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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 15.07.2013<br />

Zeit des Zaren Nikolaus. Und auf dem Boden dieses Pessimismus, aus dieser Hoffnungslosigkeit<br />

erwuchs – wie sie stets erwächst – ihre Neigung zur Kunst für die Kunst.<br />

Im Hinblick darauf kann ich das von mir vorher Gesagte durch den Zusatz ergänzen, daß die<br />

Neigung der Künstler zur Kunst für die Kunst auf dem Boden ihres hoffnungslosen Zwiespalts<br />

mit dem sie umgebenden Milieu entsteht und daß ihre Bereitschaft zur Aneignung der utilitaristischen<br />

Auffassung der Kunst, die freudige Bereitwilligkeit, „das Weltgewühl“ zu erleben<br />

und an den „Kämpfen“ teilzunehmen, dort erzeugt wird, wo zwischen ihnen und wenigstens<br />

einem Teil der Gesellschaft gegenseitige Sympathie vorhanden ist und wo die Künstler in<br />

ihrem Schaffen die Ideale dieses Teils der Gesellschaft zum Ausdruck bringen.<br />

In welchem Maße das zutrifft, wird durch folgende Tatsache endgültig bewiesen. Als der<br />

Sturm der Februarrevolution des Jahres 1848 losbrach, wandten sich sehr viele der<br />

franz[ösischen] Künstler von der Theorie der Kunst für die Kunst, der sie gehuldigt hatten,<br />

ab. Ein Beispiel: Leconte de Lisle war unter den 500 Delegierten, w[el]che das Zentralkomitee<br />

der Pariser Klubs oder der Club des clubs in die Provinz schickte; er zog sich von der Politik<br />

erst nach den Junitagen des gleichen Jahres zurück. Louis Maynard schrieb begeisterte<br />

Gedichte für die Proudhonsche Zeitung „Le Peuple“, Baudelaire gab die revolutionäre Zeitschrift<br />

„Le salut public“ (2 Nummern, vom 27. und 28. Février) heraus. Noch im Jahre 1852<br />

bezeichnete er im Vorwort zu den Chansons von Pierre Dupont die Theorie der Kunst für die<br />

Kunst als „kindisch“ (puérile) und behauptete: l’art est désormais inséparable de la morale et<br />

de l’utile. [Die Kunst ist von nun an nicht mehr von der Moral und vom Nützlichen zu trennen.]<br />

Und dann, nach dem Sieg der Reaktion, kehrten sie wieder zur Theorie der Kunst für die<br />

Kunst zurück.<br />

Um die Betrachtung der Frage nach dieser Seite hin abzuschließen, will ich noch sagen, daß<br />

die herrschende politische Macht fast immer der utilitaristischen Auffassung der Kunst den<br />

Vorzug geben wird. Das ist auch verständlich: es ist für sie immer wünschenswert, sich alle<br />

geistigen Kräfte der Gesellschaft dienstbar zu machen. Ich sage: „wird fast immer den Vorzug<br />

geben“, weil es manchmal, in den Übergangsepochen, in d[en] sog[enannten] Befriedungsperioden,<br />

für eine Regierung von Vorteil sein kann, gerade zur Verbreitung der Theorie<br />

der Kunst für die Kunst, als Gegengewicht gegen die ästhetischen Theorien der Revolutionäre,<br />

beizutragen.<br />

Der Roman von Nareshny. Nikolaus I. und Ostrowski. Fürst Schirinski-[305]Schichmatow<br />

und wiederum Ostrowski. Louis XIV, Napoléon I, Napoléon III, „Les muses d’État“ von<br />

Laprade.<br />

Das sind unbestreitbare historische Tatsachen. Nachdem wir sie festgestellt haben, wollen wir<br />

weitergehen und sehen, welche der beiden entgegengesetzten Theorien für die erfolgreiche<br />

Entwicklung der Kunst günstiger ist.<br />

Auch diese Frage läßt keine unbedingte Lösung zu. Auch hier kommt es auf die zeitlichen<br />

und örtlichen Bedingungen an. Denken wir an Nikolaus I. und Benckendorff. Sie wollten<br />

Puschkin zu einem Diener der blauen Moral des Polizeikorps machen. Nehmen wir an, es<br />

wäre ihnen geglückt, diese edle Absicht zu verwirklichen. Was wäre dann gewesen?<br />

Es ist nicht schwer, das zu beantworten. In der Muse Puschkins, einmal zur „Staatsmuse“<br />

geworden, wären die unzweifelhaften Zeichen des Verfalls in Erscheinung getreten, und sie<br />

hätte ungemein viel von ihrer Wahrhaftigkeit, ihrer Kraft und von ihrem Reiz eingebüßt. Vgl.<br />

„An die Verleumder Rußlands“.<br />

Nehmen wir weiter an, daß T[héophile] Gautier, Leconte de Lisle, T[héodore] de Banville,<br />

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