erschien nennen menschenähnlichen
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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013 Die Jury von 1793. Die Meinungen von Fleuriot und Hassenfratz. Auszug. 1 Meinung von Dufourny über die Architektur. Die Forderung des Père Duchesne 2 : Die Modegeschäfte verwandeln sich in Werkstätten; [daß] die Cafe’s, in denen die müßigen Leute zusammenkommen, den Arbeitern für ihre [350] Versammlungen übergeben werden sollen; daß die Wagnermeister nur Wagen für die Kutscher herstellen, die Goldschmiede Schlosser werden sollen. Schöne Kleidung wird verfolgt. „Courrier de l’Egalité“ vom février 1793 sagt: Es ist eine Schande, zwei Anzüge zu haben, während die Soldaten an der Grenze völlig zerlumpt sind. Das Direktorium. Es stellt den Luxus wieder her. Griechische Kleidung. Redicule, Empire sind ein Produkt des sich hinz[iehenden] Klassenkampfes. Vollkommener Gegensatz zur Aristokratie. Der Kampf der Klassen läßt das psychologische Gesetz des Widerspruchs (Antithese) wirksam werden. VI 6. Vortrag 3 1. Bemerkung über die Psychologie. Auszug aus Beltow. Beispiele: 1. Fechnersches Gesetz. 4* Wenn das soz[iale] Element in den Hintergrund tritt, werden die psychologischen Gesetze wirksam. Beispiel: Michelangelo. 2. Gesetz der Nachahmung und der Antithese. Wann sie wirksam sind. Im 17. Jahrhundert Fleuriot, Hassenfratz (und Le Bon) Ein gewisser Le Bon, ein feuriger Revolutionär, hatte von seiner Mutter einen kostbaren Anzug zum Geschenk bekommen. Er hatte nicht den Mut gehabt, es zurückzuweisen. Nun aber schrieb er an seinen Bruder folgendes: „Jetzt habe ich wegen dieses unglückseligen Anzugs schon zehn Nächte lang nicht geschlafen. Ich als Philosoph und Freund der Menschheit trage so teure Kleidung, während Tausende meiner Mitmenschen Hungers sterben und elende Lumpen auf dem Leibe tragen. Wenn ich mein prunkvolles Gewand angezogen habe – wie soll ich da ihre ärmliche Behausung aufsuchen? Wie soll ich einen armen Teufel vor der Ausbeutung seitens des Reichen schützen? Wie soll ich gegen die Geldprotzen auftreten, wenn ich es ihnen gleichtue in Luxus und Schwelgerei? Diese Gedanken verfolgen mich beständig und lassen mich nicht zur Ruhe kommen.“ Red. L. N. 1 Wir bringen den Auszug, der auf zwei Blättern gemacht und überschrieben ist: Fleuriot und Hassenfratz (in der Jury) bedauern, daß die Basreliefs, die für die Preisbewerbung vorgelegt wurden, nicht von dem Geist durchdrungen sind, der die großen Prinzipien der Revolution einflößt. „Ja, und überhaupt, was sind diese Herrschaften für Menschen, die sich mit Bildhauerei in einer Zeit beschäftigen, da ihre Brüder für das Vaterland ihr Blut vergießen. Ich meine: man darf keine Preise geben.“ Hébert schließt sich seiner Meinung an. Hassenfratz fügt hinzu: „Ich will es offen sagen: Nach meiner Ansicht ist das Talent des Künstlers in seinem Herzen und nicht in seiner Hand; was man mit der Hand fertigbringt, ist verhältnismäßig unwichtig.“ Auf die Bemerkung eines gewissen Neveu, man müsse auch die Geschicklichkeit der Hand berücksichtigen (es ist zu bemerken, daß es sich um die Bildhauerei handelt), gibt Hassenfratz leidenschaftlich zur Antwort: „Bürger Neveu, die Geschicklichkeit der Hand ist nichts; auf die Geschicklichkeit der Hand darf man seine Urteile nicht gründen.