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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013 Derselbe Geschmack trat zum Beispiel auch bei der Anlage der Gärten in Erscheinung. In dieser Beziehung will ich Sie an einen Gedanken Taines erinnern, der von ihm in einem seiner ersten Werke, nämlich in „Voyage aux Pyrènées“, ausgesprochen wurde und den er leider nicht in seinem ganzen Umfange entwickelt hat. Taine sagt, daß les choses nous plaisent par contraste et que pour les âmes différentes, les choses belles sont différentes. [(Taine sagt, daß) uns die Dinge durch den Kontrast gefallen und daß die schönen Dinge von unterschiedlichen Gemütern verschieden bewertet werden.] Er erläutert diesen Gedanken mit folgenden Worten: wer immer gerade stehen muß, findet, die sitzende Lage sei besser als alle anderen. Wie findet nun dieser Gedanke Anwendung auf die Erklärung der Vorliebe der französischen Aristokraten für die Gärten von Le Nôtre? In folgender Weise: uns gefällt die ungeschminkte und nicht zurechtgestutzte Natur, weil wir Kinder der Städte sind, wo diese Natur nicht vorhanden ist. Wir lieben sie wegen des Kontrastes. Sie aber, nachdem sie soeben aus der mittelalterlichen Barbarei und den Entbehrungen der ständigen Kriege herausgetreten waren, mußten diese Natur durchaus nicht interessant finden; mit der Vorstellung von ihr verband sich bei ihnen die Vorstellung von den Entbehrungen, und dabei nul jardin n’est mieux fait pour se montrer en grand costume et en grande compagnie pour faire la révérence, pour causer, pour nouer des intrigues, des galanteri[es] et d’affaires . [(... und dabei) eignet sich kein Garten besser dazu, sich in großer Aufmachung und in großer Gesellschaft in ihm zu zeigen, jemandem seine Aufwartung zu machen, zu plaudern und Intrigen, Liebesabenteuer und Geschäfte abzuwickeln.] Varianten zu einzelnen Stellen des ersten Vortrages Variante zu S. 10 Das Gebiet der Kunst ist sehr umfangreich. Ihre Geschichte umfaßt den ganzen ungeheuren Zeitraum, der sich von den niedrigsten (uns bekannten) Entwicklungsstufen bis in unsere Tage hinein erstreckt. Selbstverständlich können wir den ganzen Komplex dieses Materials nicht im Laufe eines Abends bewältigen. Man muß eine Auswahl treffen. Wie soll man sie treffen? Wobei soll man verweilen? Ich denke, es wird am besten sein, erstens nur einige Zweige der Kunst zu wählen: zum Beispiel die Dichtkunst und Malerei, und zweitens nur einige Epochen in der Entwicklung dieser zwei Künste zu untersuchen. Wenn ich mit dem Mater[ial] auf diesem beschränkten Gebiet fertigwerden kann, wird meinen Zuhörern wenig-[375]stens klar sein, welchen Weg ich beim Studium der Erscheinungen auf anderen Gebieten der Kunst und in anderen Epochen ihrer Entwicklung gegangen wäre. Welche Epochen soll ich nun wählen? Erstens die Epoche der ersten Entwicklungsstufe, das, was ein deutscher Gelehrter 1 als Anfänge der Kunst bezeichnet; und zweitens werde ich die Geschichte der französischen Kunst in der Epoche untersuchen, die sich von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Aufkommen der sogenannten Romantik erstreckt. In der Urgesellschaft gibt es keine Klassen. Dort wird der unmittelbare Einfluß des Zustandes eben der Produkt[iv]kräfte auf die Kunst am deutlichsten sichtbar. In Frankreich gab es im 17. Jahrhundert nicht nur Klassen, sondern es war auch ein sehr starker Klassenkampf im Gange. Im ersten Falle werden wir den unmittelbaren Einfluß der Produktivkräfte auf die Kunst sehen; im zweiten Falle – ihren mittelbaren Einfluß, d. h. den Einfluß mittels des Klassenkampfes und überhaupt der sozialen und politischen Verhältnisse. Variante zu S. 24 Epos. Man sagt, der Anfang der Dichtkunst sei das Epos. Die griechische Dichtkunst hat damit begonnen: Die Ilias, die Odyssee. Aber das ist nur die uns bekannte Dichtkunst der Griechen. Sie ist durchaus keine primitive Dichtkunst. In der wirklich primitiven Dichtkunst hat das Epos keine so hervorragende Bedeutung. Die epi- [schen] Erzählungen der Eskimos besingen Tapferkeit, Mut und Ausdauer. Die Eskimosage: Kagzakzuk. Als er die Bären in großer Zahl erlegt hatte, nahm er Rache: er tötete oder verstümmelte alle seine Feinde; nur die Armen schonte er, weil die Armen auch ihn geschont hatten, als er schwach und arm war. 1 Ernst Grosse. Die Red. G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 34

