Dienst erwiesen, indem er das Publikum mit der Hegelschen Philosophie<br />

bekannt machte, aber gleichzeitig hat er, indem er sich diese Philosophie auf äußerst einseitige<br />

Art, in buchstabenmäßiger, abstrakter Weise aneignete, auch in die ästhetischen Begriffe<br />

eine einseitige und exklusive Auffassung hineingebracht. Gestützt auf die These, der wahrhaft<br />

vernünftige Mensch müsse alle Unbilden des Lebens leidenschaftslos und gelassen hinnehmen<br />

und in seinem Verstande, eingedenk dessen, daß alles Wirkliche vernünftig sei, alle<br />

Widersprüche ausgleichen, gelangte Belinski zu der Ansicht, nur solche Werke seien wahrhaft<br />

künstlerisch, in denen er eine objektive, olympische, gelassene Betrachtung des Lebens<br />

sehe... Indem Belinski forderte, daß die Dichtkunst in leidenschaftsloser Betrachtung des Lebens<br />

ganz für sich allein bestehen und sich um nichts weiter kümmern solle als um das<br />

Künstlerische ihrer Formen, nachdem er erklärt hatte, daß wahre Dichtkunst eine Dichtkunst<br />

der Form, die Dichtkunst des Inhalts aber, so hohe Ideen sie auch in sich enthalten möge, ein<br />

* Hinweis zu: Die literarischen Ansichten Belinskis (S. 393-446) am Ende des Kapitels.<br />

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