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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

Aber nach und nach entstehen Unterschiede. Das Leben in der anderen Welt ist für die einen<br />

schön, für die anderen traurig und schwer. Bald fällt das jenseitige Leben nur den Großen und<br />

Reichen dieser Welt zu; die Seelen der einfachen Leute vergehen mit ihrem Körper oder werden<br />

von den Göttern verschlungen. Bald werden für die Seelen der Verstorbenen zwei verschiedene<br />

Wohnungen eingerichtet: in der einen wohnen die Großen dieser Welt, die Krieger,<br />

die Starken, dort herrscht Überfluß und Freude; in der anderen fristen die Sklaven und Armen<br />

ein trauriges Dasein, oder zumindest fehlen jene Annehmlichkeiten, die der, den auch nach<br />

dem Tode das Glück erwartet, soviel er will, genießen kann. Hier fehlt der Einfluß der Moral.<br />

Aber allmählich tritt er in Erscheinung. Auf der Futuna Eronen Island in Polynesien werden<br />

die Krieger, die der Feind auf dem Schlachtfelde getötet hat, in den Himmel getragen, wo<br />

auch die Götter wohnen und wo sie einen Überfluß an auserwähltesten Speisen, Unterhaltung<br />

und Spielen genießen. Die ehrenvollsten Plätze werden den im Kriege Gefallenen zur Verfügung<br />

gestellt. Wenn sie das Alter nahen fühlen, tauchen sie in die verjüngenden Wasser des<br />

Sees Waiola und steigen wieder heraus – strahlend in Jugend und Schönheit.<br />

Mit einem Wort, die Vergeltung für Verbrechen wird zuerst sowohl im Jenseits als auch in<br />

dieser Welt als eine Privatsache betrachtet. Aber nach und nach vergrößert sich die Herrschaft<br />

der Götter, wie sich die Herrschaft der irdischen Befehlshaber vergrößert, ihre Funktionen<br />

vermehren sich: sie begnügen sich nicht mehr mit der Bestrafung von Verbrechen, die<br />

sie selbst unmittelbar betreffen, die Götter bestrafen auch jene, deren Opfer ihre ergebenen<br />

Diener und treuen Verehrer sind. Und später treten die Götter, wenigstens die im Totenreiche<br />

wohnen, schon als Richter auf, die ihre richterliche Gewalt auf alle Handlungen der Menschen<br />

ausdehnen, und bestrafen sie auch für solche Sünden, die sie gar nicht berühren.<br />

Schließlich faßt die Vorstellung eines göttlichen Richters Wurzel und, durch eine natürliche<br />

Assoziation, die Vorstellung von Gott, der. Belohnungen verteilt, von Gott, der im jenseitigen<br />

Leben für die Ungerechtigkeiten, die im irdischen Leben ertragen worden sind, entschädigt,<br />

von einem gerechten und guten Gott, der im Jenseits in den Augen seiner treuen Anhänger<br />

die Tränen trocknet, die auf Erden unter der Last unverdienten Unglücks vergossen worden<br />

sind.<br />

Die sich allmählich in den Menschen herausbildende Vorstellung von der Gottheit bildet sich<br />

folglich parallel der sozialen Umgestaltung um. Nur in Gesellschaften, die verhältnismäßig<br />

stark entwickelt sind, wird [36] die Religion zum Faktor des gesellschaftlichen Lebens. Aber<br />

dieser Faktor wird, wie wir gesehen haben, durch die soziale Evolution geschaffen und aufgebaut.<br />

Und wenn es uns gelingt, den letzteren mit der ökonomischen Entwicklung zu verbinden,<br />

so werden wir das Recht haben zu sagen, daß die religiöse Entwicklung durch die<br />

ökonomische Entwicklung bestimmt wird.<br />

Gehen wir zur Kunst über.<br />

Die Wissenschaft der modernen Zeit erkennt an, daß die Lebewesen (die höheren) nicht alle<br />

ihre Muskelkräfte und psychischen Kräfte brauchen, um sich die Mittel für die materielle<br />

Existenz zu erwerben, sondern daß sie diese auch zu einem selbstlosen Zweck, ohne auf irgendwelche<br />

Vorteile zu rechnen, verausgaben, nur um sich zu vergnügen; mit einem Wort,<br />

sie ergeben sich den Spielen. Auch die Menschen unterhalten sich mit Spielen, das Spiel aber<br />

ist der Keim der künstlerischen Betätigung.<br />

Betrachten wir zuerst die urwüchsigste aller dieser Künste, den Tanz. Die Männchen einiger<br />

Vogelgattungen vollführen vor ihren Weibchen, wenn sie sie bezaubern wollen, richtige Tänze.<br />

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