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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 15.07.2013<br />

jemand sie zwingt, sich an diese oder jene Richt[ung] zu halten, sondern daher, daß im gesellsch[aftlichen]<br />

Leben Bedingungen vorhanden sind, die sie zur Aneignung dieser oder jener<br />

ästhe-[300]t[ischen] Theorie geneigt machen. 1 Und diese Bedingungen müssen wir nun<br />

untersuchen. Und zu diesem Zweck vollen wir wieder zu Puschkin zurückkehren.<br />

Beachten Sie, daß er nicht immer ein Anhänger der K[unst] für die Kunst gewesen ist, daß er<br />

nicht immer gesagt hat, die Dichter seien für Preisgebet und Wonnesang geboren. Es gab eine<br />

Zeit, wo er sich selbst nicht vom Weltgewühl ferngehalten, wo er sich in den Kampf gestürzt<br />

hat: die Epoche der Regierung Alexanders. Was hat nun den Wechsel in der Anschauung in<br />

ihm hervorgerufen?<br />

Beachten Sie, daß das G[edicht] „Der Dichter und die Menge“ 1828 geschrieben ist, „Einem<br />

Dichter“ 1830. Das ist die damalige Stimmung Puschkins.<br />

Bekanntlich war sie äußerst gedrückt. Wie Herzen s[agt], war das Niveau der Ges[ellschaft]<br />

merklich gesunken, die Dekabristen waren von der Bühne abgetreten, und das Pack der Epoche<br />

Alexanders war rasch emporgekommen. Puschkin konnte sich sehr schlecht in die damalige<br />

„Gesellschaft“ einfügen. In seinen Briefen aus dieser Zeit treffen wir auf ständige Hinweise<br />

hierauf. In einem seiner Briefe, der in den Monat Januar des gleichen Jahres fällt, in<br />

dem „Der Dichter und die Menge“ geschrieben ist, lesen wir: „Ich muß gestehen, daß mir das<br />

lärmende und geschäftige Leben Petersburgs völlig fremd geworden ist, ich kann es kaum<br />

ertragen.“ In dem gleichen Briefe sagt er: „Sie sehen, daß ich immer noch der Dichtkunst<br />

huldige – trotz der erbärmlichen Prosa (vilaine prose: der Brief ist französisch geschrieben.<br />

G. P.) meiner jetzigen Existenz.“ Er beklagt sich ständig über das trübselige und öde Leben<br />

unserer beiden Hauptstädte. Aber er litt – und kam schließlich um – nicht nur wegen der Ode<br />

der „Gesellschaft“ ... 2 ‚ ... ein zieml[icher] Taugenichts, aber wenn es gelingt, seine Feder und<br />

seine Reden richtig zu lenken, so wird dies von Vorteil sein.“ Die letzten Worte dieses Auszuges<br />

enthüllen uns das Geheimnis der Puschkin erwiesenen „Gunst“. Man wollte aus ihm<br />

einen Sänger der bestehenden Ordnung der Dinge machen. Nikolaus I. und Benckendorff<br />

stellten sich die Aufgabe, seine bisher ungestüme Muse in die Bahn der offiziellen Moral zu<br />

lenken. Als nach Puschkins Tod der Feldmarschall Paskewitsch an Nikolaus schrieb: „Schade<br />

um Puschkin als Schriftsteller“, antwortete dieser ihm: „Ich teile vollkommen Deine Meinung,<br />

und man kann mit Recht sagen (d. h. von Puschkin, nicht von der Meinung. G. P.), daß<br />

in ihm die Zukunft und nicht die Vergangenheit beweint wird.“ 3 Das bedeutet, daß der unvergessene<br />

Kaiser [301] den umgekommenen Dichter schätzte... 4 ... wenn man sich in einer<br />

solchen Lage befand, wenn man die Kette einer solchen Bevormundung schleppen und solche<br />

erbauliche Dinge anhören mußte, dann war es ganz und gar angebracht, die „sittliche<br />

Größe“ zu hassen, von Abscheu vor dem ganzen „Vorteil“ durchdrungen zu werden, den die<br />

Kunst bringen kann, und bezüglich der Ratgeber und Gönner auszurufen:<br />

Hinweg! Nie dient des Pöbels Zwecken<br />

Des Dichters friedereiches Lied. (A)<br />

Mit anderen Worten: Da Puschkin sich in einer solchen Lage befand, war es ganz natürlich,<br />

daß er ein Anhänger der Theorie der Kunst für die Kunst wurde und zum Dichter in seiner<br />

eigenen Person sagte:<br />

Ein König bist du, flieh das wüste Weltgetriebe!<br />

Geh frei den Weg, den frei dein Geist sich ausersehn,<br />

1 [Siehe die Varianten zu dieser Stelle auf S. 312.]<br />

2 In der Handschrift fehlen im weiteren die Seiten 9 und 10. Red. L. N.<br />

3 P. J. Schtschegolew, „Puschkin, Skizzen“, St. Petersburg 1912, S. 357.<br />

4 In der Handschrift fehlt S. 12. Die Red.<br />

3

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