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013 Widerspiegelung des beginnenden Klassenkampfes. Drama. Bei den Alëuten. 256. 1 Bei den Australiern. 256. 2 Das letztere bringt schon die Einstellung gegenüber den Weißen zum Ausdruck. ERSTER VORTRAG (2. Fassung) 1. Abend, 2. Hälfte 2 Einführung. Notwendigkeit einer festen Terminologie. Was ist mater[ialistische] Geschichtsauffassung? Und was ist Kunst? Mater[ialistische] Geschichtsauff[assung]. Methode der Erklärung aus dem Gegensatz. Idealist[ische] Geschichtsauffassung. Sie besteht in der Überzeugung, daß die Entwicklung des Wissens und überhaupt des Denkens die letzte und am weitesten zurücklieg[ende] Urs[ache] des Fortschritts sei. 18. Jahrhundert. Greift auch [376] ins 19. über. Auguste Comte. Saint-Simon. Seine Ansichten über die Entstehung der gesellschaftlichpolit[ischen] Ordnung des alten Griechenlands. Das religiöse System dient als Grundlage des politischen Systems. Beweis: Der Olymp ist eine Republik. Die Grundlage des relig[iösen] Systems ist die Gesamtheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse, das wissenschaftliche Weltsystem. Die andere, deutsche Abart des Idealismus. Der absolute Idealismus Hegels. Entwicklung der absoluten Idee als letzte Ursache der historisch[en] Entwicklung. Sowohl hier wie dort bedingen die Gesetze des Denkens den Gang der Gesch[ichte]. Der Standpunkt des Materialismus ist dem diametral entgegengesetzt. Marx. Das Ideelle ist die Widerspiegelung des Materiellen. Auszug aus dem Vorwort zu dem Buche „Zur Kritik d[er] p[olitischen] Ök[onomie]“. Ein Mater[ialist] würde sagen, das relig[iöse] System der Griechen ist der Abklatsch ihrer gesellsch[aftlichen] Verhältnisse. Und die gesellsch[aftlichen] Verhältnisse gründen sich auf die Ökonomie, die sich selbst veränd[ert] mit der Veränd[erung] der Produkt[iv]kräfte, der Art der Produktion und des. Austauschs. Nicht das Bewußtsein das Sein, sondern das Sein das Bewußtsein. Kunst. Tolstoi führt eine Menge widersprechender Definitionen an. Massenhafte Widersprüche. Sie rühren davon her, daß die, welche eine Definition geben, bemüht sind zu bestimmen, was die Kunst sein muß, und nicht, was sie ist. Nehmen wir die Definition von Tolstoi. Ist sie richtig? Wir wollen zunächst eine Einschränkung machen. Die Kunst drückt die Gefühle aus; das Wort – die Gedanken. Das ist sehr ungenau. Das Organ der Dichtkunst ist die Sprache, das Wort. Es hält der Kritik nicht stand, wenn man die Kunst dem Wort gegenüberstellt. Die Kunst drückt die Gefühle und Ansichten in