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erschien nennen menschenähnlichen

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OCR-Texterkennung durch Max Stirner Archiv Leipzig, 13.07.2013<br />

ten. Es war wirklich so, wie er sagte. Aber diese Tatsache beweist durchaus nicht das, was<br />

Herr Minski beweisen wollte. Es haben doch auch in Frankreich viele Gegner des „Spießbürgertums“,<br />

die selbst völlig vom bürgerlichen Geist durchdrungen waren –zum Beispiel Baudelaire<br />

–‚ sehr für die Bewegung des Jahres 1848 geschwärmt, was sie nicht hinderte, sich<br />

davon abzuwenden, sobald sie niedergeschlagen war. Leute von diesem Schlag, die sich für<br />

kraftvolle „Übermenschen“ halten, sind in Wirklichkeit ganz große Schwächlinge und fühlen<br />

sich wie alles Schwache natürlicherweise von dem Starken angezogen. Aber sie sind kein<br />

neues Element der Kraft, sondern eine negative Größe, die man am besten von sich fernhält,<br />

um die Kraft der Bewegung nicht zu schwächen. Und eine schwere Schuld haben die Verteidiger<br />

der Arbeiterinteressen auf sich geladen, die sich mit diesen Herrschaften verbrüdert<br />

haben.<br />

Wir wollen indes zu den Aufgaben der Literaturkritik zurückkehren. Ich hatte gesagt, die<br />

idealistischen Kritiker aus der Hegelschen Schule fühlten sich verpflichtet, die Idee des<br />

Kunstwerkes aus der Sprache der Kunst in die Sprache der Philosophie zu übertragen. Aber<br />

sie haben sehr wohl begriffen, daß sich ihre Aufgabe keinesfalls auf die Erfüllung dieser<br />

Verpflichtung beschränkte. Die angeführte Übertragung war in ihren Augen nur der erste Akt<br />

des Prozesses der philosophischen Kritik; die Aufgabe des zweiten Aktes dieses Prozesses<br />

bestand für sie darin – wie Belinski schrieb –‚ „die Idee des Kunstwerkes in ihrer konkreten<br />

Erscheinung aufzuspüren, sie in Bildern darzustellen und das Ganze und Allgemeine in den<br />

Besonderheiten zu finden“. Das bedeutet, auf die Würdigung der Idee des Kunstwerkes muß<br />

die Analyse seiner künstlerischen Werte folgen. Die Philosophie hat die Ästhetik nicht beseitigt,<br />

sondern, im Gegenteil, ihr den Weg gebahnt, sie war bestrebt, ihr eine feste Grundlage<br />

zu schaffen. Das gleiche muß man auch von der materialistischen Kritik sagen. In dem Bestreben,<br />

das gesellschaftliche Äquivalent einer bestimmten literarischen Erscheinung zu finden,<br />

wird diese Kritik ihrer eigenen Natur untreu, wenn sie nicht versteht, daß sich die Aufgabe<br />

nicht auf das Auffinden dieses Äquivalents beschränken kann und daß die Soziologie<br />

die Tore vor der Ästhetik nicht verschließen darf, sondern, im Gegenteil, ganz weit vor ihr<br />

öffnen muß. Der zweite Akt der sich selbst treu bleibenden materialistischen Kritik muß –<br />

wie das auch bei den idealistischen Kritikern so war – die Würdigung der ästhetischen Werte<br />

des untersuchten Werkes sein. Verzichtete der materialistische Kritiker auf eine solche Würdigung<br />

unter dem Vorwande, er habe das soziologische Äquivalent des Werkes bereits gefunden,<br />

so würde er damit nur kundtun, daß er den Standpunkt nicht begreift, auf den er sich<br />

als auf eine feste Grundlage stützen will. [226] Die Besonderheiten des künstlerischen Schaffens<br />

jeder gegebenen Epoche stehen immer in engstem ursächlichem Zusammenhang mit der<br />

gesellschaftlichen Einstellung, die darin zum Ausdruck kommt. Die gesellschaftliche Einstellung<br />

jeder gegebenen Epoche wird nun stets bedingt durch die dieser Epoche eigentümlichen<br />

gesellschaftlichen Verhältnisse. Das zeigt die Geschichte der Kunst und der Literatur ganz<br />

vortrefflich. Und deshalb würde die Bestimmung des soziologischen Äquivalents jedes gegebenen<br />

literarischen Werkes unvollständig und folglich auch ungenau bleiben, wenn der Kritiker<br />

auf die Würdigung seiner künstlerischen Werte verzichtete. Mit anderen Worten, der erste<br />

Akt der materialistischen Kritik macht den zweiten Akt nicht nur nicht überflüssig, sondern<br />

setzt ihn als seine notwendige Ergänzung voraus.<br />

Ich wiederhole, die Möglichkeit einer falschen Anwendung der Methode der materialistischen<br />

Kritik kann nicht als Beweisgrund gegen sie dienen – aus dem einfachen Grunde, weil<br />

es eine Methode nicht gibt und geben kann, von der man keinen falschen Gebrauch machen<br />

könnte.<br />

In meinem Buche „Über die Entwicklung der monistischen Geschichtsauffassung“ habe ich,<br />

als ich gegen Michailowski Stellung nahm, geschrieben:<br />

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