“ Es wird beschlossen, in der Bildhauerei keine Preise zu vergeben. Während der Debatten über die Malerei sagt derselbe Hassenfratz wiederum, die besten Maler seien diejenigen, die an der Grenze kämpfen. Hassenfratz ist der Ansicht, daß man alle Werke der Malerei einfach mittels Lineal und Zirkel zeichnen könne. In der Sitzung bezüglich der Architektur sprach ein gewisser Dufourny den Gedanken aus, daß alle Bauten einfach sein müßten wie die Bürgertugend. Überflüssige Verzierungen müssen wegfallen: die Geometrie muß die Literatur erneuern... Red. L. N. 2 Der Schluß des Auszugs, der sich auf „Père Duchesne“ bezieht, ist eine wörtliche Wiedergabe des Textes und daher weggelassen. Die Red. 3 Die Numerierung des Vortrags stammt von G. W. Plechanow. Die Red. 4* Das Fechnersche Gesetz bestimmt den Zusammenhang zwischen dem Reiz und der dadurch bedingten Empfindung, indem es diese Wechselbeziehung in einer mathematischen Formel ausdrückt: die Empfindung nimmt zu in arithmetischer Progression, während der Reiz in geometrischer Progression gesteigert wird. G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 14
OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013 ahmt die Bourgeoisie die Aristokratie nach: Bourgeois gentilhomme [Der Bürger als Edelmann (Titel einer Komödie Molières)]. Im 18. Jahrhundert tritt das Gesetz des Gegensatzes, der Antithese, in Kraft. Woher dieser Unterschied? Erklärt sich aus der gesellschaftlichen Entwicklung. Bemerkung Fechners über die rote Farbe. 1* Weiter. Der Mensch ist das Produkt der Geschichte. Aber er ist doch auch das Produkt der zoologischen Entwicklung. Darwin und seine Theorie der geschlechtlichen Zuchtwahl. Die heutigen Naturwissenschaftler bestreiten sie. Wallace. Die grelle Färbung ist ein korrelatives Kennzeichen. Zusammenfassung. Theorie der Kunst für die Kunst. Geschichtliche Übersicht. Ansicht Voltaires und Diderots. Die Kunst dient der Tugend. M. J. Chénier – „Charles IX ou l’école des rois“ – sagt im Vorwort: Auszug. 2 Um 1824 kommt die L[eh]re von der uneigennützigen (désintéressé) Kunst auf. In den dreißiger Jahren predigt ein Teil der Romantiker [351] (Th. Gautier) leidenschaftlich die Theorie der Kunst für die Kunst. Nach 1848 huldigen manche – Flaubert – dieser Theorie, während andere – A. Dumas der Jüngere– sagen, daß diese drei Worte: l’art pour l’art [die Kunst für die Kunst]‚ sinnlos sind. Weshalb? Erklärung vom Standpunkt des Materialismus. Welches ist nun unsere Ansicht? Wir wollen vor allem verstehen. Aber wir wissen, daß das Wesen der Kunst das Schaffen ist, dem utilitaristische Erwägungen fremd sind. Instinkt. Er ist die notwendige Voraussetzung für den Erfolg des künstl[erischen] Schaffens. Tragödie der Blütezeit, als sich die aristokrat[ische] Monarchie bereits gefestigt hatte. Bürgerliche Kunst, als sich die Bourgeoisie bereits gefestigt hatte. Die neue Kunst wird sich erst nach der soz[ialistischen] Rev[olution] festigen. Was wird sie zum Ausdruck bringen? Die allseitige Entwicklung des Menschen: der christl[iche] Asketismus wird ihr fremd sein, die bürgerliche Beschränktheit wird ihr fremd sein, sie wird die griechische Kunst in ihrer ganzen Fülle wieder aufleben lassen. Folgerung. Die Kunst bringt die Wahrheit zum Ausdruck. Die Wahrheit ist allgem[einverpflichtend]. Aber sie ist rel[ativ], solange es Klassen gibt, und der Kampf dieser rel[ativen] Ideen bedingt die Entwicklung der ästhetischen Anschauungen. Ich komme zum Schluß. Ich wollte die Untersuchungsmethode angeben. Gespräch mit Engels, wie wenig die Soz[ialisten] die dialekt[ische] Methode verstehen. Ich schließe. Feuerherd. 