erschien nennen menschenähnlichen
Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig
OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013 lungen besingen gewöhnlich Tapferkeit, Mut und Ausdauer. Eskimosage über Kagzakzuk. Er war ein [368] armer Mensch und hatte viel unter seinen reichen Stammesgenossen zu leiden. Einmal kam ein Geist in Gestalt eines Wolfes und schlug ihn, nachdem er seinen Schweif um ihn gewickelt hatte, dreimal gegen die Erde usw. Nachdem er stark geworden war und Bären erlegt hatte, nahm er an seinen Bedrückern Rache, indem er sie nacheinander erschlug oder verstümmelte. Nur die Armen verschonte er, weil die Armen ihn liebten und Mitleid mit ihm hatten. Widerspiegelung des beginnenden Kampfes zwischen Reichen und Armen. Drama. Bei den Alëuten, wie es die Teilnehmer der Krusenstern-Expedition gesehen haben. Ein Alëute, mit einem Bogen bewaffnet, stellte einen Jäger dar, ein anderer einen Vogel. Der eine drückt durch Körperbewegungen seine Freude darüber aus, daß es ihm gelungen ist, einen so schönen Vogel zu entdecken, aber er hat nicht den Mut, ihn zu töten. Der andere ahmt die Bewegungen des Vogels nach und bemüht sich, dem Jäger zu entfliehen. Der Jäger schießt schließlich. Der Vogel taumelt, flattert mit den Flügeln und fällt zu Boden. Der Jäger tanzt vor Freude. Aber dann tut es ihm leid, einen so schönen Vogel getötet zu haben. Der Vogel verwandelt sich plötzlich in eine schöne Frau und fällt ihm um den Hals. Bei den Australiern. Orchester von 100 Frauen, bis zu 500 Zuschauer. I. Szene. Die Schauspieler stellen eine Herde Kühe dar; sie liegen da und wiederkäuen die Nahrung. II. [Szene.] Es erscheint eine Abteilung Krieger, die sich an die Herde heranschleicht und über sie herfällt, die Kühe tötet, ihnen die Haut abzieht usw. III. Szene. Erscheinen der Weißen; Kampf zwischen ihnen und den Wilden; Sieg der letzteren. Das Schauspiel des Kampfes begeisterte sowohl Zuschauer als auch Schauspieler so stark, daß aus der Handlung beinahe eine wirkliche Schlacht geworden wäre. Das ist die Kunst der Naturvölker. Wir wollen sehen, inwieweit die Bekanntschaft mit ihr die Definition bestätigt oder abändert, die wir Tolstoi entlehnt haben. Die Kunst ist eines der Mittel des Verkehrs zwischen den Menschen. Sie ist ein Verkehr durch Bilder. Sie bringt zum Ausdruck, was den primitiven Menschen gut erscheint. Dieses Bewußtsein dessen, was gut ist, ist, entgegen Tolstoi, kein religiöses Bewußtsein. Es wird bestimmt entweder unmittelbar durch die Ökonomik und die Technik der Produktion oder durch jene gesellsch[aftlichen] Bedürfnisse und Verhältnisse, d[ie] auf dieser Grundlage erwachsen. Schließlich wollen wir feststellen, daß man den Verkehr zwischen den Menschen mit dem Vorbehalt zu verstehen hat: „stich ihn in die Seite“; Kagzakzuk und die Erzählungen Barons vom Hasen. [369] 1. Abend, 2. Hälfte 1 „Das Känguruh war fett; ich habe es verspeist“, oder süß sind die Erbsen, die die Weißen essen. Das ist die Lyrik des Magens. Und bezüglich dieser Lyrik wird man uns wohl sagen, nun ja, hier herrscht ausschließlich der „ökonomische Faktor“. Aber verhält es sich in einer höherentwickelten Gesellschaft ebenso? Wir wollen sehen. Versetzen wir uns aus der Jägergesellschaft in ein zivilisiertes Milieu, aus den Eukalyptuswäldern Australiens in einen der Pariser Salons, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach dem Muster des berühmten Salons der Madame de Rambouillet eingerichtet wurden. In den vornehmsten Salons jener Zeit wurde von Politik wenig gesprochen, das hauptsächliche, fast ausschl[ießliche] Interesse galt der Literatur. Welche lit[erarischen] W[erke] wurden nun von den Menschen jener Zeit in den Salons besprochen? Beispiel. Im Jahre 1610 erschien ein Roman von Honoré d’Urfé: Astrée, und erlangte mit einem Schlage ungeheure Berühmtheit. 2 1 Überschrift von G. W. Plechanow. Die Red. 2 So bei G. W. Plechanow. Die Red. G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 28
OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013 Die in diesem Roman auftretenden Personen lassen sich in drei Klassen einteilen (Ort der Handlung: Gallien im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung): 1. Druiden und Vestalinnen; 2. Ritter und Nymphen; 3. Hirten und Hirtinnen. Die Hirten und die Hirtinnen sind die unterste Klasse, gewissermaßen das Volk jenes phantastischen Landes, d[as] d’Urfé darstellt. Aber es ist ein sehr verfeinertes Volk. Der Autor sagt im Vorwort, sich an Astrée wendend: „Si l’on te reproche que tu ne parles pas le language des villageois et que ni toi ni ta troupe ne sentez guère les brebis et les chèvres, répondsleur, ma bergère, que tu n’es pas ni celles qui te suivent de ces bergères nécessiteuses qui, pour gagner leur vie, conduisent des troupeaux aux pâturages; mais que vous n’avez pris cette condition que pour vivre plus doucement et sans contrainte.“ [Wenn man dir vorwirft, daß du nicht die Sprache der Dorfmädchen sprichst und daß ihr, weder du noch deine Schar, irgendwie nach Schafen oder Ziegen riecht, so antworte ihnen, meine Schäferin, daß ihr, du und sie, so dir folgen, nicht solche Schäferinnen aus Not seid, die Herden auf die Weiden führen, um ihr Leben zu fristen, sondern daß ihr diese Beschäftigung nur angenommen habt, um anmutiger und ohne Zwang zu leben.“] Wie Sie sehen, schenkt der Autor dem ökonom[ischen] Faktor recht wenig Beachtung; seine Helden sind Hirten aus Neigung und nicht aus ökonom[ischer] Notwendigkeit. Sie haben wenig Arbeit mit ihren Herden; sie beschäftigen sich mehr mit der Liebe. Eine der handelnden Personen, Seladon, des[sen] Name sprichwörtlich geworden ist, schreibt 12 Gebote der Liebe, d[ie] die übrigen sich beeilen auszuführen. Hier sind einige dieser Gebote: 1. Il faut aimer à l’excès. [Im Übermaß lieben.] II. N’aimer qu’une seule personne. [Nur einen einzigen lieben.] III. N’avoir point d’autre passion que son amour. [Keine Leidenschaften haben außer seiner Liebe.] IV. Défendre sa bergère. [Seine Schäferin beschützen.] [370] Ich wiederhole, dieser Roman hatte ungeheuren Erfolg. Ganze Generationen berauschten sich an ihm. Der bekannte Fabeldichter Lafontaine sagte darüber: Etant petit garçon je lisais ce roman, Et je le lis encore, ayant la barbe grise. [Als junger Bursche schon las ich in diesem Buch. Und lese heut noch drin, da grau mein Bart geworden.] Es ist klar, daß er der Stimmung der Gemüter entsprach. Das wird auch dadurch bewiesen, daß es sehr viele solche Romane gab und daß sie sich lange Zeit ungeheurer Beliebtheit erfreuten. Im Jahre 1654 erschien der nicht weniger berühmte Roman von Scudéry: Clélie, der regelrecht zum Leitfaden der Galanterie wurde. Er enthielt die berühmte Carte du Tendre. Aufgabe: wie gelangt man von der Stadt Nouvelle amitié zur Stadt Tendre? Es gibt drei: nehmen wir Tendre sur Estime. Sie gehen diesen Weg: Grand Esprit, Jolis Vers, Billet galant, Billet doux, Sincéité, Grand Cœur, Générosité, Probité, Exactitude, Respect et Bonté. Am liebsten ist Tendre sur Inclination (2 e Tendre sur Reconnaissance). [[Er enthielt die berühmte] Karte der Zärtlichkeit. (Wir übersetzen wörtlich; „tendre“ bezeichnete in der Gesellschaft der Salons einfach die Liebe, aber man verschmähte es, ein so „vulgäres“ Wort auszusprechen.) Aufgabe: wie gelangt man von der Stadt Neue Freundschaft zur Stadt Zärtlichkeit? Es gibt drei: nehmen wir Zärtlichkeit aus Hochachtung. Sie gehen diesen Weg: Feiner Geist, Hübsche Verse, Galante Briefchen, Liebesbriefchen, Aufrichtigkeit, Großes Herz, Edelmut, Redlichkeit, Pünktlichkeit, Ehrfurcht und Güte. Am liebsten ist Zärtlichkeit aus Neigung (Nummer 2 ist Zärtlichkeit aus Dankbarkeit).] Diese „Karte der Zärtlichkeit“ interessierte die Besucher der damaligen Salons sehr. Der Ab- G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 29
