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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 16.07.2013<br />

gründe. Wird der Künstler zum Publizisten, dann drängen bei ihm die Syllogismen die künstlerischen<br />

Bilder in den Hintergrund, und die letzteren erleiden unvermeidlich eine Beeinträchtigung;<br />

dann wird sein Werk aus einem Kunstwerk zu einem Tendenzwerk. Jene historischen<br />

Perioden, in denen sich die Künstler für die gesellschaftlichen Bewegungen ihrer Zeit<br />

begeistern, sind reich an Tendenzwerken, wodurch das Gesamtergebnis des künstlerischen<br />

Schaffens dieser Perioden ohne Zweifel verringert wird. Umgekehrt bringen die historischen<br />

Epochen, in denen die Künstler zur Kunst für die Kunst neigen, eine viel geringere Zahl an<br />

Tendenzwerken hervor, wodurch der Gesamtbetrag des ihnen eigenen künstlerischen Schaffens<br />

ohne Zweifel erhöht wird. Der von seinem Gegenstand nicht durch politische Leidenschaften<br />

abgelenkte Künstler ist psychologisch in der Lage, seinen Gegenstand mit der gleichen<br />

[330] konzentrierten Aufmerksamkeit zu behandeln wie der Gelehrte den Gegenstand<br />

seiner wissenschaftlichen Untersuchung. Das ist für sein Werk natürlich von sehr großem<br />

Vorteil. Und das muß man selbstverständlich berücksichtigen, wenn man es mit solchen Epochen<br />

wie der Epoche der Romantik oder des „Parnaß“ zu tun hat.<br />

Was die Epoche der Romantik betrifft, so kann man eigentlich nicht sagen, ihr sei das leidenschaftliche<br />

Eintreten für eine Idee fremd gewesen. Den Romantikern – d. h. den echten, konsequenten<br />

Romantikern, und nicht denen, die eine Ausnahme von der allgemeinen Regel bilden,<br />

wie zum Beispiel George Sand – waren politische Leidenschaften fremd; aber ihre Ablehnung<br />

der maßvollen und akkuraten bürgerlichen Haltung war von einer so extremen Leidenschaft<br />

durchdrungen, daß ihr künstlerisches Schaffen durchaus nicht ruhig zu <strong>nennen</strong> war.<br />

Etwas ganz anderes sehen wir bei den Parnassiens. Zur Zeit des Aufkommens des „Parnaß“<br />

hatte sich die Leidenschaft, mit der die Romantiker den Kampf gegen die bürgerlichen Sitten<br />

geführt hatten, so ziemlich gelegt, und Schriftsteller wie Flaubert befleißigten sich, obgleich<br />

sie den „Bourgeois“ weiterhin von ganzem Herzen haßten, in Wirklichkeit in ihrem Schaffen<br />

sehr großer Objektivität. Und das verschaffte ihnen so recht die Möglichkeit, wirklich hervorragende<br />

Werke zu schaffen. Es wäre ein sehr großer Fehler, wollte man diese unbestreitbare<br />

Wahrheit bestreiten oder auch nur nicht genügend berücksichtigen.<br />

Und wenn es bei Erscheinungen dieser Art ganz auf die Bedingungen der Zeit und des Ortes<br />

ankommt, so taucht vor uns jetzt die folgende Frage auf: konnten die Künstler, die zur Kunst<br />

für die Kunst neigten...<br />

Entwurf des Vortrags,<br />

der der ursprünglichen Fassung des Artikels entspricht<br />

1. Stunde<br />

M[eine] H[erren!]<br />

VORTRAG 1<br />

Die Frage nach der Beziehung der Kunst zum Leben ist eine der wichtigsten in der Theorie der Kunst. Sie wird<br />

ganz unterschiedlich gelöst. Am verbreitetsten sind zwei einander direkt entgegengesetzte Lösungen. Die eine<br />

von ihnen lautet: die Kunst darf keinerlei ges[ellschaftliche] Zwecke verfolgen. Das K[unst]werk ist Selbstzweck.<br />

Das ist die Theorie der Kunst für die Kunst. Bei uns wird sie vertreten von einem solchen Giganten der<br />

Dichtkunst wie Puschkin. Seine Gedichte „Der Dichter und die Menge“ und „Einem Dichter“.<br />

[331] Wenn wir nach Westeuropa schauen, so sehen wir, daß diese Theorie unter den zur Zeit Puschkins lebenden<br />

Romantikern sehr verbreitet war. Beispiel – Frankreich, und in Frankreich – Th. Gautier. Auszug („Kretins“).<br />

2<br />

1 Titel und Untertitel stammen von G. W. Plechanow. Die Red.<br />

2 [Der Auszug, auf den sich hier G. W. Plechanow bezieht, ist weiter oben im Vortrag vom 10. November 1912<br />

angeführt (s. S. 301, Fußnote 4), er wird deshalb hier nicht gebracht.]<br />

8

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