3* Ich schließe, womit ich begonnen habe. Wir sind Schaffende, aber 1* G. W. Plechanow hat hier offenbar folgende Äußerung Fechners über die rote Farbe im Auge: „Warum gefällt uns eine rote Wange an einem jugendlichen Gesichte so viel besser als eine blasse? Ist es die Schönheit, der Reiz des Rot an sich? Unstreitig hat das Anteil daran. Ein frisches Rot erfreut das Auge mehr als Grau oder Mißfarbe. Aber, frage ich wieder, warum gefällt uns hiernach ein gleich frisches Rot an Nase und Hand nicht ebenso gut wie an der Wange? Es mißfällt uns vielmehr. Der wohlgefällige Eindruck des Rot muß also bei der Nase und Hand durch ein mißfälliges Element überboten werden. Worin kann das liegen? Es ist nicht schwer zu finden. Die rote Wange bedeutet uns Jugend, Gesundheit, Freude, blühendes Leben; die rote Nase erinnert an Trunk und Kupferkrankheit, die rote Hand an Waschen, Scheuern, Manschen; das sind Dinge, die wir nicht haben noch treiben möchten. Wir möchten auch nicht daran erinnert sein.“ (G. T. Fechner, „Vorschule der Ästhetik“, Erster Teil, Leipzig 1876, S. 89/90.) 2 Wir bringen den Auszug, überschrieben: M. J. Chénier Das Theater muß den Bürgern den Abscheu vor dem Aberglauben, den Haß gegen die Unterdrücker, die Liebe zur Freiheit, die Achtung vor den Gesetzen usw. usw. einflößen. Die Red. 3* Plechanow beruft sich in seiner Schrift „Grundfragen des Marxismus“, wo er davon spricht, wie „unvermeidlich jetzt die Versuche einer materialistischen Erklärung aller Seiten der menschlichen Kultur“ sind (Gesamtausgabe der Werke, Bd. XVIII, S. 230), auf eine 1902 erschienene Schrift von Franz Feuerherd, „Die Entstehung der Stile aus der politischen Ökonomie“. G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 15
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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 18.07.2013<br />
ahmt die Bourgeoisie die Aristokratie nach: Bourgeois gentilhomme [Der Bürger als Edelmann<br />
(Titel einer Komödie Molières)]. Im 18. Jahrhundert tritt das Gesetz des Gegensatzes,<br />
der Antithese, in Kraft. Woher dieser Unterschied? Erklärt sich aus der gesellschaftlichen<br />
Entwicklung. Bemerkung Fechners über die rote Farbe. 1*<br />
Weiter. Der Mensch ist das Produkt der Geschichte. Aber er ist doch auch das Produkt der<br />
zoologischen Entwicklung. Darwin und seine Theorie der geschlechtlichen Zuchtwahl. Die<br />
heutigen Naturwissenschaftler bestreiten sie. Wallace. Die grelle Färbung ist ein korrelatives<br />
Kennzeichen.<br />
Zusammenfassung. Theorie der Kunst für die Kunst. Geschichtliche Übersicht. Ansicht Voltaires<br />
und Diderots. Die Kunst dient der Tugend. M. J. Chénier – „Charles IX ou l’école des<br />
rois“ – sagt im Vorwort: Auszug. 2<br />
Um 1824 kommt die L[eh]re von der uneigennützigen (désintéressé) Kunst auf. In den dreißiger<br />
Jahren predigt ein Teil der Romantiker [351] (Th. Gautier) leidenschaftlich die Theorie<br />
der Kunst für die Kunst. Nach 1848 huldigen manche – Flaubert – dieser Theorie, während<br />