- Page 215 and 216: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 217 and 218: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 219 and 220: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 221 and 222: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 223 and 224: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 225 and 226: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 227 and 228: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 229 and 230: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 231 and 232: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 233 and 234: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 235 and 236: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 237 and 238: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 239 and 240: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 241 and 242: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 243 and 244: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 245 and 246: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 247 and 248: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 249 and 250: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 251 and 252: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 253 and 254: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 255 and 256: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 257 and 258: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 259 and 260: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 261 and 262: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 263 and 264: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 265: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 269 and 270: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 271 and 272: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 273 and 274: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 275 and 276: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 277 and 278: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 279 and 280: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 281 and 282: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 283 and 284: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 285 and 286: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 287 and 288: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 289 and 290: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 291 and 292: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 293 and 294: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 295 and 296: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 297 and 298: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 299 and 300: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 301 and 302: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 303 and 304: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 305 and 306: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 307 and 308: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 309 and 310: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 311 and 312: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 313 and 314: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
- Page 315 and 316: OCR-Texterkennung durch Max Stirner
OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />
Die in diesem Roman auftretenden Personen lassen sich in drei Klassen einteilen (Ort der<br />
Handlung: Gallien im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung): 1. Druiden und Vestalinnen; 2.<br />
Ritter und Nymphen; 3. Hirten und Hirtinnen. Die Hirten und die Hirtinnen sind die unterste<br />
