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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 16.07.2013<br />

*<br />

In seinem Manuel de l’histoire de la littérature française 1 gibt Brunetière folgende Definition<br />

der Romantik: „Die Romantik sowohl in der Literatur wie auch in der Kunst ist vor allem der<br />

Triumph des Individualismus oder die völlige und absolute Emanzipation des ‚Ichs‘ (le romantisme,<br />

c’est avant tout, en littérature et en art, le triomphe de l’individualisme, ou<br />

l’émancipation entière et absolue du Moi).“ Natürlich ist das nur in gewissen Grenzen richtig.<br />

In der kapitalistischen Gesellschaft, die die Mehrzahl ihrer Mitglieder mit der Verkündung<br />

der Herrschaft des Privateigentums in die Lage von Proletariern versetzt, d. h. von Menschen,<br />

die kein Eigentum besitzen und deshalb gezwungen sind, vom Verkauf ihrer Arbeitskraft zu<br />

leben: in einer solchen Gesellschaft ist eine vollständige und unbedingte Emanzipation des<br />

menschlichen „Ichs“ unmöglich. Gewöhnlich versteht man aber unter Individualismus jenes<br />

Streben nach Entfaltung seines „Ichs“, das das Gepräge der bürgerlichen Verhältnisse trägt.<br />

Der Individualismus ist beschränkt und einseitig, wie ja die bürgerliche Ansicht von dem<br />

entwickelten menschlichen „Ich“ überhaupt beschränkt und einseitig ist. Und mit dieser Einschränkung<br />

muß die von Brunetière gegebene Charakteristik der Romantik für unbestreitbar<br />

richtig erklärt werden. Die Romantik bedeutete in der Tat das Eindringen des durch die Entwicklung<br />

der kapitalistischen Produktionsweise herangebildeten Individualismus in die Literatur.<br />

Die Romantiker waren Bein vom Bein und Fleisch vom Fleische eben jener Bourgeoisie,<br />

die sie so verachteten. Die konsequentesten unter ihnen konnten sich niemals auch nur<br />

mit dem utopischen Sozialismus aussöhnen, der doch das vom modernen wissenschaftlichen<br />

Sozialismus anerkannte Prinzip des Klassenkampfes ablehnte. Sie fühlten, daß sich die sozialistischen<br />

Bestrebungen mit dem ihnen so teuren Individualismus nicht vertrugen. Und<br />

deshalb erklärten sie es für dummes Geschwätz, wenn man von der Selbstvervollkommnungsfähigkeit<br />

des Menschengeschlechts sprach. Aber ihre Feindschaft gegen die Bourgeoisie,<br />

so oberflächlich sie ihrem Wesen nach gewesen sein mochte, bewahrte sie wenigstens<br />

vor einigen bürgerlichen [329] Vorurteilen und befähigte dadurch immerhin die am wenigsten<br />

konsequenten unter ihnen, sich für den Sozialismus, als für eine neue und ungewöhnliche<br />

geistige Strömung, zu interessieren. Zu diesen weniger konsequenten, d. h. weniger bürgerlichen<br />

Romantikern hat man zum Beispiel George Sand zu zählen, die sich bekanntlich<br />

nicht nur für den Sozialismus interessierte, sondern dermaßen für eine seiner Abarten – für<br />

die Lehre von Pierre Leroux – begeistert war, daß sie deren Propaganda eine recht lange Reihe<br />

ihrer Romane (Spiridion, Les sept cordes de la lyre, Le compagnon de tour de France,<br />

Consuello u. a.) widmete. Und je weiter die Arbeiterbewegung in Frankreich voranschritt,<br />

einen desto stärkeren Eindruck machte sie auf die „bleichen und langhaarigen Jünglinge“<br />

bürgerlicher Herkunft. Nach der Februarrevolution des Jahres 1848 trat in Frankreich eine<br />

Erscheinung auf, die viel Ähnlichkeit hatte mit der, die in Rußland in den Jahren 1905 und<br />

1906 zu beobachten war. Es fühlten sich plötzlich unter anderem solche Leute als Sozialisten,<br />

die noch vor kurzem als Feinde des Sozialismus aufgetreten waren. Darunter waren viele<br />

Romantiker und solche, die sich später den sogenannten Parnassiens anschlossen...<br />

Bruchstück einer anderen Fassung desselben Artikels<br />

... Einfluß auf sie seitens eines gesellschaftlichen Milieus, das in sittlicher und geistiger Beziehung<br />

bedeutend unter ihnen stand. Es hat davon noch den – und vielleicht nicht geringeren<br />

– Vorteil, daß die Künstler, die keiner politischen Leidenschaft unterliegen, der Gefahr entgehen,<br />

wenigstens in einem gewissen Grade zu Publizisten zu werden. Es ist leicht einzusehen,<br />

daß für die Kunst absolut nichts Gutes dabei herauskommt.<br />

Der Künstler denkt in Bildern. Der Publizist beweist seine Idee mit Hilfe logischer Beweis-<br />

1 „Manuel de l’histoire de la littérature française“, deuxième edition, Paris 1899, p. 421.<br />

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