andere – A. Dumas der Jüngere– sagen, daß diese drei Worte: l’art pour l’art [die Kunst für<br />
die Kunst]‚ sinnlos sind. Weshalb? Erklärung vom Standpunkt des Materialismus.<br />
Welches ist nun unsere Ansicht? Wir wollen vor allem verstehen. Aber wir wissen, daß das<br />
Wesen der Kunst das Schaffen ist, dem utilitaristische Erwägungen fremd sind. Instinkt. Er<br />
ist die notwendige Voraussetzung für den Erfolg des künstl[erischen] Schaffens. Tragödie der<br />
Blütezeit, als sich die aristokrat[ische] Monarchie bereits gefestigt hatte. Bürgerliche Kunst,<br />
als sich die Bourgeoisie bereits gefestigt hatte. Die neue Kunst wird sich erst nach der<br />
soz[ialistischen] Rev[olution] festigen. Was wird sie zum Ausdruck bringen? Die allseitige<br />
Entwicklung des Menschen: der christl[iche] Asketismus wird ihr fremd sein, die bürgerliche<br />
Beschränktheit wird ihr fremd sein, sie wird die griechische Kunst in ihrer ganzen Fülle wieder<br />
aufleben lassen.<br />
Folgerung. Die Kunst bringt die Wahrheit zum Ausdruck. Die Wahrheit ist allgem[einverpflichtend].<br />
Aber sie ist rel[ativ], solange es Klassen gibt, und der Kampf dieser rel[ativen]<br />
Ideen bedingt die Entwicklung der ästhetischen Anschauungen.<br />
Ich komme zum Schluß. Ich wollte die Untersuchungsmethode angeben. Gespräch mit Engels,<br />
wie wenig die Soz[ialisten] die dialekt[ische] Methode verstehen.<br />
Ich schließe. Feuerherd. 3* Ich schließe, womit ich begonnen habe. Wir sind Schaffende, aber<br />
1* G. W. Plechanow hat hier offenbar folgende Äußerung Fechners über die rote Farbe im Auge:<br />
„Warum gefällt uns eine rote Wange an einem jugendlichen Gesichte so viel besser als eine blasse? Ist es die<br />
Schönheit, der Reiz des Rot an sich? Unstreitig hat das Anteil daran. Ein frisches Rot erfreut das Auge mehr als<br />
Grau oder Mißfarbe. Aber, frage ich wieder, warum gefällt uns hiernach ein gleich frisches Rot an Nase und<br />
Hand nicht ebenso gut wie an der Wange? Es mißfällt uns vielmehr. Der wohlgefällige Eindruck des Rot muß<br />
also bei der Nase und Hand durch ein mißfälliges Element überboten werden. Worin kann das liegen? Es ist<br />
nicht schwer zu finden. Die rote Wange bedeutet uns Jugend, Gesundheit, Freude, blühendes Leben; die rote<br />
Nase erinnert an Trunk und Kupferkrankheit, die rote Hand an Waschen, Scheuern, Manschen; das sind Dinge,<br />
die wir nicht haben noch treiben möchten. Wir möchten auch nicht daran erinnert sein.“ (G. T. Fechner, „Vorschule<br />
der Ästhetik“, Erster Teil, Leipzig 1876, S. 89/90.)<br />
2 Wir bringen den Auszug, überschrieben:<br />
M. J. Chénier<br />
Das Theater muß den Bürgern den Abscheu vor dem Aberglauben, den Haß gegen die Unterdrücker, die Liebe<br />
zur Freiheit, die Achtung vor den Gesetzen usw. usw. einflößen. Die Red.<br />
3* Plechanow beruft sich in seiner Schrift „Grundfragen des Marxismus“, wo er davon spricht, wie „unvermeidlich<br />
jetzt die Versuche einer materialistischen Erklärung aller Seiten der menschlichen Kultur“ sind (Gesamtausgabe<br />
der Werke, Bd. XVIII, S. 230), auf eine 1902 <strong>erschien</strong>ene Schrift von Franz Feuerherd, „Die Entstehung<br />
der Stile aus der politischen Ökonomie“.<br />
G. W. Plechanow: Kunst und Literatur, Dietz Verlag Berlin 1955 – 15