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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 14.07.2013<br />

sich natürlich nicht auf die werktätige Masse. In seinen „Zigeunern“ schildert er die Bewohner<br />

der dumpfen Städte in dieser Weise:<br />

O sähest du, wie man der Liebe<br />

Sich schämt, vor Götzen niederfällt,<br />

Wie man der freien Seele Triebe<br />

Verkauft für Flitterprunk und Geld. (A)<br />

Man kann schwerlich annehmen, daß sich diese Charakteristik auf die städtischen Handwerker<br />

beziehen soll.<br />

Wenn das richtig ist, zeichnet sich vor uns folgende Schlußfolgerung ab:<br />

Die Neigung zur Kunst für die Kunst entsteht dort, wo ein Zwiespalt zwischen den Künstlern<br />

und dem sie umgebenden gesellschaftlichen Milieu vorhanden ist.<br />

Man kann natürlich sagen, das Beispiel Puschkins sei zur Begründung einer solchen Schlußfolgerung<br />

unzureichend. Ich will nicht streiten und nicht widersprechen. Ich werde andere<br />

Beispiele bringen und sie der Geschichte der französischen Literatur entnehmen, d. h. der<br />

Literatur jenes Landes, dessen geistige Strömungen, wenigstens bis in die Mitte des vorigen<br />

Jahrhunderts, auf dem ganzen europäischen Festland weiteste Anteilnahme gefunden haben.<br />

Die französischen Romantiker der Zeit Puschkins waren ebenfalls, mit wenigen Ausnahmen,<br />

leidenschaftliche Anhänger der Kunst für die Kunst. Wohl der konsequenteste unter ihnen,<br />

Théophile Gautier, fertigt die Vertreter der utilitaristischen Ansicht über die Kunst in folgender<br />

Weise ab:<br />

„Nein, ihr Dummköpfe, nein, ihr Kretins und Kropfhälse, ein Buch gibt keine Gelatinesuppe;<br />

ein Roman ist kein Paar Stiefel ohne Naht... Bei den Gedärmen aller Päpste der Vergangenheit,<br />

Gegenwart und Zukunft, nein und zweihunderttausendmal nein... Ich gehöre zu denen,<br />

für [238] die das Überflüssige das Notwendige ist – und ich habe Dinge und Menschen lieber<br />

im umgekehrten Verhältnis zu den Diensten, die sie mir erweisen.“ 1<br />

Derselbe Gautier lobte in einer biographischen Notiz über Baudelaire den Autor der „Fleurs<br />

du mal“ dafür, daß er die „absolute Autonomie der Kunst“ vertrat „und nicht zuließ, daß die<br />

Poesie ein anderes Ziel haben könne als sich selbst und eine andere Aufgabe zu erfüllen habe<br />

als die, in der Seele des Lesers die Empfindung des Schönen im absoluten Sinne des Wortes<br />

zu erwecken“ („l’autonomie absolue de l’art et qu’il n’admettait pas que la poésie eût d’autre<br />

but qu’elle-même et d’autre mission à remplir que d’exciter dans l’âme du lecteur la sensation<br />

du beau, dans le sens absolu du terme“).<br />

Wie schlecht sich in Gautiers Geist die „Idee des Schönen“ mit den gesellschaftlichen und<br />

politischen Ideen vertrug, ist aus seiner folgenden Bemerkung zu ersehen:<br />

„Für den Anblick eines echten Bildes von Raffael oder einer schönen nackten Frau würde ich<br />

mit größter Freude (três joyeusement) auf meine Rechte als Franzose und als Bürger verzichten.“<br />

2<br />

Weiter kann man nicht gehen. Und dabei würden alle Anhänger des Parnaß (les parnassiens)<br />

sicherlich mit Gautier übereinstimmen, wenn auch manch einer möglicherweise einige Einschränkungen<br />

bezüglich der allzu paradoxen Form machen würde, in der Gautier, besonders<br />

in jungen Jahren, die Forderung nach „der absoluten Autonomie der Kunst“ zum Ausdruck<br />

brachte.<br />

1 [Th. Gautier,] Vorrede zum Roman „M-lle de Maupin“ [Paris 1871, S. 18 u. 21].<br />

2 [„M-lle de Maupin“, p. 21.]<br />

6

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