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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 14.07.2013<br />

gebildet. Nein, selbst ein so typischer Vertreter des Absolutismus wie Ludwig XIV. in Frankreich<br />

war nicht weniger fest davon überzeugt, daß die Kunst nicht als Selbstzweck dienen<br />

könne, sondern zur moralischen Erziehung der Menschen beitragen müsse. Und die ganze<br />

Literatur, die ganze Kunst des berühmten Zeitalters Ludwigs XIV. war zutiefst von dieser<br />

Überzeugung durchdrungen. Und ebenso hätte Napoleon I. die Theorie der Kunst für die<br />

Kunst als einen der schädlichen Einfälle unbequemer „Ideologen“ betrachtet. Er wollte ebenfalls,<br />

daß Literatur und Kunst sittlichen Zielen dienen sollten. Und das ist ihm in beträchtlichem<br />

Grade gelungen, da zum Beispiel ein großer Teil der Gemälde, die auf den periodischen<br />

Ausstellungen jener Zeit (den „Salons“) gezeigt wurden, der Darstellung der kriegerischen<br />

Taten des Konsulats und des Imperiums gewidmet waren. Sein Großneffe, Napoleon III.,<br />

wandelte in diesem Falle in seinen Spuren, wenn auch mit weit geringerem [246] Erfolg.<br />

Auch er wollte Kunst und Literatur in den Dienst der von ihm so genannten Sittlichkeit stellen.<br />

Im November 1852 verspottete der Lyoner Professor Laprade diesen. bonapartistischen<br />

Drang zur erbaulichen Kunst mit bissigen Worten in einer Satire, die „Les muses d’Etat“ betitelt<br />

war. Er sagte darin voraus, daß bald eine solche Zeit kommen werde, wo die staatlichen<br />

Musen den menschlichen Verstand der militärischen Disziplin unterwerfen würden, und dann<br />

werde endlich Ordnung herrschen, dann werde kein einziger Schriftsteller mehr wagen, irgendwelche<br />

Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen.<br />

Il faut être content, s’il pleut, s’il fait soleil,<br />

S’il fait chaud, s’il froid: „Ayez le teint vermeil,<br />

Je déteste les gens maigres, à face pâle;<br />

Celui qui ne rit pas, mértite qu’on l’empale.“ 1<br />

Ich will nebenbei bemerken, daß Laprade für diese geistreiche Satire seine Stellung als Professor<br />

verlor. Spötteleien über die „staatlichen Musen“ duldete die Regierung Napoleons III. nicht.<br />

II<br />

Lassen wir die regierenden „Sphären“. Unter den französischen Schriftstellern des Zweiten<br />

Imperiums trifft man auf Leute, die die Theorie der Kunst für die Kunst durchaus nicht aus<br />

irgendwelchen fortschrittlichen Erwägungen ablehnten. So hat Alexandre Dumas der Jüngere<br />

kategorisch erklärt, die Worte „Kunst für die Kunst“ haben keinerlei Sinn. Mit seinen Stükken<br />

„Le fils naturel“ und „Le père prodigue“ verfolgte er gewisse gesellschaftliche Ziele. Er<br />

fand es für nötig, mit seinen Werken die „alte Gesellschaft“ zu stützen, die, nach seinen Worten,<br />

in allen Fugen krachte.<br />

Im Jahre 1857 hat Lamartine, bei der Würdigung des literarischen Schaffens des damals<br />

eben verstorbenen Alfred de Musset, bedauert, daß es nicht als Ausdruck des religiösen,<br />

sozialen, politischen oder patriotischen Glaubens (foi) gedient habe, und er warf den zeitgenössischen<br />

Dichtern vor, sie vergäßen um des Reimes oder des Versmaßes willen den<br />

Sinn ihrer Werke. Schließlich – um auf eine weit weniger bedeutende literarische Größe<br />

hinzuweisen – ruft Maxime Du Camp, indem er die ausschließliche Berücksichtigung der<br />

Form tadelt, aus:<br />

[247]<br />

1 Ihr sollt zufrieden sein, wenns regnet, wenn die Sonne sticht,<br />

Bei Hitzebrand, bei Kältestarre „Habt doch ein rosiges Gesicht:<br />

Denn mir mißfallen eure magren, todeswächsernen Gebärden;<br />

Ich sage, wer nicht lacht, verdient gepfählt zu werden.“<br />

2 Gewiß: die Form heißt schön, die auf Gedanken ruht!<br />

La forme est belle, soit! quand l’idée est au fond!<br />

Qu’est-ce donc qu’un beau front qui n’a pas de cervelle? 2<br />

12

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