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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />

Element in der Entwicklung des gesellschaftlichen Bewußtseins auf dem historischen Schauplatz<br />

Frankreichs der dritte Stand, die Bourgeoisie, <strong>erschien</strong>, die im 17. Jahrhundert noch<br />

nicht in Erscheinung getreten war. Das ist eine sehr interess[ante] und aufschlußreiche Anschauung.<br />

Wir wollen bei ihr länger verweilen.<br />

Brunetière sagt: die Bourgeoisie konnte sich nicht damit abfinden, daß auf der Bühne immer<br />

nur Kaiser und Könige dargestellt wurden. Ist das richtig? Bemühen wir uns, die Psychologie<br />

der Anhänger du drame [384] bourgeois kennenzulernen. Beaumarchais. Auszug. 1 Hier wird<br />

gegen die Auswahl der handelnden Personen protestiert; aber bei ihm ist auch der Protest<br />

dagegen zu vernehmen, daß die Helden aus der griechisch-römischen Welt genommen werden.<br />

Auch damit müssen wir uns eingehender befassen.<br />

Die Nachahmung der Antike in der Epoche der Renaissance ist die Reaktion gegen den alten<br />

Feudalismus mit seinen Ideologien. Diese Schwärmerei aus der Renaissance hat auch auf das<br />

Zeitalter Ludwigs XIV. übergegriffen. Hier hat man nicht das republikanische Zeitalter des<br />

Perikles nachgeahmt, sondern das monarchische augustinische Zeitalter. Das Zeitalter Ludwigs<br />

XIV. hat man mit Vorliebe mit dem goldenen Zeitalter des Augustus verglichen. Als<br />

sich die Bourgeoisie gegen die absolute Ständemonarchie wandte, begann sie eine sehr skeptische<br />

Stellung gegen die Auswahl der Stoffe aus der antiken Welt einzunehmen. Wiederum<br />

Beaumarchais. Auszug. 2 Im Bürgerdrama ist der Held der damalige Bürger ähnlich wie auch<br />

im Drama und in der Komödie unserer Zeit. Der Stammvater des Bürgerdramas ist Nivelle de<br />

La Chaussée. Um 1750 hat sich dieses Genre bereits eingebürgert. Diderot: Le fils naturel,<br />

1757; Le père de famille, 1758. Er fordert die Darstellung nicht von Charakteren, sondern<br />

von Zuständen, namentlich von gesellschaftlichen Zuständen. Man hielt ihm entgegen: was<br />

ist le négociant en soi? Le juge en soi? N’est-on pas obligé de donner à la profession le support<br />

du caractère? [(Man hielt ihm entgegen: was ist) der Kaufmann an sich? Der Richter an<br />

sich? Muß man nicht den Beruf durch den Charakter stützen?] Aber die Sache ist die, daß es<br />

sich nicht um den juge en soi handeln dürfte, sondern um den damaligen juge, nicht um den<br />

négociant en soi, sondern um [385] den damaligen Kaufmann. Die Prosa tritt an die Stelle der<br />

Verse. Moral: Reaktion gegen die höfische Sittenverwilderung.<br />

Als Schöpfung der Aristokratie hatte die Tragödie die ungeteilte und unbestrittene Herrschaft,<br />

solange die Herrschaft der Aristokratie ungeteilt und unbestritten war (in den Grenzen, die ihr<br />

von der Ständemonarchie gezogen waren, die selbst das Ergebnis des Klassenkampfes ist –<br />

siehe Aug. Thierry, Essai sur l’histoire du Tiers Etat). Aber im 18. Jahrh[undert] treten, um<br />

mit Marx zu reden, die Produktivkräfte in Widerspruch zu den Produktionsverhältnissen.<br />

1 Wir bringen den Auszug, der von G. W. Plechanow auf einem besonderen nicht numerierten Blatt mit Verweisung<br />

auf S. 5 gemacht wurde:<br />

Beaumarchais<br />

Notiz über die Komödie<br />

Er wendet sich dagegen, daß die Tragödie nur Könige als handelnde Personen auftreten läßt. Er ruft ironisch<br />

aus: Menschen des Mittelstandes niedergeschlagen und im Unglück darstellen: Fi donc! [Pfui!] Die darf man nie<br />

anders als verhöhnt zeigen. Lächerliche Bürger und unglückliche Könige: das ist das ganze bestehende und<br />

mögliche Theater. Lettre sur la critique du „Barbier de Séville“. Red. L. N.<br />

2 Wir bringen den Auszug G. W. Plechanows mit dem Vermerk: zu S. 6:<br />

Beaumarchais. 2. Auszug:<br />

„Was gehen mich, den friedlichen Untertan eines monarchischen Staates des 18. Jahrhunderts, die Revolutionen<br />

Athens und Roms an? Welches Interesse kann ich für den Tod eines peloponnesischen Tyrannen, für die Opferung<br />

einer jungen Königstochter in Aulis aufbringen?“ (Anspielung auf die Iphigenie in Aulis von Racine.)<br />

„Alles das hat mir nichts zu bedeuten, keine Moral, die mir ansteht“ (Essais sur le genre dramatique sérieux“;<br />

Œuvres, I, II). Red. L. N.<br />

G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 41

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