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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 14.07.2013<br />

wollte. Diese Utopie erreicht die äußersten Grenzen des Komischen. Aber bei Iwar Kareno<br />

erreichen überhaupt alle „Gedanken, die frei sind wie der Vogel“, die äußerste Stufe der Abgeschmacktheit.<br />

Das Proletariat stellt sich ihm als eine Klasse dar, die andere Klassen der<br />

Gesellschaft ausbeutet. Das ist die irrigste unter allen Ideen Karenos, die frei sind wie der<br />

Vogel. Unglücklicherweise teilt Knut Hamsun diesen falschen Gedanken seines Helden, wie<br />

man sehen kann. Iwar Kareno erduldet bei ihm alles mögliche Mißgeschick, weil er das Proletariat<br />

haßt und ihm „Widerstand leistet“. So wird er der Möglichkeit beraubt, einen Lehrstuhl<br />

als Professor zu erhalten und sein Buch herauszugeben. Kurz gesagt, er zieht sich eine<br />

ganze Reihe Verfolgungen seitens jener Bourgeois zu, unter denen er lebt und wirkt. Aber in<br />

welchem Teile der Welt, auf welcher Utopia wohnt die Bourgeoisie, die für den „Widerstand“<br />

gegen das Proletariat so unbarmherzige Rache nimmt? Diese Bourgeoisie hat es niemals<br />

und nirgends gegeben und kann es nicht geben. Knut Hamsun hat seinem Stück eine<br />

Idee zugrunde gelegt, die sich in einem unversöhnlichen Widerspruch zur Wirklichkeit befindet.<br />

Und das hat dem Stück so sehr geschadet, daß es gerade an den Stellen Gelächter [265]<br />

hervorruft, wo der Gang der Handlung, nach dem Plan des Autors, eine tragische Wendung<br />

nehmen sollte.<br />

Knut Hamsun ist ein großes Talent. Aber kein Talent wird in Wahrheit verwandeln, was ihren<br />

direkten Gegensatz bildet. Die ungeheuren Mängel des Dramas „An des Reiches Pforten“<br />

sind eine natürliche Folge der völligen Unhaltbarkeit seiner Grundidee. Aber die Unhaltbarkeit<br />

seiner Idee wird bedingt durch das Unvermögen des Autors, den Sinn des Klassenkampfes<br />

in der heutigen Gesellschaft zu verstehen, dessen literarisches Echo sein Drama war.<br />

Knut Hamsun ist nicht Franzose. Aber das ändert nichts an der Sache. Schon das Manifest der<br />

Kommunistischen Partei hat sehr treffend darauf hingewiesen, daß dank der Entwicklung des<br />

Kapitalismus in zivilisierten Ländern die „nationale Einseitigkeit und Beschränktheit... mehr<br />

und mehr unmöglich“ wird „und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen ... sich eine<br />

Weltliteratur“ bildet 1 . Allerdings ist Hamsun in einem jener Länder Westeuropas geboren und<br />

aufgewachsen, das bei weitem nicht zu den in wirtschaftlicher Beziehung entwickeltsten gehört.<br />

Dadurch erklärt sich natürlich auch die wahrhaft kindliche Naivität seiner Vorstellungen<br />

von der Lage des kämpfenden Proletariats in der Gesellschaft seiner Zeit. Aber die wirtschaftliche<br />

Rückständigkeit seiner Heimat hinderte ihn nicht, von jener Feindseligkeit gegen die arbeitende<br />

Klasse und von jener Anteilnahme am Kampf gegen sie durchdrungen zu werden, die<br />

jetzt in der bürgerlichen Intelligenz der fortgeschrittensten Länder natürlicherweise aufkommen.<br />

Iwar Kareno ist nur eine der Abarten des Nietzschetypus. Und was ist das Nietzschetum?<br />

Es ist die neue, revidierte und gemäß den Erfordernissen der neuesten Periode des Kapitalismus<br />

vervollständigte Auflage jenes uns bereits sattsam bekannten Kampfes gegen den „Bourgeois“,<br />

der sich vortrefflich mit der unerschütterlichen Sympathie für die bürgerliche Ordnung verträgt.<br />

Dabei läßt sich an die Stelle des Beispiels Hamsun leicht ein anderes Beispiel setzen, das der<br />

zeitgenössischen französischen Literatur entnommen ist.<br />

Als einer der talentvollsten und – was hier noch wichtiger ist – einer der gedankenreichsten<br />

Dramatiker des gegenwärtigen Frankreichs muß ohne allen Zweifel François de Curel gelten.<br />

Und unter seinen Dramen hat ohne jedes Schwanken als das bemerkenswerteste das fünfaktige<br />

Stück „Le repas du lion“ zu gelten, das von der russischen Kritik, soviel mir bekannt ist,<br />

wenig beachtet wurde. Der in diesem Stück als Hauptperson auftretende Jean de Sancy<br />

schwärmt unter dem Einfluß einiger außergewöhnlicher Umstände seiner Kindheit eine Zeitlang<br />

für den christlichen [266] Sozialismus, dann bricht er damit entschieden und tritt als<br />

schönrednerischer Verteidiger der großkapitalistischen Industrie auf. In der dritten Szene des<br />

vierten Aktes sucht er den Arbeitern in einer langen Rede darzutun, daß „der produzierende<br />

1 [Karl Marx/Friedrich Engels, Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, Bd. I, S. 27.]<br />

25

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