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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 08.07.2013<br />

Er hält Freiheit ohne Notwendigkeit für unmöglich.<br />

Wenn ich in meinen Handlungen immer nur mit der Freiheit anderer Menschen rechnen muß,<br />

bin ich nicht in der Lage, die Folgen meiner Taten vorauszusehen, denn meine genaueste<br />

Berechnung kann jeden Augenblick durch eine fremde Freiheit zerstört werden, und deshalb<br />

kann sich aus unseren Handlungen durchaus nicht jenes Resultat ergeben, das ich vorausgesehen<br />

hatte. Ich bin also nicht frei, mein Leben unterliegt den Zufällen. Ich kann der Folgen<br />

meiner Handlungen nur sicher sein, wenn ich die Handlungen anderer Menschen voraussehen<br />

kann, damit ich sie aber voraussehen kann, müssen diese Handlungen irgendwelchen Gesetzen<br />

unterliegen d. h. müssen sie durch irgend etwas bedingt sein, müssen sie notwendig sein.<br />

Die Notwendigkeit der Handlungen anderer Menschen ist daher die erste Bedingung der<br />

Freiheit meiner Handlungen.<br />

Anderseits aber können die Menschen, indem sie notwendigerweise handeln, auch die Freiheit<br />

ihrer Handlungen wahren. Was ist eine notwendige Handlung? Das ist eine Handlung,<br />

die ein Individuum unter bestimmten Umständen nicht umhin kann auszuführen. Woraus<br />

ergibt sich die Unmöglichkeit, diese Handlung nicht auszuführen? Sie ist durch die Natur des<br />

Menschen, die die Vererbung geschaffen hat, und durch seine [26] vorangegangene Entwicklung<br />

bedingt. Die Natur dieses Menschen ist so beschaffen, daß er unter bestimmten Umständen<br />

auf eine bestimmte Weise handeln muß. Das ist klar, nicht wahr? Fügen Sie noch hinzu,<br />

daß die Natur dieses Menschen so beschaffen ist, daß er nicht anders kann, als bestimmte<br />

Wünsche zu empfinden, so werden Sie den Begriff der Freiheit mit dem Begriff der Notwendigkeit<br />

in Übereinstimmung bringen. Ich bin frei, wenn ich handeln kann, wie ich will. Und<br />

meine freie Handlungsweise ist zu gleicher Zeit notwendig, denn mein Wollen ist durch meine<br />

Natur und die gegebenen Umstände bedingt. Die Notwendigkeit schließt also die Freiheit<br />

nicht aus. Die Notwendigkeit – das ist eben die Freiheit, nur von einer anderen Seite, von<br />

einem anderen Standpunkt aus betrachtet.<br />

Nachdem ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Antwort gelenkt, die Schelling auf die große Frage<br />

nach Notwendigkeit und Freiheit gegeben hat, gehe ich zu seinem Freund und Rivalen, zu<br />

Hegel über.<br />

Die Philosophie Hegels war, ähnlich wie die Philosophie Schellings, eine idealistische Philosophie.<br />

Nach seiner Meinung machen der GEIST oder die IDEE das Wesen und gewissermaßen<br />

die Seele alles Existierenden aus. Selbst die Materie ist nur eine Erscheinungsform des<br />

GEISTES oder der IDEE. Ist das möglich? Ist die Materie wirklich nur eine Erscheinungsform<br />

des GEISTES? Das ist eine Frage, die vom philosophischen Standpunkt aus von großer<br />

Wichtigkeit ist, bei der wir uns jetzt aber nicht aufzuhalten brauchen. Wir müssen jetzt die<br />

historischen Ansichten betrachten, die auf dieser idealistischen Grundlage in Hegels System<br />

entstanden sind.<br />

Nach den Ansichten dieses großen Denkers ist die Geschichte nur eine Entwicklung des Universalgeistes<br />

in der Zeit. Geschichtsphilosophie ist Geschichte, mit dem Verstande betrachtet.<br />

Sie nimmt die Tatsachen, wie sie sind, und der einzige Gedanke, den sie in ihre Beurteilung<br />

hineinträgt, ist der Gedanke, daß die Vernunft die Welt regiert. Das erinnert Sie zweifellos an<br />

die französische Philosophie des 18. Jahrhunderts, nach der die Ideen oder die Vernunft die<br />

Welt regieren. Aber Hegel verstand diesen Gedanken auf eine besondere Art. In seinen Vorlesungen<br />

über Geschichtsphilosophie sagt er, Anaxagoras habe als erster philosophisch erkannt,<br />

daß die Vernunft die Welt lenke; er verstand darunter nicht die sich selbst erkennende<br />

Vernunft, nicht den Verstand als solchen, sondern die allgemeinen Gesetze. Die Bewegung<br />

des Planetensystems vollzieht sich nach unerschütterlichen Gesetzen, und diese Gesetze bilden<br />

ihre Vernunft; aber weder die Sonne noch die Planeten, die sich nach diesen Gesetzen<br />

bewegen, sind sich dessen bewußt. Die Vernunft, die den historischen Prozeß lenkt, ist also,<br />

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