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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 14.07.2013<br />

Die entgegengesetzte Ansicht über die Aufgabe der künstlerischen Schöpfung hatte während<br />

der Regierungszeit des Zaren Nikolaus einen mächtigen Vertreter in der Person Puschkins.<br />

Allen sind solche Gedichte von ihm wie „Der Dichter und die Menge“ 1* und „Einem Dichter“<br />

bekannt. Das Volk, das vom Dichter verlangt, er solle mit seinen Liedern [233] die gesellschaftlichen<br />

Sitten verbessern, bekommt von ihm eine verächtliche, man kann sagen eine<br />

grobe Antwort zu hören:<br />

Hinweg! Nie dient des Pöbels Zwecken<br />

Des Dichters friedereiches Lied!<br />

Nie wird der Leier Ton euch wecken!<br />

Versteint im Laster das Gemüt:<br />

Ein Ekel seid ihr meinem Blicke!<br />

Für eure Dummheit, eure Tücke<br />

Habt ihr bis heute nicht entbehrt<br />

Gefängnis, Knute, Strang und Schwert –<br />

Und das schon ist ein großer Segen! (A)<br />

Die Ansicht über die Aufgabe des Dichters ist von Puschkin in folgenden, so oft wiederholten<br />

Worten dargelegt:<br />

Nicht zu des Weltgewühls Begeistrung,<br />

Nicht zu der Habgier Niederzwang –<br />

Geboren sind wir zur Begeistrung,<br />

Zum Preisgebet und Wonnesang. (A)<br />

Hier haben wir die sogenannte Theorie der Kunst für die Kunst in ihrer klarsten Formulierung.<br />

Nicht ohne Grund haben sich die Gegner der literarischen Bewegung der sechziger Jahre<br />

so gern und so oft auf Puschkin berufen.<br />

Welche von diesen beiden einander völlig entgegengesetzten Ansichten über die Aufgabe der<br />

Kunst kann man nun für richtig erklären?<br />

Wenn man an die Lösung dieser Frage herangeht, muß man zunächst bemerken, daß sie<br />

schlecht formuliert ist. Man kann sie, wie auch alle anderen ähnlichen Fragen, nicht vom Gesichtspunkt<br />

der „Pflicht“ aus betrachten. Wenn sich die Künstler eines Landes zu einer bestimmten<br />

Zeit von „des Weltgewühls Begeistrung“ und von „der Habgier Niederzwang“<br />

fernhalten und ein andermal, im Gegensatz dazu, gierig hinstreben zum Weltgewühl und zu<br />

dem damit unvermeidlich verbundenen wild erregten Treiben, so rührt das nicht davon her,<br />

daß irgendein Außen-[234]stehender ihnen zu den verschiedenen Zeiten die verschiedenen<br />

Verpflichtungen („Pflichten“) vorschreibt, sondern davon, daß sie unter diesen gesellschaftlichen<br />

Bedingungen von der einen Stimmung beherrscht werden, und unter jenen eben von<br />

einer anderen. Das heißt, die richtige Beziehung zum Gegenstande verlangt von uns, daß wir<br />

ihn nicht vom Standpunkte dessen aus betrachten, was sein sollte, sondern vom Standpunkt<br />

dessen, was war und was ist. Im Hinblick darauf wollen wir die Frage so stellen:<br />

Welches sind die wichtigsten unter jenen gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen bei<br />

den Künstlern und bei Menschen, die sich lebhaft für künstlerisches Schaffen interessieren,<br />

die Neigung zur Kunst für die Kunst entsteht und sich festigt?<br />

hen, die wir beispielsweise bei G. I. Uspenski finden, um auf Tschernyschewski und Dobroljubow gar nicht erst<br />

zu sprechen zu kommen.<br />

1* Dieses Gedicht <strong>erschien</strong> zuerst gedruckt unter dem Titel „Der Pöbel“. Bei der Vorbereitung einer neuen Ausgabe<br />

seiner Gedichte (kurz vor seinem Tode) strich Puschkin den alten Titel und ersetzte ihn durch „Der Dichter<br />

und die Menge“.<br />

3

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