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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 14.07.2013<br />

ten sie sich für berechtigt, sie nach ihrer Willkür darzustellen. Sie machen die bemerkenswerte<br />

Einschränkung, daß es für sie nicht wünschenswert sei, sich wie die Impressionisten auf<br />

das Gebiet der Empfindungen zu beschränken. „Wir suchen das Wesentliche“, versichern sie,<br />

„aber wir suchen es in unserer Persönlichkeit und nicht in etwas Ewigem, das von den Mathematikern<br />

und Philosophen emsig erarbeitet wird.“ 1<br />

In diesen Darlegungen treffen wir, wie der Leser sieht, vor allem auf den uns bereits wohlbekannten<br />

Gedanken, daß unser „Ich“ die „einzige Realität“ ist. Freilich tritt er uns hier in einer<br />

gemilderten Form entgegen. Gleizes und Metzinger erklären, der Zweifel an der Existenz der<br />

äußeren Gegenstände liege ihnen gänzlich fern. Aber nachdem unsere Autoren die Existenz<br />

der Außenwelt zugegeben haben, erklären sie sie sogleich für unerkennbar. Und das bedeutet,<br />

daß es auch für sie nichts Reales außer ihrem „Ich“ gibt.<br />

Wenn die Bilder der Gegenstände bei uns infolge der Einwirkung dieser letzteren auf unsere<br />

äußeren Sinne entstehen, so ist klar, daß man nicht von einer Unerkennbarkeit der Außenwelt<br />

sprechen kann: Wir erkennen sie gerade dank dieser Einwirkung. Gleizes und Metzinger irren<br />

sich. Ihre Darlegungen über die Formen an sich hinken ebenfalls stark. Man kann ihnen ihre<br />

Irrtümer nicht ernstlich als Schuld anrechnen: ähnliche Irrtümer haben Leute begangen, die in<br />

der Philosophie unendlich [285] mehr beschlagen sind als sie. Aber man muß schon die<br />

Aufmerksamkeit auf eines richten: aus der vermeintlichen Unerkennbarkeit der Außenwelt<br />

ziehen unsere Autoren den Schluß, das Wesentliche müsse man in „unserer Persönlichkeit“<br />

suchen. Diese Schlußfolgerung kann auf zweifache Weise verstanden werden. Erstens kann<br />

man unter „Persönlichkeit“ das ganze Menschengeschlecht überhaupt verstehen; zweitens –<br />

jede Einzelpersönlichkeit. Im ersten Falle gelangen wir zum transzendentalen Idealismus<br />

Kants, im zweiten – zur sophistischen Anerkennung jedes Einzelmenschen als Maß aller<br />

Dinge. Unsere Autoren neigen gerade zur sophistischen Auslegung des genannten Schlusses.<br />

Und hat man einmal seine sophistische Auslegung 2 angenommen, so kann man sich in der<br />

Malerei wie auch überall sonst einfach alles mögliche erlauben. Wenn ich statt der „Frau in<br />

Blau“ („La femme en bleu“: unter dieser Bezeichnung wurde im letzten Herbst im „Salon“<br />

ein Gemälde von F. Léger ausgestellt) einige stereometrische Figuren hinmale, wer hat dann<br />

ein Recht zu mir zu sagen, ich habe ein mißlungenes Bild gemalt? Die Frauen sind ein Teil<br />

der mich umgebenden Außenwelt. Die Außenwelt ist unerkennbar. Um eine Frau darzustellen,<br />

bleibt mir nichts übrig, als an meine eigene „Persönlichkeit“ zu appellieren, und meine<br />

„Persönlichkeit“ erteilt der Frau die Form einiger ohne Anordnung hingeworfener Würfel<br />

oder vielmehr Parallelepipeda. Über diese ‘Würfel müssen alle Besucher des „Salons“ lachen.<br />

Aber das ist gar nicht so schlimm. Die „Menge“ lacht nur deshalb, weil sie die Sprache<br />

des Künstlers nicht versteht. Der Künstler darf ihr auf keinen Fall Zugeständnisse machen.<br />

„Der Künstler, der sich jeglicher Zugeständnisse enthält, der nichts erklärt und nichts sagt,<br />

sammelt eine innere Kraft an, die alles um ihn herum erleuchtet.“ 3 Und bis sich diese Kraft<br />

ansammelt, bleibt nichts übrig, als stereometrische Figuren zu zeichnen.<br />

Auf diese Weise ergibt sich etwas wie eine ergötzliche Parodie auf Puschkins Gedicht „Einem<br />

Dichter“:<br />

Wenn deinem Werk dein Mund das strengste Urteil spricht<br />

Und dein gerechter Spruch dich selig macht erzittern –<br />

So laß das blöde Volk, dein Werk verlästernd, schrein<br />

Und den Altar, darauf dein Feuer loht, bespein<br />

Und kindischen Übermuts den Dreifuß dir erschüttern! (A)<br />

1 Ebenda, S. 31.<br />

2 Siehe das gen. Werk, besonders S. 43/44.<br />

3 Ebenda, S. 42.<br />

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