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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />

Tänzen drückt sich heute hauptsächlich Grazie aus. Die Grazie ist [364] eine angenehme<br />

Eigenschaft, gehört aber nicht zu den Eigenschaften, ohne d[ie] die Gesellschaft nicht bestehen<br />

kann. Beim primitiven Tänzer tritt nicht nur Grazie zutage. Die Australier zum Beispiel<br />

bringen in ihren Tänzen alle, aber auch alle wichtigen Eigenschaften sowohl des<br />

Mannes als auch der Frau zum Ausdruck. Tänze der Frauen: die Frau stellt dar, wie sie auf<br />

den Baum klettert, um ein Opossum zu fangen, wie sie nach Muscheln taucht; wie sie die<br />

Wurzeln gewisser Nährpflanzen herauszieht, oder wie sie die Kinder nährt, oder auch (Satir[ischer]<br />

Tanz), wie sie mit dem Manne zankt. Es gibt auch regelrechte Liebestänze, doch<br />

darüber später.<br />

Tänze der Männer: Tanz der Ruderer; Känguruhtanz; der Tanz, der darstellt, wie man bei<br />

den Weißen Vieh raubt, usw. Es kommt die Zeit des Früchtesammelns – es wird getanzt,<br />

eine glückliche Jagd – [man tanzt]. Das sind die sogenannten mimischen Tänze. Ihr Zusammenhang<br />

mit den Formen der Produktion bedarf keiner näheren Darlegung: er ist klar,<br />

offensichtlich. Hier springt der ökonomische Faktor in die Augen. Es gibt noch andere Tänze,<br />

die ebenfalls in engem und offensichtlichem Zusammenhang mit der Lebensweise der<br />

Australier stehen: die Nachahmung verschiedener wilder Tiere. Hier ist der Zusammenhang<br />

mit der Ökonomik ebenfalls klar. Wer ein Tier gut nachahmt, ist auch mit dessen Gewohnheiten<br />

wohl vertraut, und wer mit dessen Gewohnheiten vertraut ist, wird auch ein guter<br />

Jäger sein.<br />

Gymnastische Tänze. Corroboris – das sind Tänze mehrerer Stämme, bei denen manchmal<br />

bis zu 400 Teilnehmer zusammenkommen. Sie tanzen zum Beispiel beim Abschluß eines<br />

Friedens, in der Nacht, bei Mondschein. Mitunter werden diese gymnastischen Tänze getanzt,<br />

wenn die Zeit des Früchtesammelns heranrückt, nach einer glücklichen Jagd u. a. Die gymnastischen<br />

Tänze werden oft von beiden Geschlechtern getanzt. Am besten tanzt der geschickte<br />

Krieger. Schließlich gibt es Beschwörungstänze. Es wird angenommen, es sei einem Geiste<br />

angenehm, dem Tanze zuzusehen. Eine direkte Beziehung zur Ökonomik haben diese Tänze<br />

nicht. Aber erstens werden wir sehen, daß man den Geist häufig um rein materielle Güter<br />

bittet. Zweitens, welcher Tanz gefällt dem Geist? Derselbe, der dem Australier überhaupt<br />

gefällt. Hier liegt offenbar eine indirekte Beziehung zu ihr [d. h. der Ökonomik] vor. Aber<br />

diese Tänze sind selten. Bemerkung zu Tolstoi. Hier kommt in der Kunst die Ansicht der<br />

Menschen über das, was gut und schlecht ist, zum Ausdruck, aber diese Ansichten sind, ganz<br />

allgemein gesprochen, nicht religiös. 1<br />

[365] Gehen wir zu einer anderen Kunst, der Ornamentik über. Welches sind die Motive der<br />

Ornamentik? Es gibt zwei Arten: 1. Natur; 2. Technik. Es ist jetzt anerkannt, daß die australischen<br />

Verzierungen der Waffe sehr häufig die [Abbilder der] äußere[n] Bedeckung eines Tieres<br />

darstellen: der Wolle des Känguruhs, der Haut der Schlange, der Eidechse; eine andere<br />

Hypothese – von Lübke: aus der Technik 2* , manchmal ist auf dem Knüttel des Australiers in<br />

roher Form der Plan dieser oder jener Örtlichkeit aufgezeichnet. Dann kommt als Verzierung<br />

ein Kennzeichen des Eigentums vor. Da das Privateigentum wenig entwickelt ist, ist es ein<br />

Kennzeichen des Eigentums des betreffenden Stammes. Jeder Stamm hat sein eigenes Kennzeichen<br />

– Kobong (der amerik[anische] Totem): Känguruh, Geier u. dgl.<br />

Es ist bemerkenswert, daß bei den Jägerstämmen die Pflanzen als Verzierungen überhaupt<br />

nicht vorkommen.<br />

1 Dieser Gedanke, wie auch die Bemerkung zu Tolstoi, ist von Plechanow in der zweiten Fassung des gleichen<br />

Vortrags eingehender entwickelt. [Siehe im vorliegenden Band S. 376.] Die Red.<br />

2* Die Hypothese Wilhelm Lübkes ist dargelegt in der Einleitung zu seiner Kunstgeschichte: „Zweierlei dient<br />

auch hier (in der Ornamentik) der schaffenden Phantasie zur Anregung. Erstlich die Gebilde der ursprünglichsten<br />

Technik, des Flechtens und Webens... Zweitens die Nachahmung des Pflanzen- und Tierlebens.“ (Wilhelm<br />

Lübke, „Grundriß der Kunstgeschichte“, Stuttgart 1892, Einl. S. 11/12.)<br />

G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 25

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