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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 15.07.2013<br />

bereits diesen Haß gegen den „Bourgeois“ erlebt. „In der Sprache der Romantiker“, so sagt er<br />

erklärend, „bezeichnete ‚Bourgeois‘ einen Menschen, der keinen anderen Kultus hat als den<br />

des Hundert-Sou-Stückes, kein anderes Ideal als die Erhaltung seiner Haut, und der in der<br />

Poesie die sentimen[ta]le Romanze und in den bildenden Künsten die Farbenlithographie<br />

liebt“]... 1<br />

Gleichzeitig sehen wir, daß die Romantiker Anhänger der Kunst für die Kunst waren. Das ist<br />

von großer Bedeutung.<br />

[303] Wollen Sie noch weitere Beispiele? Sie können gar nicht schaden.<br />

Wir wollen uns den sog[enannten] Parnassiens zuwenden.<br />

Sie verachten die sie umgebende bürgerliche Gesellschaft ebenfalls grenzenlos. Wenn sie<br />

auch ihre Werke drucken lassen, so geschieht das, wie sie sagen, durchaus nicht für das breite<br />

Publikum, sondern für einige wenige Auserwählte, „für die unbekannten Freunde“, wie sich<br />

Flaubert in einem seiner Briefe ausdrückt (Werke, II, 357).<br />

Nach ihrer Meinung kann einem breiteren Leserpublikum nur ein Schriftsteller gefallen, der<br />

kein Talent besitzt (Leconte de Lisle, Signe d’infériorité intellectuelle). Sie schmähen ebenfalls<br />

ohne Unterlaß den Bourgeois. Sie vertreten ebenfalls mit größter Begeisterung die Kunst<br />

für die Kunst.<br />

Mit einem Wort, überall, wo wir einen Zwiespalt zwischen den Dienern der Kunst einerseits<br />

und der Gesellschaft anderseits beobachten, beobachten wir bei den Künstlern die Neigung<br />

zu der erwähnten Theorie.<br />

Es ist jetzt an der Zeit, diesen Zwiespalt genauer zu charakterisieren.<br />

Am Ende des 18. Jahrhunderts, vor der Revolution des Jahres 1789, waren der Revolutionär<br />

David und die derselben Richtung angehörenden Künstler Gegner der damals bestehenden<br />

Ordnung der Dinge. Folglich bestand auch ein Zwiespalt zwischen den Künstlern der<br />

bek[annten] Richtung und der damals herrschenden „Gesellschaft“. Und dieser Zwiespalt,<br />

dieser Bruch war natürlich hoffnungslos in dem Sinne, daß David und seine Gesinnungsgenossen<br />

nicht erwarteten, sie könnten die zu ihrer Anschauung bekehren, gegen die sie sich,<br />

als gegen die „Bevorrechteten“, wandten. Wenn sie aber nicht damit rechneten, die Aristokratie<br />

auf ihrer Seite zu haben, so wußten sie, daß ihnen jener dritte Stand in Reih und Glied<br />

folgen werde, der – sie waren fest davon überzeugt – in kurzem, nach dem bekannten Ausspruch<br />

von Sieyès, alles werden sollte. Also wurde das Gefühl des Zwiespalts mit der<br />

herrsch[enden] Gesellschaft bei ihnen ergänzt durch das Gefühl der Einheit und Solidarität<br />

mit der neuen Gesellschaft, die sich im Schoße der alten Gesellschaft gebildet hatte und sich<br />

anschickte, die alte Hülle zu sprengen und nach außen zu drängen.<br />

Bei den Romantikern und den Parnassiens hingegen sehen wir etwas ganz anderes: sie erwarten<br />

– ja, wie wir gleich sehen werden, sie wünschen – gar keine Veränderungen in der gesellschaftlichen<br />

Ordnung des Frankreichs ihrer Zeit. 2 Deshalb ist ihre Ansicht von dem sie umgebenden<br />

gesellschaftlichen Milieu äußerst pessimistisch. Genauso bei Puschkin zur [304]<br />

1 S 21 fehlt. Der Schluß des Zitates ist ergänzt nach dem Drucktext des Artikels „Die Kunst und das gesellschaftliche<br />

Leben“. Red. L. N.<br />

2 Wir bringen einen Passus, der unten auf Seite 26 und oben auf Seite 27 durchgestrichen ist: „Sie sind konservativ,<br />

wohl sogar reaktionär. Th. Gautier lobte Karl X. wegen seiner berühmten Erlasse, durch die die Pressefreiheit<br />

so stark beschnitten wurde und die den Anstoß zur Revolution des Jahres 1830 bildeten. Er sagte, das<br />

[304] Verbot der Zeitungen sei ein großes Verdienst, weil diese schuld daran seien, daß „La royauté et la poésie,<br />

ces deux plus grandes choses du monde, deviennent impossibles“ [Das Königtum und die Dichtkunst, die beiden<br />

großen Dinge der Welt, werden unmöglich.] (Préface de „Mad[emoiselle] de Maupin“. Cassagne, 164).<br />

Red. L. N.<br />

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