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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 14.07.2013<br />

nung werden, die sich auf die Ausbeutung der einen Klasse durch die andere gründet.<br />

Deshalb redet man jetzt auch bei uns im Namen der „absoluten Autonomie der Kunst“ reichlich<br />

viel sozial-reaktionären Unsinn. Aber zur Zeit Puschkins war es noch nicht so. Und das<br />

war ein großes Glück für ihn.<br />

III<br />

Ich habe gesagt, es gebe kein Kunstwerk, das gänzlich ohne ideellen Gehalt wäre. Und ich habe<br />

hinzugefügt, einem Kunstwerk lasse sich nicht jede Idee zugrunde legen. Nur was zum Verkehr<br />

der Menschen untereinander beiträgt, vermag dem Künstler die wahre Inspiration zu geben.<br />

Die möglichen Grenzen eines solchen Verkehrs bestimmt nicht der Künstler, sie werden durch<br />

die Höhe der von diesem gesellschaftlichen Ganzen erreichten Kultur, dem dieser angehört,<br />

bestimmt. In einer in Klassen geteilten Gesellschaft hängt die Sache aber noch von den gegenseitigen<br />

Beziehungen dieser Klassen und davon ab, in welcher Phase der Entwicklung sich zur<br />

Zeit jede dieser Klassen befindet. Als die Bourgeoisie eben noch um ihre Befreiung vom Joche<br />

der weltlichen und geistlichen Aristokratie kämpfte, d. h., als sie selbst eine revolutionäre Klasse<br />

war, zog sie die [262] ganze werktätige Masse hinter sich her, die zusammen mit ihr den<br />

einen „dritten“ Stand bildete. Und damals waren die fortschrittlichen Ideologen der Bourgeoisie<br />

auch die fortschrittlichen Ideologen der „ganzen Nation mit Ausschluß der Privilegierten“. Mit<br />

anderen Worten: Damals waren die Grenzen jenes Verkehrs zwischen den Menschen, den die<br />

Werke der auf dem bürgerlichen Standpunkt stehenden Künstler vermittelten, verhältnismäßig<br />

weit gesteckt. Als aber die Interessen der Bourgeoisie nicht länger die Interessen der ganzen<br />

werktätigen Masse waren und besonders als sie mit den Interessen des Proletariats in einen<br />

feindlichen Konflikt gerieten – da wurden die Grenzen dieses Verkehrs sehr eingeengt. Wenn<br />

Ruskin sagte, der Geizhals könne nicht sein verlorenes Geld besingen, so war jetzt eine solche<br />

Zeit gekommen, da sich die Stimmung der Bourgeoisie der Stimmung des Geizhalses näherte,<br />

der seine Schätze beweint. Der Unterschied ist nur der, daß dieser Geizhals einen Verlust beweint,<br />

der bereits geschehen ist, daß aber die Bourgeoisie die Seelenruhe wegen des Verlustes<br />

verliert, der ihr in der Zukunft droht. „Der Weise wird dumm, wenn er andere bedrückt“, möchte<br />

ich mit den Worten des Ecclesiastes sagen. Eine ebenso schädliche Wirkung muß auf den<br />

Weisen (ja, auf den Weisen!) die Befürchtung ausüben, daß er der Möglichkeit beraubt wird,<br />

andere zu bedrücken. Die Ideologien der herrschenden Klasse verlieren ihren inneren Wert in<br />

dem Maße, wie diese dem Untergang entgegenreift. Die Kunst, geschaffen durch ihre Erlebnisse,<br />

verfällt. Die Aufgabe des vorliegenden Aufsatzes besteht darin, das im vorangehenden Aufsatz<br />

hierüber Gesagte zu ergänzen, indem wir noch einige der markantesten Anzeichen des<br />

jetzigen Verfalls der bürgerlichen Kunst untersuchen.<br />

Wir haben gesehen, auf welchem Wege der Mystizismus in die zeitgenössische schöngeistige<br />

Literatur Frankreichs eingedrungen ist. Dazu führte das Bewußtsein der Unmöglichkeit, sich<br />

auf die Form ohne Inhalt, d. h. ohne Idee, zu beschränken, ein Bewußtsein, das begleitet war<br />

von der Unfähigkeit, sich zum Verständnis der großen Freiheitsideen unserer Zeit zu erheben.<br />

Das gleiche Bewußtsein und die gleiche Unfähigkeit haben noch viele andere Folgen nach<br />

sich gezogen, die den inneren Wert der Kunstwerke nicht weniger als der Mystizismus verminderten.<br />

Der Mystizismus ist ein unversöhnlicher Feind der Vernunft. Aber mit der Vernunft lebt nicht<br />

nur der in Feindschaft, der in Mystizismus verfällt. Mit ihm lebt in Zwist auch, wer aus diesem<br />

oder jenem Grunde, auf diese oder jene Weise eine verlogene Idee verteidigt. Und wenn<br />

die verlogene Idee dem Kunstwerk zugrunde gelegt wird, trägt sie in dieses Kunstwerk eben<br />

solche inneren Widersprüche hinein, unter denen sein ästhetischer Wert leidet.<br />

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