Bildern aus, und die Wissenschaft bringt die Gedanken in abstrakten Begriffen zum Ausdruck. Sowie wir diese notwendige Berichtigung gemacht haben, sehen wir, daß sich Tolstois Definition nahe mit der Definition Hegels berührt. Der Gegenstand der Philosophie und der Kunst ist der gleiche, sagte Hegel; nur erscheint in der Philosophie die Idee in ihrer reinen Form, und in der Kunst – in bildlicher Form. Aber wir wollen weitergehen. Tolstoi sagt. Auszug. 3 Daraus ist unter anderem ersichtlich, daß die Kunst es nicht allein mit dem Gefühl, sondern auch mit dem Bewußtsein zu tun hat. Wie dem auch sein mag, wir übernehmen diesen Gedanken Tolstois, der die notwendige Ergänzung zu seiner Defin[ition] bildet, und wollen zur Überprüfung dieser Definition übergehen. Wie werden wir die Richtigkeit nachprüfen? Durch die Tatsachen. Woher werden wir die Tatsachen nehmen? Natürlich aus der Geschichte der Kunst. An zwei Abenden die ganze Geschichte der Kunst darzulegen, ist unmöglich. Man muß eine Auswahl treffen. Ich werde verweilen: 1. bei der Kunst der Jägerstämme; 2. bei der französischen Kunst von Ludwig XIV. bis zur Epoche der Romantik. Weshalb? Der Jägerstamm steht auf der 1. Entwicklungsstufe der Produktivkräfte. Hier gibt es keine Klassen. In Frankreich haben wir es mit einer zivilisierten Gesellschaft zu tun, a) deren Kunst gewaltigen Einfluß auf die Kunst der anderen Völker hatte; b) Klassenkampf. Die Jägerstämme. Besser als die anderen sind die australischen Stämme bekannt. Wir werden uns meistens mit ihnen befassen (die anderen: die Buschmänner, Eskimos. Minkopies, die Bewohner der Andamanen). Hegel hat gesagt: die Baukunst ist die historisch erste Kunst: sie erscheint vor den anderen. Für ihn war es so. Bei ihm nahm die Geschichte der Kunst im Osten ihren Anfang: Indien, Persien, Ägypten. Aber die Jägerstämme haben keine Wohnstätten; Wohnstätten gibt es nur bei den Jägern des Nordens, zum Beisp[iel] bei den Eskimos, aber auch dort kann von [377] Architektur als Kunst keine Rede sein. Bei uns ist die wichtigste Kunst – die Dichtkunst. Aber die Dichtkunst gelangte zu solcher Bedeutung erst seit der Erfindung der Buch- 1 Die Zahl 256 gibt die Seiten der Aufzeichnungen über die Reise um die Welt von Admiral Iw. F. Krusenstern (1770-1846) in der Petersburger Ausgabe 1809-1812 an; siehe S. 342 und 379 im vorliegenden Band. Die Red. 2 Überschrift von G. W. Plechanow. Die Red. 3 Siehe die Definition der Kunst von Tolstoi auf Seite 360/361. Die Red. G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 35

OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />

Derselbe Geschmack trat zum Beispiel auch bei der Anlage der Gärten in Erscheinung. In dieser<br />

Beziehung will ich Sie an einen Gedanken Taines erinnern, der von ihm in einem seiner<br />

ersten Werke, nämlich in „Voyage aux Pyrènées“, ausgesprochen wurde und den er leider nicht<br />

in seinem ganzen Umfange entwickelt hat. Taine sagt, daß les choses nous plaisent par contraste<br />

et que pour les âmes différentes, les choses belles sont différentes. [(Taine sagt, daß) uns die<br />

Dinge durch den Kontrast gefallen und daß die schönen Dinge von unterschiedlichen Gemütern<br />

verschieden bewertet werden.] Er erläutert diesen Gedanken mit folgenden Worten: wer<br />

immer gerade stehen muß, findet, die sitzende Lage sei besser als alle anderen. Wie findet nun<br />

dieser Gedanke Anwendung auf die Erklärung der Vorliebe der französischen Aristokraten für<br />

die Gärten von Le Nôtre? In folgender Weise: uns gefällt die ungeschminkte und nicht zurechtgestutzte<br />

Natur, weil wir Kinder der Städte sind, wo diese Natur nicht vorhanden ist. Wir lieben<br />

sie wegen des Kontrastes. Sie aber, nachdem sie soeben aus der mittelalterlichen Barbarei und<br />

den Entbehrungen der ständigen Kriege herausgetreten waren, mußten diese Natur durchaus<br />

nicht interessant finden; mit der Vorstellung von ihr verband sich bei ihnen die Vorstellung von<br />

den Entbehrungen, und dabei nul jardin n’est mieux fait pour se montrer en grand costume et<br />

en grande compagnie pour faire la révérence, pour causer, pour nouer des intrigues, des galanteri[es]<br />

et d’affaires . [(... und dabei) eignet sich kein Garten besser dazu, sich in großer Aufmachung<br />

und in großer Gesellschaft in ihm zu zeigen, jemandem seine Aufwartung zu machen, zu<br />

plaudern und Intrigen, Liebesabenteuer und Geschäfte abzuwickeln.]<br />

Varianten zu einzelnen Stellen des ersten Vortrages<br />

Variante zu S. 10<br />

Das Gebiet der Kunst ist sehr umfangreich. Ihre Geschichte umfaßt den ganzen ungeheuren Zeitraum, der sich<br />

von den niedrigsten (uns bekannten) Entwicklungsstufen bis in unsere Tage hinein erstreckt. Selbstverständlich<br />

können wir den ganzen Komplex dieses Materials nicht im Laufe eines Abends bewältigen. Man muß eine<br />

Auswahl treffen. Wie soll man sie treffen? Wobei soll man verweilen?<br />

Ich denke, es wird am besten sein, erstens nur einige Zweige der Kunst zu wählen: zum Beispiel die Dichtkunst<br />

und Malerei, und zweitens nur einige Epochen in der Entwicklung dieser zwei Künste zu untersuchen. Wenn ich<br />

mit dem Mater[ial] auf diesem beschränkten Gebiet fertigwerden kann, wird meinen Zuhörern wenig-[375]stens<br />

klar sein, welchen Weg ich beim Studium der Erscheinungen auf anderen Gebieten der Kunst und in anderen<br />

Epochen ihrer Entwicklung gegangen wäre.<br />

Welche Epochen soll ich nun wählen? Erstens die Epoche der ersten Entwicklungsstufe, das, was ein deutscher<br />

Gelehrter 1 als Anfänge der Kunst bezeichnet; und zweitens werde ich die Geschichte der französischen Kunst<br />

in der Epoche untersuchen, die sich von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Aufkommen der sogenannten<br />

Romantik erstreckt.<br />

In der Urgesellschaft gibt es keine Klassen. Dort wird der unmittelbare Einfluß des Zustandes eben der Produkt[iv]kräfte<br />

auf die Kunst am deutlichsten sichtbar. In Frankreich gab es im 17. Jahrhundert nicht nur Klassen,<br />

sondern es war auch ein sehr starker Klassenkampf im Gange.<br />

Im ersten Falle werden wir den unmittelbaren Einfluß der Produktivkräfte auf die Kunst sehen; im zweiten Falle<br />

– ihren mittelbaren Einfluß, d. h. den Einfluß mittels des Klassenkampfes und überhaupt der sozialen und politischen<br />

Verhältnisse.<br />

Variante zu S. 24<br />

Epos. Man sagt, der Anfang der Dichtkunst sei das Epos. Die griechische Dichtkunst hat damit begonnen: Die<br />

Ilias, die Odyssee. Aber das ist nur die uns bekannte Dichtkunst der Griechen. Sie ist durchaus keine primitive<br />

Dichtkunst. In der wirklich primitiven Dichtkunst hat das Epos keine so hervorragende Bedeutung. Die epi-<br />

[schen] Erzählungen der Eskimos besingen Tapferkeit, Mut und Ausdauer. Die Eskimosage: Kagzakzuk. Als er<br />

die Bären in großer Zahl erlegt hatte, nahm er Rache: er tötete oder verstümmelte alle seine Feinde; nur die<br />

Armen schonte er, weil die Armen auch ihn geschont hatten, als er schwach und arm war.<br />

1 Ernst Grosse. Die Red.<br />

G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 34

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