Klasse, gewissermaßen das Volk jenes phantastischen Landes, d[as] d’Urfé darstellt. Aber es<br />
ist ein sehr verfeinertes Volk. Der Autor sagt im Vorwort, sich an Astrée wendend:<br />
„Si l’on te reproche que tu ne parles pas le language des villageois et que ni toi ni ta troupe ne<br />
sentez guère les brebis et les chèvres, répondsleur, ma bergère, que tu n’es pas ni celles qui te<br />
suivent de ces bergères nécessiteuses qui, pour gagner leur vie, conduisent des troupeaux aux<br />
pâturages; mais que vous n’avez pris cette condition que pour vivre plus doucement et sans<br />
contrainte.“ [Wenn man dir vorwirft, daß du nicht die Sprache der Dorfmädchen sprichst und<br />
daß ihr, weder du noch deine Schar, irgendwie nach Schafen oder Ziegen riecht, so antworte<br />
ihnen, meine Schäferin, daß ihr, du und sie, so dir folgen, nicht solche Schäferinnen aus Not<br />
seid, die Herden auf die Weiden führen, um ihr Leben zu fristen, sondern daß ihr diese Beschäftigung<br />
nur angenommen habt, um anmutiger und ohne Zwang zu leben.“]<br />
Wie Sie sehen, schenkt der Autor dem ökonom[ischen] Faktor recht wenig Beachtung; seine<br />
Helden sind Hirten aus Neigung und nicht aus ökonom[ischer] Notwendigkeit. Sie haben<br />
wenig Arbeit mit ihren Herden; sie beschäftigen sich mehr mit der Liebe. Eine der handelnden<br />
Personen, Seladon, des[sen] Name sprichwörtlich geworden ist, schreibt 12 Gebote der<br />
Liebe, d[ie] die übrigen sich beeilen auszuführen. Hier sind einige dieser Gebote:<br />
1. Il faut aimer à l’excès. [Im Übermaß lieben.]<br />
II. N’aimer qu’une seule personne. [Nur einen einzigen lieben.]<br />
III. N’avoir point d’autre passion que son amour. [Keine Leidenschaften haben außer seiner<br />
Liebe.]<br />
IV. Défendre sa bergère. [Seine Schäferin beschützen.]<br />
[370] Ich wiederhole, dieser Roman hatte ungeheuren Erfolg. Ganze Generationen berauschten<br />
sich an ihm. Der bekannte Fabeldichter Lafontaine sagte darüber:<br />
Etant petit garçon je lisais ce roman,<br />
Et je le lis encore, ayant la barbe grise.<br />
[Als junger Bursche schon las ich in diesem Buch.<br />
Und lese heut noch drin, da grau mein Bart geworden.]<br />
Es ist klar, daß er der Stimmung der Gemüter entsprach. Das wird auch dadurch bewiesen,<br />
daß es sehr viele solche Romane gab und daß sie sich lange Zeit ungeheurer Beliebtheit erfreuten.<br />
Im Jahre 1654 <strong>erschien</strong> der nicht weniger berühmte Roman von Scudéry: Clélie, der<br />
regelrecht zum Leitfaden der Galanterie wurde. Er enthielt die berühmte Carte du Tendre.<br />
Aufgabe: wie gelangt man von der Stadt Nouvelle amitié zur Stadt Tendre? Es gibt drei:<br />
nehmen wir Tendre sur Estime. Sie gehen diesen Weg: Grand Esprit, Jolis Vers, Billet galant,<br />
Billet doux, Sincéité, Grand Cœur, Générosité, Probité, Exactitude, Respect et Bonté. Am<br />
liebsten ist Tendre sur Inclination (2 e Tendre sur Reconnaissance). [[Er enthielt die berühmte]<br />
Karte der Zärtlichkeit. (Wir übersetzen wörtlich; „tendre“ bezeichnete in der Gesellschaft<br />
der Salons einfach die Liebe, aber man verschmähte es, ein so „vulgäres“ Wort auszusprechen.)<br />
Aufgabe: wie gelangt man von der Stadt Neue Freundschaft zur Stadt Zärtlichkeit? Es<br />
gibt drei: nehmen wir Zärtlichkeit aus Hochachtung. Sie gehen diesen Weg: Feiner Geist,<br />
Hübsche Verse, Galante Briefchen, Liebesbriefchen, Aufrichtigkeit, Großes Herz, Edelmut,<br />
Redlichkeit, Pünktlichkeit, Ehrfurcht und Güte. Am liebsten ist Zärtlichkeit aus Neigung<br />
(Nummer 2 ist Zärtlichkeit aus Dankbarkeit).]<br />
Diese „Karte der Zärtlichkeit“ interessierte die Besucher der damaligen Salons sehr. Der Ab-<br />
G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 29