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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

zufolge Hegel, eine unbewußte Vernunft – die historische Bewegung wird allein durch die<br />

Gesamtheit der Gesetze [27] bedingt. Was den menschlichen Gedanken betrifft, den Gedanken,<br />

den die französischen Philosophen des 18. Jahrhunderts als die Haupttriebfeder der historischen<br />

Bewegung ansahen, so hielt ihn Hegel in der Hauptsache für durch die Lebensweise<br />

oder, mit anderen Worten, durch die Gesellschaftsordnung bedingt. Gerade auf die Gesellschaftsordnung<br />

bezieht er sich, um den Gang des historischen Prozesses zu erklären. In seiner<br />

Geschichtsphilosophie sagt er zum Beispiel, daß die Ursache des Niedergangs Spartas die<br />

außerordentliche Ungleichheit in den Zuständen gewesen sei. Er sagt weiter, der Staat, als<br />

eine politische Organisation, verdanke seine Entstehung der Ungleichheit der Zustände und<br />

dem Kampf der Armen gegen die Reichen. Und das ist noch nicht alles. Die Entstehung der<br />

Familie ist, nach Hegel, eng mit der ökonomischen Entwicklung der Urvölker verknüpft. Mit<br />

einem Wort, mag Hegel noch so sehr Idealist gewesen sein, für die tiefste Grundlage des Lebens<br />

der Völker hielt er doch, wie auch die in der vorangegangenen Vorlesung behandelten<br />

französischen Historiker, die Gesellschaftsordnung. In dieser Beziehung stand er nicht hinter<br />

seiner Zeit zurück. Aber er eilte ihr auch nicht voraus. Er war nicht in der Lage, die Entstehung<br />

der Gesellschaftsordnung zu erklären. Denn wenn man, wie er es tut, sagt, sowohl die<br />

Gesellschaftsordnung eines bestimmten Volkes als auch seine politische Ordnung, seine religiösen<br />

und ästhetischen Ansichten wie auch seine moralische und geistige Entwicklung hänge<br />

in einer bestimmten Periode vom Zeitgeist ab‚ so heißt das, nichts zu erklären. Als Idealist<br />

hält Hegel den Geist für die letzte Quelle der historischen Bewegung. Wenn irgendein Volk<br />

von einer Stufe seiner Entwicklung zu einer anderen übergeht, so bedeutet das, daß der absolute<br />

(oder Universal-) Geist, dessen Träger lediglich das Volk ist, sich in eine höhere Phase<br />

seiner Entwicklung erhebt. Da solche Erklärungen überhaupt nichts erklären, tappt Hegel in<br />

demselben fehlerhaften Kreis herum, in dem die französischen Historiker und Soziologen<br />

herumtappten: sie erklärten die Gesellschaftsordnung durch die Beschaffenheit der Ideen, die<br />

Beschaffenheit der Ideen durch die Gesellschaftsordnung.<br />

Wir sehen also, daß die Evolution der Gesellschaftswissenschaft in ihren verschiedenen<br />

Zweigen von allen Seiten, sowohl von seiten der Philosophie als auch von Seiten der Literaturgeschichte,<br />

zu ein und demselben Problem führt: die Entstehung der Gesellschaftsordnung<br />

zu erklären. Solange dieses Problem ungelöst blieb, fuhr die Wissenschaft weiter fort, in der<br />

logischen Sackgasse herumzutappen und zu erklären, daß B die Ursache von A sei, und dabei<br />

zu beweisen, daß A die Ursache von B sei. Und umgekehrt, alles mußte wahrscheinlich klar<br />

werden, sobald die Frage nach der Herkunft der Gesellschaftsordnung gelöst sein würde.<br />

[28] Um die Lösung dieses Problems bemühte sich auch Marx, als er seine materialistische<br />

Lehre ausarbeitete.<br />

Im Vorwort eines seiner Werke, „Zur Kritik der politischen Ökonomie“, erzählt Marx selbst,<br />

auf welche Weise ihn seine Studien zu dieser Auffassung geführt haben.<br />

„Meine Untersuchung“, sagt er, „mündete in dem Ergebnis, daß Rechtsverhältnisse wie<br />

Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der sogenannten allgemeinen<br />

Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen<br />

wurzeln, deren Gesamtheit Hegel, nach dem Vorgang der Engländer und Franzosen<br />

des 18. Jahrhunderts, unter dem Namen ‚bürgerliche Gesellschaft‘ zusammenfaßt, daß aber<br />

die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei.“ 1<br />

Das ist, wie Sie sehen, dieselbe Schlußfolgerung, zu der – erinnern Sie sich? – sowohl die<br />

französischen Historiker, Soziologen und Kunstkritiker als auch die deutschen idealistischen<br />

Philosophen gekommen waren. Aber Marx geht weiter als sie. Er fragt, welche Ursachen sind<br />

1 „Zur Kritik der politischen Ökonomie.“ [Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 12.]<br />

19

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