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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 14.07.2013<br />

mit den beschränktesten Ideologen der Bourgeoisie zusammenfand. Und derselbe Charakterzug<br />

ist bei allen zeitgenössischen Anhängern der Kunst für die Kunst festzustellen. In der<br />

biographischen Skizze über Edgar Poe sagt Baudelaire, der schon längst sein revolutionäres<br />

„Salut public“ vergessen hatte: „Unter einem Volk ohne Aristo-[256]kratie kann die Verehrung<br />

des Schönen nur verderben, schrumpfen und untergehen.“ An einer anderen Stelle behauptet<br />

er, es gebe nur drei achtbare Geschöpfe: „den Priester, den Krieger, den Dichter“.<br />

Das ist kein Konservativismus mehr, das ist eine reaktionäre Einstellung. Ein ebensolcher<br />

Reaktionär ist auch Barbey d’Aurevilly. In seinem Buche „Les poètes“ spricht er von den<br />

dichterischen Werken Laurent Pichats und erklärt, Pichat könnte ein großer Dichter sein,<br />

wenn er willens wäre, „den Atheismus und die Demokratie – diese zwei Schandflecke (ces<br />

deux déshonneurs) seines Denkens“ – mit Füßen zu zertreten.<br />

Seitdem Théophile Gautier sein Vorwort zu „Mademoiselle de Maupin“ schrieb (im Mai<br />

1835), ist viel Zeit verflossen. Die Saint-Simonisten, die ihm angeblich immer die Ohren<br />

vollgesummt hatten mit ihrem Gerede von der Fähigkeit des Menschengeschlechts zur<br />

Selbstvervollkommnung, hatten laut die Notwendigkeit der sozialen Reform verkündet. Wie<br />

die Mehrzahl der utopischen Sozialisten waren sie aber entschiedene Anhänger der friedlichen<br />

gesellschaftlichen Entwicklung und deshalb nicht weniger entschiedene Gegner des<br />

Klassenkampfes. Dabei wandten sich die utopischen Sozialisten in der Hauptsache an die<br />

Besitzenden. Sie glaubten nicht an ein selbständiges Handeln des Proletariats. Die Ereignisse<br />

von 1848 zeigten jedoch, daß sein selbständiges Handeln sehr bedrohlich werden kann. Nach<br />

1848 ging es nicht mehr darum, ob die Besitzenden willens waren, das Los der Besitzlosen zu<br />

verbessern, sondern darum, wer in dem Kampf die Oberhand gewann: die Besitzenden oder<br />

die Besitzlosen. Die Beziehungen der Klassen zueinander hatten sich in der neuesten Gesellschaft<br />

bedeutend vereinfacht. Jetzt begriffen alle Ideologen der Bourgeoisie, daß es sich darum<br />

handelte, ob es ihr gelingen werde, die werktätige Masse in wirtschaftlicher Sklaverei<br />

festzuhalten. Das Bewußtsein dessen drang auch in die Köpfe der Verteidiger der Kunst für<br />

die Besitzenden ein. Einer der bemerkenswertesten unter ihnen, was seine Bedeutung in der<br />

Wissenschaft betrifft, Ernest Renan, forderte in seinem Werk „La réforme intellectuelle et<br />

morale“ eine starke Regierung, „die die guten Bauernburschen zwingt, unsere Arbeit mitzuverrichten,<br />

während wir grübeln“ („qui force de bons rustiques de faire notre part de travail<br />

pendant que nous spéculons“) 1 .<br />

Diese Auffassung der bürgerlichen Ideologen vom Sinn des Kampfes zwischen Bourgeoisie<br />

und Proletariat, die ungleich klarer war als früher, mußte den stärksten Einfluß auf die Natur<br />

ihrer „Spekulationen“ ausüben. Im Ecclesiastes heißt es so schön: „Der Weise wird dumm,<br />

wenn er andere bedrückt.“ 2* Als die bürgerlichen Ideologen das Geheimnis des [257] Kampfes<br />

zwischen ihrer Klasse und dem Proletariat entdeckten, hatte das zur Folge, daß sie allmählich<br />

die Fähigkeit zur ruhigen wissenschaftlichen Untersuchung der gesellschaftlichen Erscheinungen<br />

verloren. Und das setzte den inneren Wert ihrer mehr oder weniger gelehrten<br />

Arbeiten ziemlich stark herab. Wenn die bürgerliche politische Ökonomie früher einen solchen<br />

Riesen des wissenschaftlichen Denkens hervorbringen könnte, wie es David Ricardo<br />

war, jetzt gaben in den Reihen ihrer Vertreter schwatzhafte Zwerge von der Art eines<br />

Frédéric Bastiat den Ton an. In der Philosophie begann sich mehr und mehr die idealistische<br />

1 Zitiert bei Cassagne in seinem Buche „La théorie de l’art pour l’art chez les derniers romantiques et les premiers<br />

réalistes“, pp. 194/195.<br />

2* Welchen Vers aus dem Ecclesiastes, dem Prediger Salomo des Alten Testaments, Plechanow hier im Sinn hat,<br />

konnte nicht festgestellt werden, da unser Autor die Quelle nicht genau belegt hat. Auch in den Sprüchen Salomos<br />

sowie in dem Buche Ecclesiasticus („Die Weisheit Jesus Sirachs“) findet man nichts Entsprechendes. Siehe<br />

auch die Seiten 262, 272, 315, 316 und 333 des vorliegenden Bandes, wo wir den Plechanowschen Wortlaut<br />

überall erhalten haben.<br />

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